Lohndumping Müllerart

Grundeinkommen à la SPD Der Regierende von Berlin hat den Begriff Grundeinkommen für sich entdeckt.

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Aktuell wieder in der Diskussion, aber tatsächlich ein launiger Einfall, der im Herbst 2017 schon einmal durch die Medien geisterte: solidarisches Grundeinkommen. Im Rahmen dessen könnten laut Müller, regierender Bürgermeister von Berlin, Erwerbslose dringend benötigte Jobs im kommunalen Sektor wie beispielsweise Schul-Hausmeisterei, Kinder- oder SeniorInnen-Betreuung, Leitung von Sportkursen usw. übernehmen. Es soll sich dabei um sozialversicherungspflichtige Stellen handeln, die mit dem Mindestlohn(aktuell 8,84 Euro pro Stunde) vergütet werden.

Spätestens hier reibt man sich verblüfft die Augen.

Warum sollen Jobs, die laut Müller ´dringend benötigt werden` unter dem Motto Solidarisches Grundeinkommen vergeben werden? Warum ist die Tätigkeit als HausmeisterIn, KinderbetreuerIn usw. inzwischen keine Arbeit mehr, die an dafür qualifiziertes Personal vergeben und mit dem üblichen Tariflohn vergütet wird? Immerhin - ein Zwang, die Arbeit qualifizierter Menschen für weniger Geld zu erledigen, soll laut Müller nicht entstehen. Wer nicht mitmachen will erhält auch weiterhin Sozialleistungen. Und wird vom Jobcenter auch weiterhin durch die Mühle gedreht? Dazu hat der Regierende sich noch nicht geäußert. Anzunehmen ist es. Vielleicht werden sich die, die in ihrer Qualifikation als HausmeisterIn oder AltenpflegerIn keinen regulären Job mehr finden, weil diesen ja jetzt solidarische GrundeinkommensempfängerInnen erledigen, also doch überlegen, bei Müllers Sause mitzumachen. Lieber das tun, was man gelernt hat und was einem liegt, als vom Jobcenter unter Androhung von Sanktionen in ein Callcenter oder in einen Sexshop (passiert tatsächlich)vermittelt zu werden.

Abgesehen davon, dass die Kommunen viel Geld sparen würden, weil sie alle möglichen Berufe zu Hilfstätigkeiten erklären könnten, um sie dann im Rahmen von Müllers solidarischem Grundeinkommen an Erwerbslose jeglicher Berufsgruppen zu verteilen, ist die Idee so sinnlos wie gefährlich. Vermutlich wird sie aber sowieso nicht umgesetzt werden; in der CDU findet sie wenig Anklang - wenn auch aus anderen Gründen als bei BefürworterInnen des Bedingungslosen Grundeinkommens.

Dazu zunächst: empörend ist, den Begriff Grundeinkommen zu einer euphemistischen Bezeichnung für Lohndumping-Modelle zu machen, mit denen die Bevölkerung zukünftig sicher noch häufiger geblendet werden wird.

Ein Grundeinkommen, das seinen Namen verdient, kann nur ein emanzipatorisches Grundeinkommen sein. Ein solches hat nichts zu tun mit Sparmodellen für klamme Kommunen oder kürzlich veranstalteten Versuchen in Finnland oder Indien, und hat auch nichts zu tun mit neoliberalen BGE-Modellen wie beispielsweise dem von Drogerie-Marktunternehmer Götz Werner oder ähnlichen Ideen, die lediglich Unternehmen steuerlich entlasten sollen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist ein individuell garantiertes Recht auf ein Einkommen in einer existenz- und teilhabesichernden Höhe, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zur Arbeit oder zu einer anderen Gegenleistung. Bedingungslose wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Teilhabe ist ein Menschenrecht. Dieses Prinzip schließt den Zwang zur Gegenleistung unter Androhung von Repressionen ebenso aus, wie die Pflicht, sich vom Einkommen oder Vermögen von Familienmitgliedern abhängig zu machen. Ein solches Modell bekämpft zudem radikal Altersarmut, da die Stigmatisierungen und Diskriminierungen, die durch die Bedürftigkeitsprüfungen bei der Grundsicherung entstehen und zu verdeckter Armut führen, wegfallen. Es ist die sozial- ökonomische Basis, im Renten-Alter nicht bei einer sogenannten Tafel um Essensreste anstehen zu müssen, und im erwerbsfähigen Alter über eigene Lebensentwürfe sowie über Tätigkeits- und Teilhabeformen selbst entscheiden zu können.

Dringend benötigte Arbeit wird im Rahmen eines solchen BGE-Modells weiter geleistet werden. Würden Menschen lediglich unter Androhung von Hunger und Wohnungslosigkeit (worauf die Hartz lV-Gesetze momentan abzielen) gesellschaftlich relevante Arbeiten übernehmen, hätten wir keine unzähligen von Ehrenamtlichen geleisteten Arbeitsstunden(Tendenz steigend), hätten wir kein Pflegepersonal, das trotz empörend schlechter Bezahlung bis zur Erschöpfung wichtige Arbeit tut, hätten wir keine Mütter, die teilweise unter entwürdigenden Umständen Kinder großziehen.

Die allermeisten Menschen sind sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst.

Die Politik muss dies noch lernen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Beer

Schriftstellerin und Aktivistin für ein weltweites Bedingungsloses Grundeinkommen

Juliane Beer

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