Wie wird Deutschland für mich sicher?

Spießers Albtraum Wäre der Konflikt zwischen Moslems und Mehrheitsgesellschaft wirklich so gravierend, wie gerne behauptet wird, würde mehr gedacht und weniger gefühlt.

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"Wie man uns abschafft", könnte ein Film heißen, in dem es, so oder umgekehrt, nur Gute und Böse gibt - oder in dem im Zweifel Gut und Böse den Ausschlag geben müssen, damit der Belang der eigenen Position hinreichend unterstrichen wird. Gar nicht dick genug sein kann die Unterstreichung im Konflikt zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft - oder denen, die sich als ihr zugehörig definieren - und Moslems. (Im folgenden: "Angehörige der Mehrheitsgesellschaft" und "Moslems".)

Unter diesen Umständen gibt es auf allen Seiten Menschen, die die Welt - oder doch zumindest Deutschland - "sicher für sich selbst und Ihresgleichen" machen wollen. Das setzt allerdings einen Eifer voraus, zu dessen Motiven zunächst die Befürchtung gehört, in einer fremden oder gefährlichen Gesellschaft unterzugehen.

Dass es Angehörige der Mehrheitsgesellschaft gibt, die das befürchten, darf als einigermaßen bekannt gelten. Dass es eine Mehrheit ständig beschäftigt, ist unwahrscheinlich.

Dass es auch Angehörige der Minderheitsgesellschaft gibt, die ihren Untergang in einer fremden oder gefährlichen Gesellschaft befürchten, ist ebenfalls bekannt, aber da wird die Sache komplexer. In der öffentlichen Debatte wirklich wahrnehmbar gibt es unter den Moslems, die Kinder haben, nämlich nur den "guten, integrierten" Moslem, der seine Hausaufgaben gemacht hat, und als Gegenpol den potenziellen, tatsächlichen oder wahrscheinlichen "Ehrenmörder", der seine Familie verprügelt und seine Frau einsperrt, bevor er die Wohnung verlässt. Entweder oder. Grautöne wären Langweiler.

Aber so wenig, wie jeder Islamkritiker, der Angst vor Kontrollverlusten hat, zum Mörder oder Gewalttäter wird, so wenig wird es jeder muslimische Vater oder Bruder, der unter vergleichbaren Ängsten leidet. Assimilationsängste sind nicht das Gleiche wie Gewaltbereitschaft.

Selbstredend: jeder religiös motivierte Übergriff oder Mord ist einer zuviel. Jeder kulturimperialistisch motivierte Übergriff oder Mord - "islamisch", "nationalistisch" oder anders motiviert - ist einer zuviel.

Aber jeder Mord überhaupt ist einer zuviel, auch wenn er beispielsweise mit Erbschaftsgeschichten, Beziehungsnot oder sonstigen Beweggründen erklärt wird. Hat schon mal jemand gefordert, das müsse sofort aufhören?

Trotzdem wird aus Angst oder auch aus politischem Interesse immer wieder so getan, als wären politisch oder religiös motivierte Morde irgendwie mehrheitsfähig - im Zweifelsfall zwar noch nicht, aber wer weiß. Und jedesmal werden in diesen Zusammenhängen Bekenntnisse eingefordert, die allerdings auch einigermaßen gutwilligen Mitbürgerinnen und Mitbürgern längst zu den Ohren rauskommen, weil solche Machtdemonstrationen eben eher in die Steinzeit gehören als in eine halbwegs zivilisierte Gesellschaft.

Selbst wer in der alltäglichen Unschuldsvermutung keine Sache des Anstands mehr sieht, weil die Not angeblich so groß sei, müsste begreifen, dass "erfolgreich" eingeforderte Bekenntnisse zwar Machtverhältnisse, aber keine Überzeugung und mithin keinen Konsens ausdrücken.

Der Hobby-Ermittler könnte es selbst wissen, denn kein solches Bekenntnis kann ihn wirklich zufrieden stellen. Auf diesem Gebiet ist er unersättlich. Aber das weiß er nicht. Über sich selbst weiß er ohnehin nicht viel; über den "Anderen" umso mehr.

Wer Forderungen stellt, ohne Gefühl für die Grenze, die in dieser Hinsicht zwischen ihm und seinem konkreten Gegenüber verläuft, ist ein verblendeter Spießer mit Projektionstendenzen.

Fröhliche Weihnachten.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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