Nicht der € war der Fehler, sondern Hartz IV

Lohnplus 5 Prozent Kommentar zum neuesten Vorschlag des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger: "Deutschland muss teuer werden".

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Endlich spricht einer aus der Etage, deren Äußerungen bis in die veröffentlichte Meinung vordringen, an, dass es außer dem Kaputtsparen der südeuropäischen Gesellschaften bzw. dem Austritt dieser oder wahlweise Deutschlands aus dem Euro noch weitere und vor allem realitischere Ansätze zur Überwindung der europäischen Wirtschaftskrise gibt.

Eine Zusammenfassung der zurückliegenden zwei Jahrzehnte:

Vor etwa 20 Jahren
Mitterand ringt Kohl als Zugeständnis für das zu erwartende deutsche Ausscheren auf die wirtschaftliche Überholspur, bedingt durch die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Grundgesetztes auf die Anschlussgebiete, den Euro ab.
Die für eine Währungsunion eigentlich erforderliche Angleichung der Wirtschaftspolitiken der einzelnen Länder ist wegen des Konstruktionsprinzips Kakophonie der Europäischen Union nicht durchsetzbar.

Vor etwa 10 Jahren
Die Produktivitätszuwächse durch die Fortschritte der Informationstechnologie führten zur Dot-com-Blase. Diese platzte und 2002 befanden sich viele die in den Kapitalmärkten ihr Geld verdienten wieder auf dem Niveau wie vier Jahre zu vor.
Der Euro war als Bargeld 2002 gerade eingeführt. Die Sommerflut im Südraum des Anschlussgebietes bescherte unverhofft die Wiederwahl von uns-Gerhard. Ratlos was aus der zweiten Amtszeit zu machen sei, sprang vermutlich ein spin-docor aus der Kiste auf den Koalitionstisch von Rot-Grün. Dort tanzte er auf einem Bein rückwärts um den Ludwig-Ehrhard-Gedenkaschenbecher und skandierte "Seit dem 1. Januar haben wir die anderen Euroländer an den Eiern. Wenn Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber denen steigert, können die sich nicht mehr wehren. Dazu kann die Politik ihren Beitrag leisten in dem sie für niedrige Lohnkosten sorgt." Uns-Gehrhard nahm einen tiefen Lungenzug aus seiner gedopten Zigarre und dachte nach. Schließlich drückte er sie in die Halterung des besagten Aschenbechers und sprach weise "Ich werde mal den Personaler vom Autowerk, das mich delegiert hat, fragen. Hartz heißt der. Der lässt seinen Betriebsrat regelmäßig zum Fremdficken nach Brasilien fliegen. Wer sowas macht, dem fällt bestimmt auch was in Sachen Lohnkosten ein."
Deutschland schafft das sozialpolitische Regularium Hartz IV und in den USA erblüht auf Grundlage der Deregulation der Kapitalmarkte den Subprime-Markt für Immobilien. Als Pendant für die neue sozialpolitische Gängelung gemäß derer jeder abhängig Beschäftigte nur noch 15 Monate vom finanziellem Abgrund entfernt ist (3 Monate Kündigungsfrist plus 12 Monate ALG 1), stopfen sich die Geschäftsbanken der Welt mit top-gerateten, aber nichts desto trotz wertlosen us-amerikanischen Wertpapieren voll.

Vor etwa fünf Jahren
2007 springen zunächst die "Profis" von der SachsenLB über die Klinke. 2008 werden die Banken für systemrelevant erklärt und das in sich wie ein Kartenhaus zusammenfallende US-amerkianische Konjunkturprogramm wird auf die Staatshaushalte u.a. der Euroländer abgewälzt. Verkauft wird uns das unter dem fast schon genial zu nennenden Schlagwort "Die Spareinlagen sind sicher."

2009 bis 2012
Hartz IV greift. Die Zahl der Minijober, Zeitarbeiter und Aufstocker führt zu einer weiteren Spreizung der Einkommens- und Vermögensschere in Deutschland. Davor, dass die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nicht sinkt, bewahrt uns vor allem der demographische Wandel und der geringere Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften aus Allerherrenländern als von der Wirtschaft erträumt und von der Politik ermöglicht.
Vier Jahre Krise brauchten die Euroländer um durch die Hintertür und auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners einen Mechanismus hinzubekommen, der im gemeinsamen Währungsgebiet dafür sorgt, das die einzelne Wirtschaften nicht mehr umkoordiniert handeln können (ESM und die Garantie der Europäischen Zentralbank unbegrenzt staatliche Anleihen aufzukaufen, wenn der Markt das nicht mehr zu akzeptablen Zinsen tut).

Dass Bofinger jetzt den Schluck aus der Pulle anregt, ist nichts weniger als einer der ersten Schritte, welche auf nationaler, deutscher Ebene den neuen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Euroländer gerecht werden. Und warum sollen wir - wenn wir schon dafür mitbezahlen werden, dass in Südeuropa nicht alles den Bach runter geht - nicht auch was davon haben?!

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