Laissez unfair

Jargon der Eigentlichkeit einer radikalökonomischen Mitte: Theologie des Geldes im Jargon von Glaubensbekenntnissen

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Rudolf Stumberger zitiert in seiner Reihe "Die Quer- und Queerfront" aus der inzwischen weitläufig bekannten Studie der OttoBrenner-Stiftung ohne genauere Analyse des Zitats, das stellvertretend ist für den deutschen Zeitgeist.

"Es fällt auf, dass positive Anmerkungen über die heutigen Verhältnisse in Deutschland oder in der EU, positive Bekenntnisse zur demokratisch-repräsentativen Gesellschaftsordnung und den ihr zugrunde liegenden Werten fehlen."

Beachtenswert ist seine Folgerung, daß er diesen Satz von jedem kritischen Journalisten unterschrieben wissen will, wenn genau das Gegenteil der Fall sein sollte im kritischen Journalismus.

Der Satz sollte nicht affirmativ unterschrieben, sondern auseinandergenommen werden, und zwar nach Strich und Faden. Alles andere wäre Unterwerfung unter einen Ungeist, der vorrauseilend gehorsam einen journalistischen Jargon der Eigentlichkeit pflegt, wie ihn Adorno in seinem Vortrag zur deutschen Ideologie schon 1962 beschrieb.

Die politischen Begriffe Verhältnisse und Gesellschaftsordnung sind, absichtlich oder unabsichtlich und affirmativ in beiden Fällen, nicht ohne innere Struktur und Richtung angeordnet. Die Begriffe Anmerkungen und Bekenntnisse sind eingebettet in einem theologisch fundierten Gesamtzusammenhang, der vage angedeutet ist durch "zugrunde liegende Werte"

Man muss keine intellektuelle Glanzleistung hinlegen, um diese zugrunde liegenden Werte einer abendländisch christlichen Gesellschaft zu zuschreiben. Auch als Journalist nicht. Es ist davon auszugehen, daß es auch genau so gemeint war, da es sonst noch phrasenhafter und unkonkreter daherkäme. Was zählt scheint jedoch der Klang einer warenästhetisierten Sprache:

"Vor allem besonderen Inhalt modelt ihre Sprache den Gedanken so, daß er dem Ziel von Unterwerfung sich anbequemt" (Adorno).

Was hier unterschrieben werden darf, ist die affirmative Unterwürfigkeit in herrschenden Verhältnissen, die mittels unkonkreter Sprache einen servilen Positivismus von allen einfordert, ein Bekenntnis zu dem was ist und was zu sein hat. Man hat diese servile Unterwürfigkeit unter die "heutigen" Verhältnisse selbst in randständigen "Anmerkungen" zu erbringen oder man macht sich verdächtig, gehört nicht dazu ist "nicht eigentlich genug" (Adorno).

Wer Ordnung und Verhältnisse mit einem Fragezeichen versieht, ist Extremist und bewegt sich am Rand derselben, neuerdings auch gleichzeitig an beiden links und rechts der Mitte.

Robert Kurz hat das zitierend in seinem SWR-Wissen Redebeitrag "Bildungsproletariat und Elitenbildung" exakt als "Ergebenheit und heiteres Ertragen" gegenüber den Verhältnissen benannt. Es soll eine Art "laissez unfair" zwischen dem ökonomischen Oben und Unten herrschen, in einer Kultur, die eine kapitalistische ist, deren Werte man sich, ohne störende radikalkritische Analysen von herrschenden Verhältnissen und Ordnungen, durch positive Anmerkungen und Bekenntnisse gegenseitig zu bestätigen und ohne Vertragseinsicht zu unterschreiben hat in der Sprache der Charaktermasken eines automatischen Subjekts.

Es ist die Theologie des Geldes im Jargon von Glaubensbekenntnissen. Häretiker werden öffentlich angeprangert. Bloß nicht auffallen mit dem abweichenden "ich" lautet die Parole, denn das "es" der Verhältnisse herrscht überall.

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