Die Deutsche Welle (DW) wende sich, so ihr Pressesprecher anno 2017,
insbesondere an globale Entscheider, an Menschen, die Einfluss auf die Meinungsbildung haben – oder künftig haben werden. [...]
Außerdem wandte man sich offensichtlich an Freunde unvollständiger Sätze im Marketingsprech (so lernt man heute Deutsch):
[...] In autoritären Staaten an jene, die sich aktiv für Demokratie, Freiheitsrechte und Fortschritt einsetzen.Die deutschsprachigen Angebote richten sich vornehmlich an Menschen im Ausland, die Deutsch sprechen, Deutsch lernen oder lehren. Woche für Woche erreichen wir über 157 Millionen Menschen weltweit.*)
Slogan: "Made for Minds."
Sechs Jahre vorher, 2011, hatte die DW "umfangreiche Veränderungen in der Ausstrahlung ihrer linearen Radioprogramme in Fremdsprachen für Asien, Ost-, Mittel- und Südosteuropa sowie in deutscher Sprache" angekündigt.
Gleichzeitig warnten Publizisten wie Ed Lasker oder Kim Andrew Elliott die amerikanische Regierung vor vergleichbaren Schritten: es sei allzu leicht für autoritäre Behörden, das Internet im gewünschten Sinne zu filtern.
Andererseits fanden derartige Maßnahmen unter Praktikern weltweit seinerzeit auch Unterstützung, und das - jedenfalls laut der chinesischen Zeitung "Südliches Wochenende" - sogar bei der BBC-Veteranin Kang Yi, die von den 1960ern bis in die 1990er Jahre für den britischen Chinesischdienst gearbeitet hatte, und die meinte, die BBC hätte ihre Kurzwellensendungen für China "schon vor langer Zeit" beenden sollen, und nicht erst im neuen Jahrhundert.
Die DW geht bei ihren Reformen vermutlich von Voraussetzungen aus. Jemand will es so, also wird es gemacht. 1930 war es wenigstens noch das Publikum, das etwas wollte. Heute wollen die Medienmenschen unter sich.
Aber auch sie sind sich, je nach politischer Position, uneins. Während diejenigen des Westens senden bzw. ihre Botschaften online verfügbar machen, auf dass die werdende Zivilgesellschaft in autoritären Ländern sich daran labe, schalten die autoritären Meinungsführer drüben unverschämterweise das Internet ab, wenn ihnen die Botschaft missfällt: in China, in der Türkei, Ägypten, Zimbabwe, und obendrein in Ländern, die gar nicht als autoritär gelistet sind. Der indische Teil Kashmirs wartet seit August auf die Wiederkehr des WWW, und darauf, dass der hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi sich für Gerichtsurteile interessiert, sollte man nicht wetten.
Vielleicht ist das alles aber auch gar nicht so schlimm, und vielleicht brauchen Auslandsmultimediaanstalten wie die Deutsche Welle das Radio wirklich nicht mehr. Denn
[a]nders als früher können Regierungen heute .. in der Regel dafür sorgen, dass sie und ihre Familie Zugang behalten, während die Opposition offline ist,
erklärte der Bürgerrechtler Alp Toker im Sommer 2019 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung."
Die "Minds" können also unter sich weiter kommunizieren, auch ohne Radio.
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Anmerkung
*) Hier wird offenbar unterschieden: diverse Sprachen für die "Entscheider", und Deutsch für die Deutschlehrenden und -lernenden, wobei Schnittmengen sicher nicht ausgeschlossen sind.
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