Was würdest Du arbeiten, wenn...

Grundeinkommen Am 5.6. stimmt die Schweiz ab.

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Die Volksinitiative für ein Bedingungsloses Grundeinkommen hat es zur `größten Frage der Welt´ erklärt:

«Was würdest Du arbeiten, wenn für Dein Einkommen gesorgt wäre?»

Bereits letzte Woche wurde in der Schweiz anlässlich der Abstimmung am 5. Juni das größte Plakat der Welt dazu errichtet; am 29. Mai 2016 reist die größte Frage nach Berlin und macht vor dem Brandenburger Tor Station, nimmt 500 Meter auf der Straße des 17. Juni ein.

Und worum geht es in der Schweiz?

Die SchweizerInnen fragen sich: Wollen wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen? Wollen wir in Zeiten von Industrie 4.0 und zunehmend prekärem Arbeitsmarkt Einkommen von Arbeit entkoppeln?

Wortlaut der Abstimmmungsfrage:

Wollen Sie die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» annehmen?

Eine Abstimmungsbroschüre mit Erläuterungen des Bundesrates ist erschienen und kann hier gelesen werden: http://www.bsv.admin.ch/dokumentation/gesetzgebung/00092/03399/index.html?lang=de

Der Bundesrat anerkennt darin zwar das Anliegen, jeder/m BürgerIn ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, dieses über ein Grundeinkommen zu realisieren erachtet er jedoch für zu riskant.

Das Initiativkomitee entgegnet, dass die positiven Auswirkungen des Grundeinkommens vom Bundesrat nicht gesehen werden.

Was die SchweizerInnen dazu denken wird sich am 5. Juni zeigen.

Und in Deutschland?

Auch bei uns gibt es seit Jahren zahlreiche Initiativen und Personen, die sich mit der Idee des Grundeinkommens beschäftigen. Die Modelle unterscheiden sich, am bekanntesten ist wohl das des DM-Gründers Götz Werner, der eine Finanzierung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer und Abschaffung der Einkommenssteuer vorschlägt. Für UnternehmerInnen sicher eine lohnende Sache, sozial ausgewogener ist dagegen zum Beispiel das Modell der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen unter dem Dach der Partei Die Linke, die das emanzipatorisches Grundeinkommen vorschlägt http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf

Doch auch der Widerstand gegen das Grundeinkommen im Lande ist breit, und zwar von links bis rechts.

Einwände wie etwa der, dass mit einem Grundeinkommen niemand mehr arbeiten ginge, sind dabei leicht zu entkräften, bedenkt man, dass gerade in Deutschland Menschen sogar Arbeit annehmen, die ihnen kein ausreichendes Auskommen ermöglicht oder freiwillig 1-Euro-Jobs nachfragen oder ein Ehrenamt, Bundesfreiwilligendienst o.ä. übernehmen. Arbeit ist in Deutschland schließlich Selbstzweck.

Desweiteren haftet dem Bedenken, dass mit Grundeinkommen niemand mehr unangenehme Tätigkeiten wie etwa das Reinigen von Toiletten oder eine Arbeit in der Müllbeseitigungswirtschaft ausführen würde, ein gewisser Zynismus an. Unangenehme Arbeit wesentlich besser zu bezahlen entspricht einer modernen, humanen Gesellschaft sehr viel mehr, als Menschen unter Androhung von Hunger und Wohnungslosigkeit zur Verrichtung solcher Tätigkeiten zu zwingen. Letztes riecht nach Mittelalter oder den hier so geschmähten Praktiken in Entwicklungsländern.

Ein weiterer Grund für den Widerstand gegen das Grundeinkommen wird jedoch seltener diskutiert, obwohl er es wert wäre.

In Deutschland hat sich um die Armut nicht nur eine regelrechte Industrie gebildet, die Supermärkten und Großküchen die Möglichkeit bietet, bei Tafeln für Bedürftige ihre Lebensmittelreste kostenlos zu entsorgen, BetreiberInnen von Notunterkünften und Firmen, die Zwangswohnungsräumungen durchführen, die Rendite zu sichern, oder Unternehmen im Rahmen der HartzlV-Gesetze kostengünstige Arbeitskräfte zuzuschustern. Mittlerweile verdanken auch immer mehr GeisteswissenschaftlerInnen der Armutsfrage zahllose Publikationen, gut bezahlte Talkshowauftritte, lukrative Aufträge für Studien und Lehrtätigkeiten für Fächer rund ums das Thema Verteilung an Fachschulen für soziale Arbeit.

Und in Zeiten des Niedergangs der sogenannten Volksparteien hat manch ein/e MinisterIn mit der steigenden Ungleichverteilung im Land stets eine letzte Geheimwaffe in der Tasche. Das Schwadronieren über fehlende soziale Gerechtigkeit unter Herrschaft der politischen Gegenseite sowie Beteuerungen, dass und wie man selbst den Reichtum des Landes besser verteilen würde, ist nach wie vor einen Versuch, vom eigenen Unvermögen auf anderen Gebieten abzulenken, wert, für manche gar zum einzigen Inhalt geworden.

All diesen ZeitgenossInnen möchte man wünschen, dass es so bald keine soziale Gerechtigkeit im Lande geben wird.

Für die, die nicht profitieren, lohnt sich Engagement.

Da in Deutschland Armut mittlerweile zu einem wichtigen Faktor in immer mehr Bereichen geworden ist, hat die Absicherung der Bevölkerung keine Eile. Ausgaben für Arbeitslosengeld ll, Sozialhilfe, Wohngeld u.ä. sind da Peanuts.

Die Initiative, ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, muss deshalb von dem nicht von Armut profitierenden Teil der Bevölkerung ausgehen.

Die Politik wird uns das Grundeinkommen nicht bescheren.

Die Termine:

29. Mai um 13 Uhr, Straße des 17. Juni: Das Plakat zur größte Frage der Welt wird entrollt

5. Juni: Abstimmung in der Schweiz

Und hier können die Deutschen schon mal den Ernstfall proben:

http://wirwollenabstimmen.de/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Beer

Schriftstellerin und Aktivistin für ein weltweites Bedingungsloses Grundeinkommen

Juliane Beer

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