Angeregt von einer Kolumne in Spiegel Online ein Beitrag zum Thema:
Kommuniziert wird, handlungstheoretisch betrachtet, mit dem Ziel sich zu verständigen. Verständigung setzt geteiltes Wissen voraus. Wenn sich zwei Menschen gegenüber stehen von denen nur einer eine Datenbrille trägt, kommt Verständigung nicht zu stande, weil Wissen einseitig genutzt wird. Wie oft sieht man dagegen, dass ein Smartphonenutzer seinem Begleiter das Teil unter die Nase hält, weil es im Sinne gelingender Kommunikation erforderlich ist, Wissen zu teilen? Das wird bei Datenbrillen schwierig. Und von demjenigen, der nicht breit ist, sein Wissen zu teilen, zieht man sich meist zurück. Es kann also dazu kommen, dass Träger von Datenbrillen untereinander und mit Computern prächtig kommunizieren, von Nichtträgern aber gemieden werden. Und das nicht aus Technikphobie.
In oben verlinkter Kolumne wird am Rande auf die Irritationen zu Zeiten der Einführung von Mobiltelefonen verwiesen. Der Unterschied zu Google Glass besteht aber gerade darin, dass Telefonie das Teilen von Wissen ist. Sie unterstützt die menschliche Kommunikation. Das unwissentliche Mithören von Gesprächen durch Dritte wird allgemein nicht akzeptiert. Das Plappern ins Handy im öffentlichen Raum dagegen geschieht wissentlich. Bei Google Glass wird es gerade nicht so sein, dass "ich" wider Willen Kommunikationsfetzen mitbekomme, sondern ob "ich" unwissentlich Bestandteil von Kommunikation bin, die nicht mit mir geteilt wird. M.E. ist es dieser Unterschied, der einen Teil der Menschen sensibel auf das zu erwartende Produkt reagieren lässt.
Noch ein anderes Beispiel: Bereits Überachungskameras im öffentlichen Raum werden von bestimmten Personengruppen nur Zähne knirschend hingenommen. Und das obwohl diese Kameras nicht auf die einzelne Person und schon gar nicht auf deren verbale Kommunikation zielen. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl derer, denen inakzeptabel erscheint, wenn zum Zeitpunkt der Kommunikation ungefragt eine Kamera - ggf. mit Tonaufzeichnung - auf sie gerichtet ist, deutlich höher sein wird.
Interessant wird es, festzustellen, ob unter diesen Umständen die Träger von Datenbrillen einen Vorteil gegenüber den Nichtträgern erzielen, der den Nachteil des ständigen Abgelenktseins überwiegt. Insbesondere wenn das Verhalten von Datenbrillennutzern jenem psychisch behinderter Menschen ähnlich sein sollte (gelegentliches Hören von Stimmen und Sehen von Bildern welche andere nicht wahrnehmen) ist nicht auszuschließen, dass die Nachteile der Brillennutzung ihre Vorteile mehr als aufheben.
Google Glass Nutzer werden - wenn sie gesellschaftlich akzeptiert werden wollen - also gut beraten sein, ihren Kommunikationspartnern gut zu vermitteln, was die für einen Nutzen davon haben, dass sie selbst eine Datenbrille auf haben.
Nur wenn der Mehrwert von Google Glass überwiegt, wird eine kritische Masse von Menschen bereit sein, ihr Verhalten darauf einzustellen. In diesem Sinne wird spannend sein zu sehen, was sich schneller verbreitet, dhttp://www.sanderduivestein.com/wp-content/uploads/2013/03/googleglassisbanned.jpgie Brille oder folgendendes Logo:
Anbei noch ein Link zu einer kleinen Bildergalerie mit Technik-Flops.
Kommentare 6
Das ist der Nachteil von aggregierendem Journalismus: Halbverdautes wird nacherzählt und dabei ein Teilaspekt aufgeblasen. Der Träger der Datenbrille wird selbstverständlich bereit sein, sein Wissen zu teilen. Und er wird das mit Worten, Händen und Füßen tun müssen, was für die Durchdringung des Themas durchaus von Vorteil sein kann.
Neben den Freisprechverrückten nun also noch erstarrte Monumente, die Blinzeln und im Weg rumstehen. Der Tourist erhält massig Konkurrenz.
Ja, wenn die Brille Menschen in Ländern hülfe, die nicht so blütenweiß wie D sind...
Google-Brille erinnert mich in ihrer Anti-Kommunikation an Sonnenbrillen und ihre Träger, die diese aufziehen, nicht um ihre armen Augen vor der bösen gefährlichen Sonne zu schützen - sondern vor den direkten Blicken der anderen. Und manche dieser "schüchternen" Sonnenbrillenträger fühlt sich vielleicht wie bei GoogleGlasses irgendwie überlegen: Ich kann deine Augen sehen, du meine nicht! Bei GoogleGlass ist es dann: Ich kann dich rausgooglen, du mich nicht.
Aber keine Sorge, es wird nicht lange dauern, dass uns diese Brille auffällt - in 10 Jahren gibt es GoogleContactLens, wobei Mikrophon und Lautsprecher als mobile Zahnplomben als Ergänzung dienen werden.
So ist das halt bei der der Komunikation. Ohne Redunzanz keine Verständigung. Dem einem mags zu viel sein, dem anderen grad recht. Das die angekündigte Brille nicht unbedingt kompatibel mit dem Vorgehen ist, wie Menschen (bisher) miteinander kommunizieren, scheint mir erwähnenswert. Zumal der Quellbeitrag nicht darauf eingeht.
Danke für den Link.
Mittelbar könnte man ableiten, dass so eine Datenbrille - falls sie behördlich nicht verboten ist - geeignet sein könnte noch schneller als mit dem Smartphone Wissen über Ergenisse im öffentlichen Raum zu teilen. Im Gegenteil dazu wird - so vermute ich - ein Jourmalist mit aufgesetzter Datenbrille es schwer haben in einem Hintergrundgespräch vertrauliche Informationen zu erhalten.
"Google Konkaktlinsen" - sehr schön! 50% Rabatt in Verbindung mit dem Kauf von Google-Zahnfüllungen :-)
Man könnte meinen, dass dann endlich die Lüge (im allgemeinen) aus der Welt geschafft wird. Aber wie ambivalent dieses Ansinnen ist, zeigt sich, wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung die Lüge hat, um menschliches Zusammenleben erträglich zu machen. Stichwort "Notlüge".