Irgendwas mit Medien

Die Helikoptermutter Während Medienkompetenz in der Grundschule als fünfte Kompetenz viral geht, steht der Computerraum weiterhin leer. Wann kommt bloß Dorothee Bär vorbeigeflogen?
Ausgabe 11/2018
Man kann nicht früh genug mit der Medienbildung anfangen
Man kann nicht früh genug mit der Medienbildung anfangen

Foto: Dominick Reuter/AFP/Getty Images

Kurz vor den Halbjahreszeugnissen, so erfuhr man am Schluss der letzten Gesamtelternvertreterkonferenz – der ich wohl immer noch vorstehe –, hatte man den Lehrern eine fünfte „Kompetenz“ im Fach Deutsch untergejubelt, die Medienkompetenz. Dem Bildungsfetisch soll unverzüglich hier gehuldigt werden. Diese Medienkompetenz musste auch im Zeugnis kurzfristig einfließen, man erkennt allerdings nicht an welcher Stelle genau, erfuhr aber, dass der bürokratische Aufwand außerordentlich gewesen war. Vielleicht hatte der Stress um die fünfte Kompetenz zu dem lustigen Fehler an einer anderen Schule im Kiez geführt: Deren Zeugnisse waren mit einem Rechtschreibfehler ausgegeben worden: Drauf stand Grunschule statt Grundschule.

Was uns betrifft: Ich bin gespannt, was sich der Fünfte-Kompetenz-Lehrer einfallen lässt, der von der Sorte ist, seine E-Mail oder sein Telefon unter keinen Umständen rauszurücken, stattdessen eisern auf dem analogen Kontakt zu beharren, wenn man ihn erreichen will. Ich bin gespannt, weil an der Schule schon seit mehreren Monaten die neuen Computer ungenutzt rumstehen. Weil nach der neunjährigen Schulsanierung immer noch etwas mit den Kabeln im sagenumwobenen Computerraum nicht stimmt. Unser Schulleiter, der sich um solches Zeug kümmern muss, telefoniert schon länger diversen Zuständigen hinterher, die aber neun Jahre nach Diktat verreist sind.

Die FAZ bemängelte zu Recht das übermotivierte Flugtaxi in Richtung Schule, eine Idee der neuen Ministerin für Digitales, Dorothee Bär. An unserer Schule ist nicht mal ein IT-Hausmeister vorgesehen. Und Herr T., der neue Schulleiter mit den langen Haaren im Zopf, kommt aus der Kunstecke und fühlt sich mehr fürs künstlerische Profil der Schule zuständig. Was aber nicht weiterentwickelt wird, weil es nach neunjähriger Schulsanierung jetzt um den Neubau der 10-Millionen-Sporthalle geht. Die Bäume sind gefällt, so weit, so trist, weitere Informationen über den Baubeginn stehen aus. Auch wo die Kinder spielen, wenn sie nicht gerade nicht im Computerraum sitzen. Berlin. Berlin. Das Thema geht hier offline.

Nicht zu empfehlen ist übrigens auch nicht die im Internet verbreitete 25-seitige Expertise zu den Rahmenlehrplänen in Bezug auf die fünfte Medienkompetenz. Wie so oft bei Bildungsevaluationen dünkt dem Laien, dass eigentlich nichts drinsteht. „Der Beschluss der KMK zur Medienbildung vom 8. März 2012 macht die Mehrdimensionalität der Medienbildung deutlich und unterstreicht die Notwendigkeit einer fächerübergreifenden Herangehensweise. Eine Möglichkeit für die Neukonzeptionierung von Rahmenlehrplänen ist, sich strukturell an diesen Vorgaben zu orientieren.“ Ich verstehe, diese Evaluation hat uns die fünfte Kompetenz in Deutsch beschert. Ich lese die Zahl 2012?! Vermutlich kein Tippfehler. Ich verstehe, man ist nach sechs Jahren bitmäßig weiter: irgendwas mit Medien. Mit Doro Bär!

Wer der Medienbildung an Schulen nichts zutraut, dem sei übrigens Folge 159 der Drei Fragezeichen empfohlen, aus dem Jahr 2013. Den drei Jungs wird in ihrer Kaffeekanne ein „Spionageprogramm“ auf dem PC aufgespielt, in Echtzeit! Und Justus Jonas erklärt, was da gerade passiert, wie man sich absichern muss. „Nicht öffnen, Just, das Ding könnte Viren enthalten, nachher macht’s paff und unser Rechner ist tot!“ Dass der Lehrer digital nicht erreichbar ist, finde ich dagegen voll okay. Da kann das Kind noch was lernen.

Katharina Schmitz schreibt im Freitag als Die Helikoptermutter über das Politische im Familienalltag

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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