Klassenfeind, das ist ein großes, verstaubtes Wort und deshalb gerade richtig, um die prominenteste Puppe der Welt zu bezeichnen, bei der nun eine kleine Revolution ansteht: die Barbie. Die gibt es nun in drei neuen Körperformen: petite, tall und curvy, und sie wagt sich damit erstaunlich forsch an realistische Maßstäbe heran. Das war lange undenkbar bei diesem Klassiker, um den in gesellschaftskritischen Kinderstuben seit Jahrzehnten erbitterte Kämpfe ausgefochten wurden. (Darf das Kind eine haben oder nicht? „Nein, so einen Scheiß kauf ich nicht.“ – „Aber Mama, alle anderen haben eine.“ Na toll, jetzt heult das Kind wieder. Okay, vielleicht zum nächsten Geburtstag.)
Barbie, das ist der Inbegriff des Kapitalismus, westlicher Popkultur, der Verkörperung grausamer Schönheitsideale. Und von deren alles beherrschender Marktlogik, die so tief in die Gesellschaft gesickert ist, dass blonde, schlanke, blauäugige Frauen meist in beleidigender Absicht als „Barbie“ bezeichnet werden. An der Puppe kam lange niemand vorbei. Doch etwas hat sich verändert. Heute hat vor allem das popkulturelle Wissen überlebt, dass sich die Barbie, wäre sie ein Mensch, ob ihrer Körperproportionen nur krabbelnd fortbewegen könnte. Irgendwann ist Barbie von der Superpuppe zu einem schlechten Scherz geworden. Und jetzt ist das Modell Hübsch-schlank-perfekt einfach nicht mehr glaubwürdig.
Daran konnte auch die Trennung von Ken nichts mehr ändern, ein verspäteter PR-Coup, weil die Gesellschaft (vor allem junge Frauen und Mädchen) sich nach anderen Narrativen und Bildern sehnt. Figuren wie Lena Dunham zum Beispiel, oder Katniss Everdeen aus den Hunger Games, oder die Eiskönigin Elsa (die zwar lieb und brav wie eine Barbie aussieht, das aber mit einer ganzen Reihe von speziellen Skills und Power wieder ausgleicht – und vergangenes Jahr Barbie als beliebtestes Mädchenspielzeug überholte). „A little out of touch“, sagt die Barbie-Managerin Evelyn Mazzocco zu ihrem klassischen Modell, was eine maßlose Untertreibung ist, wenn man weiß, dass Mattel 2014 auch noch von Lego als größtem Spielzeugunternehmen weltweit abgelöst wurde. Man kann die Strategie von mehr Diversität und Empowerment für Mädchen also rein durch die marktlogische Brille betrachten.
Andererseits sind die neuen Puppen tatsächlich überraschend cool und zeitgemäß geworden. Ich habe mein zehnjähriges Ich befragt und – Überraschung: Ich würde mir eine Barbie wünschen.
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