So groß kann dein ******* nicht sein!

Man Spreading Warum brauchen Männer im öffentlichen Stadtverkehr eigentlich so viel Platz? Das fragt sich auch New York und startet nun eine Kampagne dagegen
Ausgabe 51/2014

Mein erster Freund hatte eine ungewöhnliche Angewohnheit: Er schlug gern die Beine übereinander. Nicht ungewöhnlich an sich, sondern ungewöhnlich für einen Teenager. Er rutschte dann auf seiner Stuhlkante nach vorn, schlug vornehm ein Bein über das andere, blies Zigarettenrauch in die Luft und entblößte sein behaartes Schienbein. Es war nur eine kleine Pose, aber sie lehrte mich zwei Dinge: Erstens gibt es Bewegungen, die vermeintlich Rückschlüsse über die Sexualität zulassen (ich wurde von Freunden ständig gefragt, ob er schwul sei). Und zweitens haben Bewegungen ziemlich viel mit gesellschaftlichen Normen zu tun und fast niemals etwas mit Anatomie.

Seitdem teile ich eine wichtige Frage mit schätzungsweise 50 Prozent aller Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen: Warum zur Hölle gibt es Männer, die meinen, sie bräuchten zwei Sitzplätze für ihr Geschlechtsteil? Ich meine diese Männer, die ihre Knie so weit auseinanderdrücken, dass es wirkt, als kämen sie gerade aus dem Ballettunterricht. Oder hätten massive Minderwertigkeitskomplexe.

Männer, derentwegen man sehr intensiv aus dem U-Bahn-Fenster schaut, weil ihr Anblick nicht nur irritierend, sondern geradezu obszön ist. Deretwegen man sieben Stationen lang an einer Halteschlaufe hin- und herpendelt und sich währenddessen fragt, wieso es eigentlich noch immer eine Selbstverständlichkeit ist, dass viele Männer im öffentlichen Raum mehr Platz einnehmen als all die Frauen, die sorgsam ihre Beine zusammenpressen (egal ob sie Rock oder Hose tragen). Und warum das Argument „Das ist halt anatomisch bedingt“ noch immer zieht. Tut es nicht, Jungs. Schließlich könnt ihr auch die Beine übereinanderschlagen und Fahrrad fahren, oder?

Die gespreizten Beine sind natürlich in Wahrheit ein Zeichen für die gespreizten Egos dahinter, die verdammt viel Platz brauchen. Und das wiederum ist ein universelles Problem, in den USA wird es man spreading genannt. Dagegen gibt es nicht nur Tumblr-Blogs, sondern bald auch eine Kampagne. Das staatliche New Yorker Verkehrsunternehmen MTA wird sie ab Januar in der Metropolenregion mit ihren 18 Millionen Menschen starten. Ich finde das eine schöne Idee. Allerdings habe ich das mit den gespreizten Beinen auch mal selbst ausprobiert und war überrascht: Es ist wirklich verdammt gemütlich! Falls die Kampagne also irgendwann nach Berlin schwappen sollte, hätte ich eine alternative Forderung: Breitere Sitzplätze für alle!

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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