Globalisierungskids

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Englisch mit drei, Spanisch mit vier, Nebenher das kleine einmaleins: Früh muss fit gemacht werden, wer sich in den Zeiten der Globalisierung behaupten soll. Schicken deshalb Eltern ihre Kleinen in Kindergärten mit Sprachunterricht?

2sonmás - Deutsch-spanischer Kindergarten. Ein Schild in den Farben rot und weiß, das am Eingang des Kindergartens angebracht ist, gibt den ersten Hinweis, dass sich an diesem Ort alles um die Zahl zwei dreht: Zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Gruppen und mindestens 2 Weltanschauungen.

In den Kindergarten gelangt man durch die Garderobe. Es ist ruhig. Nur die kleinen Mäntel, Mützen, Hüte, Schals und Schuhe lassen auf die Kinder schließen. Durch die Garderobe gelangt man in den Flur. Er ist kahl. „Wir haben die Dekoration gerade abgemacht und warten noch darauf, dass die Kinder etwas Neues machen“, erklärt die Direktorin entschuldigend. Zwei Türen fallen ins Auge: Die eine beschriftet mit „Fresas/Erdbeeren“ und beklebt mit einer riesigen Papperdbeere, die andere mit „Naranjas/Orangen“ und kleinen Papporangen. Die Tür der „Fresas“ öffnet sich und mitten drin ist man in -in was? Das ist zunächst nicht so leicht festzustellen. „Nuria, wollen wir spielen?“ „Hoy es mi cumpleaños!“ „Kannst du mir einen Flieger bauen?“ Spanische und deutsche Sätze fliegen durch den Raum, durch den die Kinder tollen. Den Raum der „Fresas“, was die vielen Papiererdbeeren an der linken Seite erkennen lassen. Sie hängen in einer Reihe an der Wand, auf jeder ein Foto eines Kindes mit Name und Geburtstag: Estrella, Nolan, Abril, Alex, Marie-Luisa, Frederico… die Namen der „Fresas“, eine weitere Stelle, an der sich kulturelle Vielfalt zeigt. In der Mitte des Raumes befinden sich drei kleine Tische mit Stühlen. Überall gibt es Spielzeug und kleine Spielecken. An der rechten Wand hängen Fotos von den Kindern mit Familienmitgliedern. „Wichtig ist es, dass alle Teil der Gemeinschaft sind“, erklärt die Direktorin. Die beiden Erzieherinnen, die eine Sozialpädagogin aus Deutschland und die andere Lehrerin aus Peru, rufen die Kinder zum Morgenkreis zusammen. Die beiden Kindergärtnerinnen und die Kinder setzen sich auf den Boden in einen Kreis. Die deutsche Erzieherin animiert die Kinder auf Deutsch, sich zu begrüßen. Danach folgt die peruanische Erzieherin auf Spanisch. Im Morgenkreis sind die beiden Sprachen strikt voneinander getrennt, man bezeichnet dies als Immersionsmethode. Auch die Kinder kennen diese Trennung und antworten automatisch auf der entsprechenden Sprache. Frederico sagt gequält, aber auch etwas verlegen: „Mir geht es heute nicht gut, ich habe Aua am Auge!“ Olivia entgegnet ihm frech: „Ich glaube du flunkerst!“ Die Kinder kichern und lachen. Nun fragt die deutsche Erzieherin, wie die Kinder Silvester gefeiert haben und erklärt das Jahr, die Monate, Wochen und Tage. Auch die peruanische Erzieherin befragt die Kinder über Silvester und erklärt ihnen singend die Zeiteinteilungen. Das Lied über die Wochentage singen alle gemeinsam und am Ende fragt die Erzieherin „Domingo?“ Alle Kinder strahlen und kreischen gemeinsam mit ihrer piepsigen Stimme „Siete!“ für den siebten Wochentag. „Die Kinder sind neugierig, wir versuchen dies durch unsere spielerische Methodik zu unterstützen!“, erläutert die peruanische Lehrerin.

Nach dem Morgenkreis werden die Kinder zum Spielen entlassen. Es läuft spanische Musik aus einer kleinen Stereoanlage. Einige Mädchen setzen sich an einen der kleinen Tische und malen ein Bild der Reyes Magos (Heiligen drei Könige) aus, dabei singen sie die spanischen Lieder mit. Die Jungs rennen im Raum herum und spielen mit aus Duplo gebauten Pistolen. „Durch die zwei Kulturen lernen die Kinder schon früh Toleranz! Essentiell ist die Förderung der Individualität, die Kinder werden zu nichts gezwungen“, betont die Direktorin. Frederico bittet die peruanische Erzieherin auf Deutsch um ein Papierflugzeug. Sie antwortet konsequent auf Spanisch. Er versteht sie genau, bevorzugt es aber selber nur auf Deutsch zu sprechen.

In einer Ecke stolziert Maria-Luisa, die heute Geburtstag hat, mit goldener Krone und sagt triumphierend „Ich bin ein Rey Mago!“ Sprachvermischungen entstehen, sogenanntes Code-switching. In der anderen Ecke spielen Abril und Olivia auf Spanisch, doch als Matilda hinzukommt wird sofort auf Deutsch weitergesprochen. „Für die Kinder ist es ganz natürlich zwei Sprachen zu sprechen, weil sie es von zuhause kennen, denn 95 Prozent der Kinder stammen aus binationalen Familien. Ein Ergebnis der Globalisierung“, erläutert die Direktorin stolz. Doch was ist mit den anderen 5 Prozent? Leon, ein ganz besonderes Früchtchen: Papa - Akademiker- aus Russland, die sprachbegabte Mama aus England und hier: Spanisch und Deutsch. Doch auch er kann sich gut mit den anderen Kindern verständigen.

Heute ist Donnerstag – Musiktag: Gitarre, Trommel, Triangel und Xylophon gilt es zu entdecken. Spielerisch lernen die Kinder die Instrumente. Olivia bläst in die Flöte, Niko trommelt wie verrückt und Nuria schlägt vorsichtig die Triangel. Die Augen der Kinder werden langsam müde von dem ereignisreichen Vormittag. Überfordert? Nein! Höchstens von der eigenen kindlichen Neugierde. Endlich! Es ist 13.00 Uhr! Die peruanische Erzieherin ruft „almuerzo“ und die deutsche „Mittagessen!“.




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Geschrieben von

Katharina Finke

global correspondent

Katharina Finke

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