#rp12: Netztheater kann mehr als digitaler Zirkus sein

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„Theater und digitale Medien – ein Trauerspiel“. Nach dem Vortrag am 03. Mai von Tina Lorenz auf der re:publica wird über die Notwendigkeit neuer Formen des Theaters diskutiert


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Meine erste Assoziation zu dem Panel von Tina Lorenz waren die inflationär eingesetzten Videoinstallationen im zeitgenössischen Theater, vielleicht noch der spärliche Twitterdienst wie zum Beispiel einer Berliner Schaubühne. Danach kommt lange: Nichts. Warum mag es nicht so recht klappen Theater und den digitalen Medien, fragt die Rednerin. Warum geht es nicht so recht über einen unidirektionalen Twitter- oder Facebook-Service hinaus der im besten Fall die Zuschauer über die nächsten Vorstellungstermine informiert? Grund genug, Stage 4, trotz herrlichem Wetter, einen Besuch abzustatten.

Tina Lorenz zeigt sich überrascht über die Menge der Zuhörenden und stellt per Handzeichen fest: Es sind viele aus der Theaterszene gekommen. Interesse scheint also schon mal da zu sein. Allerdings eher von Seiten der so called Netzgemeinde. Eine der wenigen Ausnahmen bildet da das Hamburger Thalia Theater, welches im Thalia 2.0. Projekt zur öffentlichen Spielplanwahl eingeladen hatte– via Facebook. So ein Projekt beinhalte ein hohes Maß an Kontrollverlust – dazu seien allerdings die wenigsten Bühnen bereit. Warum noch mal? Spannende Gedanken dazu ergeben sich vor allem in der anschließenden Diskussion.

Wieviel Dienstleister muss Theater sein?

„Man muss die mal zusammenbringen“, fordert eine Stimme aus dem Publikum und meint damit netzaffine Zuschauer und theaterschaffende Analogfetischisten. Man möchte ihm spontan Recht geben, sozusagen der Prämisse folgen, Dialog ist prinzipiell gut und wünschenswert. Auf jeden Fall wird über Theater diskutiert – nur eben danach oder davor, außerhalb und untereinander und nur in den seltensten Fällen zusammen mit den Theaterschaffenden. Das Theater als geschlossener Raum geht an der Lebensrealität vor allem junger Leute vorbei. Da helfen auch keine Live-Twitter-Wall oder flimmernde Displays während einer Vorstellung, im Gegenteil: Das stört.

Und tut dem Theater nicht ein wenig Weltabgewandtheit gut, fragt man sich? Vielleicht macht es gerade einen Teil des Reizes vieler Inszenierungen aus, dass sie in einer kleinen Blase enstehen und uns, wie durch ein Vergrößerungsglas, einen flüchtigen Einblick darin gewähren. Anders gefragt: Wie viel Dienstleister muss ein Theater sein? Da entsteht bei mir plötzlich der Wunsch nach einer radikalen Abkehr von diesem - marketingtechnisch gesprochenen – nutzerorientierten Denken. Scheiß auf „Der Kunde ist König“, um es mal derb auszudrücken.

Digitaler Zirkus

Andererseits leiden viele Theater unter Zuschauerschwund, gibt jemand aus dem Publikum zu bedenken. Ich hatte bisher angenommen, es handele sich bei der chronischen Geldnot eher um ein strukturelles Problem der öffentlichen Förderung, denn um Mangel an Interesse der Zuschauer?

Einen Denkanstoß, der mich an meiner „Theater soll klüngeln so viel es will – These“ ins Wanken bringt, kommt erneut aus dem Publikum. Diese Haltung von Theaterschaffenden eines „digitalen Zirkus“ gegenüber der sogenannten „hohen Kunst“ sei doch völlig überholt. Die jungen Leute liebten das Theater, nur eben nicht unbedingt auf den Brettern. Man solle doch mal zur nächsten Games Convention gehen, da zeige sich die Lust am Spiel der jungen Menschen, ruft er ins Mikrofon. Das hat seine Berechtigung. Denn auch wenn Netzkunst (Kunst aus oder im Netz) als irgendwie innovativ oder spannend gilt, gleichberechtigt scheint sie neben den analogen Künsten keineswegs. Stattdessen haftet ihr immer ein unehrenhafter Makel des Laientums und Unechten an.

Paradigmenwechsel

Das Theater scheint den Zuhörern der re:publica umgekehrt als verkrustet, jemand fordert das Zurück in den „Experimentiermodus“. Da käme schließlich auch das postdramatische Theater her.

Das überzeugt mich: Warum nochmal die Arbeit in der Glasglocke? Warum nicht das Netz nutzen, um nach neuen Formen zu suchen? Man könne zum Beispiel Formen des globalen Theaters suchen, erzählt eine Mitarbeiterin des Ballhaus Naunynstrasse, indem man via Skype-Schaltung Künstler und Künstlerinnen aus anderen Ländern und Regionen zuschaltet. Zum Beispiel auch diejenigen, die vor Ort wenig Möglichkeiten haben, sich künstlerisch auszudrücken. Das wäre dann gleichzeitig eine Form der Politisierung von Theater. Hier geht es nicht um das Aufzwingen der Wünsche des Publikums auf die Kunst, sondern um eine Erweiterung der Möglichkeiten und Denkmodelle - eine Art Demokratiserung der Formen und Stoffe.

Eine Form, mit den Zuschauern in den Dialog zu treten, könnte beispielsweise eine große Sms-Leinwand für Fragen und Anregungen sein, die nach einer Vorstellung moderiert werden, lautet einen anderer Vorschlag. Das ist einleuchtend, denn wie wichtig Anregungen der Zuschauer sein können, hat zuletzt eine Aktion der Gruppe Bühnenwatch am DT gezeigt. Es schreit alles nach einem Paradigmenwechsel unter Berücksichtigung der digitalen Möglichkeiten aus dem Netz. Das klingt doch mal spannend und gar nicht nach Trauerspiel.

>> Zum Weiterlesen: Der Bühnenverein auf der Republica

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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