Ach, Hans-Georg.

Maßen bei Lanz Hans-Georg Maßen im Gespräch mit Markus Lanz. Wie man sich völlig ohne Eleganz mit Wortklaubereien am Thema vorbeidrücken kann. Eine Meinung.

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Diese elende Debatte über Flüchtlinge versus Migranten, ich kann sie kaum noch ertragen.

Ich arbeite selbst seit vier Jahren mit Geflüchteten, unbegleiteten minderjährigen Ausländern, Flücjtlingen, Migranten, wie auch immer ihr sie nennen wollt.

Ich stelle Asylanträge und begleite Anhörungen und ich verstehe, was Herr Maßen meint, wenn er sagt, es seien ja keine Flüchtlinge, die da über das Mittelmeer kämen. Juristendeutsch, per Definition nach Asylrecht sind sie keine Flüchtlinge, da ja kein Asylverfahren stattgefunden hat, in dessen Ergebnis ihnen der Status Flüchtling hätte zuerkannt werden können. Get it. Aber, und das ist es, was mich so stört an diesen Harspaltereien: Ist das wirklich die einzige Legitimation, mit der man das Wort "Flüchtling" benutzen darf? Unser Asylrecht, der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge?
Mit der gleichen juristischen Betrachtung darf sich nur Vater nennen, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war oder wer die Vaterschaft anerkannt hat, offiziell und schriftlich beim Standesamt. Wir wissen doch, dass es aber neben dem juristischen Vater nicht selten einen biologischen Vater geben kann, und ich kann mich nicht entsinnen, dass es mal einen Aufschrei gegeben hat, weil sich ein biologischer Vater als solcher bezeichnet hätte, auch wenn es juristisch einen anderen oder gar keinen gab. Würde Herr Maßen der Presse dies ebenso vorwerfen und widersprechen?

Dumme Frage, natürlich nicht. Aber immer wieder, seit ich in diesem Bereich arbeite, sehe ich mich damit konfrontiert, das Menschen sich gegen den Begriff des Flüchtlings wehren und damit ihre Argumentation als abgeschlossen betrachten.

Auf diese Art und Weise kann man natürlich ganz gut verhindern, sich die Geschichten und Gründe der Menschen, aus ihrer Heimat zu fliehen, mal anzuhören und die Gefahr einzugehen, von dem Gehörten berührt zu werden, Mitgefühl zu entwickeln und an unserer Welt zu zweifeln, die einen Teil der Menschheit akzeptierend vor die Hunde gehen lässt, während der andere Teil gar nicht mehr weiß, wie er sich vor dem gnadenlosen Konsum retten soll.

Da sind nicht nur kleine Mädchen mit Kulleraugen, da haben Sie schon recht. Sogar sehr unattraktive Menschen habe ich in meiner Arbeit kennen gelernt, auch ziemlich unsympathische. Aber in all der Zeit habe ich niemanden, keinen einzigen Menschen kennen gelernt, der die Schlepperboote, die Gewalt auf der Flucht, die Vergewaltigungen, den Hunger, den Durst, den Anblick sterbender und toter Menschen als "Shuttleservice" empfunden hätte. Jeder, der sich auf diesen Weg macht, weiß, dass die Chance zu sterben groß ist. Und ich unterstelle, dass niemand so einen Weg auf sich nimmt, der nicht vor Schlimmerem flieht.

Unsere Gesetze versuchen natürlich alles messbar zu machen und nach diesen können viele Menschen keinen Flüchtlingsstatus bekommen. Ist so. Aber, Herr Maßen, das wird mich niemals davon abhalten, jemanden, der flieht, auch als Flüchtling zu bezeichnen.

Schade und besorgniserregend finde ich, dass Ihr Auftreten (symbolisch für viele andere wie Sie), völlig am wirklichen Thema vorbeiführt.
Es ist kaum möglich, als Sozialarbeiterin aus der Praxis heraus über die Arbeit, die Probleme, die Herausforderungen zu berichten, wenn dies nur genutzt wird, um Stimmungen im Land noch zu verschärfen.

Menschen wie Sie verhindern, dass Menschen wie ich die Schwierigkeiten der Integration und die Herausforderungen für unsere Gesellschaft klar benennen können und konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Sie und all die Hetzjäger erschweren uns die Arbeit. Wenn wir ständig damit beschäftigt sind, Vorwürfe, falsche Bilder, Anfeindungen und Zündelreden abzufedern, sind wir leider viel zu beschäftigt, um die Herausforderung der Kulturen und die Schwierigkeiten der Integration klar zu benennen und konstruktiv nach Lösungen zu suchen.

Und auch wenn Ihnen das nicht so viel bedeutet, die Verantwortung eines Menschen, der mal ein so hohes Amt innehatte wie Sie, hört nicht mit dem Amt auf. Sie scheinen ja ganz froh zu sein, dass Ihnen nun endlich keiner mehr vorschreibt, was Sie äußern dürfen und was nicht, mich macht es traurig und betroffen, dass Sie ihre gesellschaftliche Wirkung so billig verkaufen wie ein anonymer Facebook-Kommentator, der seine Stammtischweisheiten im Netz verbreitet.

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