Auf Konsenssuche

Bundestag Die Bundesregierung bringt ihre neue Afghanistan-Strategie ins Parlament ein – und versucht jedem Streit aus dem Weg zu gehen

Der Ton des Außenministers war gemäßigt, als er am Mittwochmorgen vor das Parlament trat. Keine Spur vom Westerwelle der letzten Jahre, der es als Oppositionsführer oft verstand, seine Gegner im Bundestag mit scharfen Attacken zur Weißglut, und seine eigenen Anhänger zum Jubeln zu bringen. Doch die neue Rolle verlangt auch dem einstigen Krawallpolitiker eine Wandlung ab. Zudem ging es um ein Thema, bei dem die Bundesregierung von jeher auf einen breite parlamentarische Mehrheit setzt: Den Einsatz in Afghanistan.

Am Vortag hatte das Kabinett die Ergebnisse der Afghanistankonferenz in London gebilligt. Nun brachte die Regierung den entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag ein. Die Inhalte sind bekannt: Erhöhung der Entwicklungshilfe, mehr Polizeiausbilder, Umschichtung der Truppen vor Ort von Kämpfern zu Ausbildern, dazu 500 zusätzlich Soldaten plus eine Option auf 350 weitere Männer und Frauen in Uniform, die bei Bedarf schnell und für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden können.

Dass der Bundestag der Regelung zustimmen wird, gilt als sicher. Doch die Regierung will mehr als eine Abstimmung gewinnen – sie will eine breite Unterstützung im Plenum. So hatte es schon die rot-grüne Bundesregierung gehandhabt, ebenso die Große Koalition. Mit dieser Tradition will auch Schwarz-Gelb nicht brechen. Nur so kann sich eine Regierung vor zu scharfen Attacken aus der Opposition bei diesem Thema sicher sein. Und dass die Regierung beim Afghanistaneinsatz angreifbar ist, zeigte sich später am selben Tag, nicht weit vom Plenarsaal entfernt.

Klein widerspricht Guttenberg

Dort, in einem von den Medien abgeschirmten Bereich des Reichstagsgebäudes, trat Oberst Georg Klein vor den Kunduz-Untersuchungsausschuss. Klein hatte am 4. September 2009 den Angriff auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan befohlen. 142 Menschen kamen ums Leben, darunter viele Zivilisten. Bis zuletzt war unklar, ob Klein sich vor dem Ausschuss äußern wurde. Dann kam über seinen Anwalt die Ankündigung: Er wird aussagen. Und was er zu sagen hat, dürfte ungemütlich für die Regierung werden.

Klein, so ließ er über seinen Anwalt verbreiten, stehe zu dem Bombardement. Er bedauere zwar den Tod unschuldiger Zivilisten, an seiner Entscheidung sehe er aber keinen Korrekturbedarf. Es stehe objektiv fest, heißt es in einem Schreiben des Anwalts, dass die Entscheidung für einen Angriff „auf Grundlage der in der Nacht vorhandenen Informationen und Ressourcen rechtmäßig war“. Damit stellte sich Klein gegen Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU). Dieser hatte Klein zwar zunächst in Schutz genommen, dann jedoch seine Ansicht korrigiert. Der Minister musste einräumen, dass der Luftschlag militärisch nicht angemessen gewesen sei. Da hatte sein Vorgänger, Franz Josef Jung (CDU) schon seinen Hut genommen und die Regierung verlassen.

Die Kunduz-Affäre böte der Opposition also genug Munition, um sich auf die Regierung im Fall Afghanistan einzuschießen. Wohl auch deshalb trat Westerwelle sehr besonnen auf. Er räumte Fehler beim Einsatz ein und nannte ihn erstmals einen „bewaffneten Konflikt“. Im Gegenzug ließ die Opposition relative Milde walten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte an, die Vorschläge der Regierung genau zu prüfen, verwies aber auf einige Forderungen, die die Koalition ihm zu Folge von der SPD übernommen habe. Das kann man als Wink verstehen, dass die SPD wohl zustimmen wird. Die Linke hingegen bleibt bei ihrer Ablehnung.

Und so blieb auch diesmal wieder die notwendige Debatte über Sinn und Unsinn der Afghanistanstrategie der Bundesregierung aus. Doch das Thema bleibt weiter an der Oberfläche. Der Kunduz-Ausschuss wird noch weiter arbeiten – demnächst kommt zu Guttenberg.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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