Erfurt sagt Tschüss

Doppelfoul Absage an gleichwertige Lebensverhältnisse und Begünstigung von Ressentiments gegenüber Migranten

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Nachdem die Erfurter Linken um ihren damals designierten Ministerpräsidenten den Menschen in Ostdeutschland Brief und Siegel gaben, sie hätte bis 1990 in einem Unrechtsstaat gelebt - als ob diese politische Einschätzung nicht nur im Ermessen jedes Einzelnen Wahrheit erlangen kann - können die Thüringer nun die nächste bedenkenswerte Wendung ihres Ministerpräsidenten erleben:

Bekanntlich definiert das Grundgesetz, dass in der Bundesrepublik gleichwertige Lebensverhältnisse anzustreben sind. Bekannt ist gleichfalls, dass dies im Ost-/Westvergleich unter anderem bei den Einkommen noch nicht gegeben ist. Insofern hat die Politik die Aufgabe, weiter an der grundgesetzlichen Verpflichtung zu arbeiten. In einer Marktwirtschaft kann man sich dabei der Kräfte von Angebot und Nachfrage bedienen. Das gilt auch für den Arbeitsmarkt:

Wenn in Thüringen in den letzten 25 Jahren die Bevölkerung durch Kinderverzicht und Abwanderung gesunken ist, sinkt bei unverändertem Lohn das Angebot an Arbeitskräften. Wenn dabei die Nachfrage konstant bleibt (die Firmen suchen Beschäftigte), kann die entstehende Lücke durch Anhebung der Löhne ausgeglichen werden. - So ließen sich gleichwertige Lebensverhältnisse über markkonforme Mechanismen erreichen. Indem höhere Löhne freiwilligen Zuzug fördern oder Paare sich trauen mehr Kinder großzuziehen glichen sich Bevölkerungszahl und Arbeitskräftebedarf allmählich an. (Firmen die höhere Löhne nicht zahlen können gäben ihr Geschäft auf oder wanderten in Niedriglohn-Gebiete ab.)

Doch dem Gegenteil wird nun eine Schneise geschlagen. Asyslbewerber sollen lt. MDR-Info (30.07., Beiträge 8.05 und 8.08 Uhr) in Thüringen eine einjährige Duldung erhalten, wenn sie einen Ausbildungsplatz nachweisen können. Nichts gegen Migranten, aber hier wird auf dem Ausbildungsmarkt künftiges Lohndumping geprobt. Für die Menschen die in die Bundesrepublik kommen, ist nicht selten bereits ein Job zum Mindestlohn eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebenslage. Nur wird durch diese Politik die Entwicklung hin zu steigenden Löhnen in Thüringen torpediert. - Mit dem Eröffnen von Lohndumping entzieht sich sich die Politik einer ihr grundgesetzlich auferlegten Verpflichtung. Doch damit nicht genug. Migranten gegen eine ansässige Bevölkerung auszuspielen welche zu Recht gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West erwartet, ist eine Steilvorlage für jene, die dieses Politikversagen den Schwächsten im Spiel - den Migranten - anlasten.

Und das durch die erste Linke Landesregierung der Neuzeit, die noch dazu nur eine Stimme Mehrheit hat. Da wird die Thüringer Executive ihren Einwohnern in den nächsten Jahres einiges an Kamelle hinwerfen müssen um ihre Wiederwahl zu sichern. Dabei ließe sich das Ansinnen der Erfurter Regierung mit ihrem grundgesetzlichen Auftrag recht einfach in Übereinstimmung bringen: Indem genau jene Asylbewerber eine Duldung erhalten die Ausbildungsverträge vorlegen, deren Vergütungen dem jeweiligen bundesdeutschen Branchendurchschnitt entsprechen. - Doch das wäre wohl nicht im Interesse der regionalen Wirtschaft. So muss man sich fragen: Für wen machen die in Erfurt Politik?

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