Die heiße Luft der Zeitgeschichte

Talkshow Talkshows sind so wichtig geworden, dass es am Folgetag in seriös angezogenen Zeitungen Kritiken dazu gibt. Sind sie alternativlos?

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Wenn in der FC oder in "Spiegel" oder "Welt" Talkshows besprochen werden, handelt es sich dabei im Allgemeinen um eine Debatten-Show. Etwas Anderes würde man auch gar nicht besprechen wollen, denn Personality-Talks und Bekenntnis-Shows sind ja unseriös. Allerdings darf auch in der Debattenshow das hier den Daily Shows zugeschriebene Affektpotenzial nicht zu kurz kommen.

Das war die Chance der AFD - sie machte die Debattenshows der letzten Monate bunter. Da sich nämlich nicht nur beim Publikum, sondern auch bei Ursula von der Leyen und Ralf Stegner - so jedenfalls beschreibt es Schna´sel - ein erhebliches Affektpotenzial anzapfen lässt, sobald Beatrix Storch bei Anne Will ihr schreckliches Haupt erhebt, wird das explosive Trio zusammen eingeladen, und schon vibriert die heiße Luft. Eine Debattenshow in Deutschland unterscheidet sich allenfalls graduell von einer Fernsehdebatte republikanischer Präsidentschaftsbewerber, in der die Flegelei zur hauptsächlichen Publikumsattraktion geraten ist.

Das eigentliche Problem ist mithin nicht die AFD, das eigentliche Problem sind die Debattenshows.

Es mag sein, dass sich eine Debattenshow bei einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt auch anders gestalten ließe - etwa so, dass von Bildung und Information die Rede sein könnte. Für mich als Laien ist das Potenzial schwer zu beurteilen - ich kann bei diesem Programmformat nur das beurteilen, was ich sehe, und nicht das, was im besten Fall daraus werden könnte.

Und so bleibt mir als Mediennutzer bei jeder Talkshow, bei der ich zur Augen- und Ohrenzeugenschaft verpflichtet werden soll, nur Tarnen, Täuschen, Verpissen, und die Nutzung vorhandener Alternativen. Die gibt es ja.

Meet the documentary. Es muss keine BBC-Doku sein. Aber allein schon das Format ist hilfreich. Auch Doku-Autoren sind nicht grenzenlos unparteiisch, aber um unmögliche Forderungen kann es ja auch nicht gehen. Was die Doku ausmacht: sie ist ein Format wertschätzenden Umgangs mit Gesprächspartnern, die dort nacheinander und jeweils für sich einen Standpunkt darlegen oder eine relevante Information anbieten. Das, was vom Gesagten als besonders relevant bewertet wird, das wird verwendet. Und niemand fällt den Mitwirkenden in einer Doku ins Wort.

Außerdem verlangt auch die Doku selbst Wertschätzung vom Zuschauer oder Zuhörer. Sie entwickelt vor seinen Augen und / oder Ohren eine Infosammlung oder eine Story, bei der kontinuierliche Aufmerksamkeit wichtig ist. Um von einer Debattenshow maximalen Gewinn zu haben, muss man nur hinschauen, wenn es laut wird. Aber diese Art Gewinn lässt keinen Raum für Respekt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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