Exzellent versagt

Top-Forschung Die Stars in den Hitlisten der Unis sind alles, nur nicht deutsch. Da kann nur noch ein bekennender Nicht-Intellektueller, seines Zeichens Vermarkter der Nation, helfen

Dieter Bohlen, bekennender Nicht-Intellektueller und als solcher besonders erfolgreich in Komposition, Produktion und Vermarktung akustischer Ohrenkneifer, hat am vergangenen Wochenende im Finale von Deutschland sucht den Superstar 2011 mal was richtig anrührend Kluges gesagt: Wir lebten in einer Welt, meint Bohlen, in der immer alles so perfekt sein müsse, deshalb sei der Gewinner dieser Staffel, der achtzehnjährige Pietro „Bombe“ Lombardi, doch jemand, der den Leuten etwas geben könne. Denn Pietro verstellt sich nicht. Er ist einfach ein „Vollpfosten“, wie ihn der DSDS-Chef genannt hat, der zwar singen kann und performen, aber das, was er singt, gar nicht versteht und in Interviews mit grammatikalisch falschen Stummelsätzen brilliert. Das verstehen wir unter Ehrlichkeit.

Und auch wenn der Bogen zugegebenermaßen weit gespannt ist: Man wünscht sich Bohlen als Berater von Annette Schavan. Die Bundesforschungsministerin nämlich kann – ähnlich wie die im DSDS-Finale unterlegene Sarah Engels übrigens – ihren Ehrgeiz kaum zäumen und will nicht nur große Fortschritte darin sehen, dass sich das Studium an deutschen Universitäten in eine schulmäßig durchorganisierte Serienproduktion so genannter hochqualifizierter Fachkräfte verwandelt hat. Nein, sie möchte jetzt auch eine Bundesuniversität. In ein paar Jahren nämlich läuft die Exzellenzinitiative aus, und mindestens eine große weltberühmte Uni sollte Deutschland dann noch haben. Na gut. Nur: Warum ausgerechnet die Berliner Charité?

Neue Welt-Hitliste der Unis

Man muss dazu wissen, dass Hochschulrankings nicht nur in Deutschland beliebt sind. Auch international wird stets nach den Superstars unter den Unis Ausschau gehalten, und gerade erst hat das Netzwerk QS neue Welt-Hitlisten für die Naturwissenschaften – Medizin, Biologie, Psychologie und andere – veröffentlicht. QS bezeichnet sich als die größte Plattform, die Absolventen mit Wirtschaft und Arbeitswelt vernetzt. Wer wissen will, wo er studieren muss, um mit dem Briefkopf seines Abschlusszeugnisses zu punkten, kann sich hier informieren. Für jene, die in Deutschland studieren wollen, ist das aber ein bisschen doof. Denn obwohl ja gerade die Natur- und Ingenieurwissenschaften irgendwie als die Vorzeigedisziplinen des deutschen Denkens und Erfindens galten – Liebig! Ehrlich! Benz! –, kommen unsere Universitäten in diesem Top-Ranking gar nicht vor. Gar nicht?

Eine kleine tapfere Fakultät hat sich der Übermacht vor allem US-amerikanischer und britischer, aber auch australischer Unis von Harvard über Queensland bis Manchester noch nicht geschlagen gegeben: Die Humboldt-Universität zu Berlin firmiert im aktuellen Medizinranking als beste (und einzige unter den ersten 50) auf Position 41. Immerhin. Und wer lehrt für die HU die Medizin? Die Charité. So ein zartes Pflänzchen muss man pflegen, und wo die Exzellenz-Initiative versagt hat, soll künftig also eine subventionierte „Bundes-Uni“ die Stellung halten. Zumindest, wenn man denn möchte, dass sie im entsprechenden, auf Ökonomie und Wissenstransfer getrimmten Forschungsumfeld gedeiht. Bloß wie? Mit Bachelor und Master? Mit Postgraduierten-Management und staatlichen Geldern für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft? Und hier kommt wieder Dieter ins Spiel, der alle Zutaten für einen solchen Superstar kennt und weiß: Authentizität! Wer den anderen alles nachsingt und versucht, so zu sein wie die Großen, gewinnt nicht mal mehr bei DSDS einen Blumentopf.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

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