Die Europäische Union war bisher nicht gerade berühmt dafür, sich zu den offenkundigen Makeln eines ihrer meistgehätschelten Anti-Emissionsprojekte ehrlich zu bekennen. Mehrfach sind in den vergangenen Jahren Informationen in die Öffentlichkeit gesickert, dass von der EU in Auftrag gegebene Studien zu den Klimabilanzen von Biodiesel und Bioethanol nachträglich um entscheidende Passagen gekürzt oder von vornherein in die gewünschte Richtung gelenkt wurden, und zwar in jene, die der europäischen Subventionspolitik zugunsten des Biosprits entspricht.
Wenn Brüssel in einer der kommenden Wochen nun eine weitere Biosprit-Studie vorstellt, wird daher gar nicht das Ergebnis selbst überraschen – dass Kraftstoffe aus Raps oder Palmöl das Klima unterm Strich eher schädigen als schützen, ist mittlerweile so hinreichend bekannt wie die schweren Folgen des politisch erzwungenen Anbaus von Sprit-Pflanzen für die globalen Nahrungspreise und die Wasserversorgung. Überraschend ist vielmehr, dass sich die EU laut einem Bericht der FAZ jetzt zu einer Rechnung bekennen wird, die genau dieses Resultat bestätigt.
Benzin und Diesel aus Raps, Palmöl und Soja erzeugen der noch unveröffentlichten Studie zufolge und wegen der indirekten Landnutzung, also der Verdrängung von Nahrungspflanzen auf zuvor ungenutzte Wald- oder Brachflächen, mehr CO2 je Energieeinheit als Kraftstoffe aus Mineralöl. Zum Teil sind die Bilanzen so schlecht wie die von Öl- oder Teersand. Und das bedeutet: Das komplette EU-Konzept für eine nachhaltige Substitution von fossilen Treibstoffen durch nachwachsende Rohstoffe ist ad absurdum geführt worden. Zehn Prozent Biosprit sollen bis 2020 in jeder Tankfüllung enthalten sein? Wozu?
Zurück in die Rohölpfütze?
Die Auswege aus dieser misslichen Lage sind überschaubar. Sich auf Biokraftstoffe der zweiten oder dritten Generation zu besinnen, die nicht auf den Anbau eigener Pflanzen als Rohstoff angewiesen sind, weil sie vorhandene Reststoffe verwerten, wäre eine Option – gewesen. Von politischer Seite hat man diese Fortentwicklungen zugunsten des konventionellen Anbausprits vernachlässigt, und selbst wenn man sie nun massiv fördern würde, bliebe ungewiss, ob sie als Handelsobjekt auf dem globalen Kapitalmarkt nicht ähnliche Effekte generieren würden. Bleibt also nur der Schritt zurück in die kleiner werdende Rohölpfütze?
Nicht unbedingt. Es wäre dies der Zeitpunkt, ein viel größeres Versäumnis zu erkennen: die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von Treibstoffen gleich welcher Art nie ernsthaft am Fundament gepackt zu haben – und sie stattdessen auf immer neue Art aufrechtzuerhalten und dabei Anachronismen zu behüten. Die automobile Gesellschaft ist ein solcher Anachronismus. Ein Relikt der fünfziger Jahre, an das man sich nur noch aus ökonomischer Ängstlichkeit klammert, für das man im Autoland Deutschland emsig an Karosserien, Motoren, Reifen und Elektronik herumschraubt, anstatt sich durch technologische Innovation in ein neues Zeitalter von Mobilität und Energiebedarf zu begeben.
Konzepte dafür gibt es längst: Es sind Modelle, die das Auto zur gemeinschaftlich genutzten Ausnahme herabstufen (siehe der Freitag Nr. 44/2010) und die Städte seiner wohl entledigten. Und es geht ja nicht nur um die Emissionen, die sich so einsparen ließen. Es geht um die Erkenntnis, dass sich hinter der angeblichen Freiheit, die das Auto für das Individuum bedeuten soll, nur perfider Zwang verbirgt, verknüpft mit gesundheitlichen Folgen, finanzieller Belastung und eben jener Abhängigkeit, die auf den Rapsfeldern dieser Erde nicht endet. Sondern erst dahinter.
Kommentare 15
Liebe Kathrin Zinkant,
glauben Sie in einer Zeit, in der sich Heizpilze und benzingetriebene Laubgebläse zunehmender Beliebtheit erfreuen, tatsächlich an die Möglichkeit, dass die Menschen Einschnitte in ihrer Erdölgestützten Bequemlichkeit hinnehmen werden?
lieber jörg friedrich, sie gehen vermutlich davon aus, dass ich "nein" antworten muss. tatsächlich bin ich in dieser sache aber optimist: ich kann mir ein wachsendes bewusstsein vorstellen. es muss nur gefördert werden. und nicht unterdrückt.
jugendliche haben da bisweilen eine indikatorfunktion: es ist nicht mehr so, dass jeder 18-jährige seine identität als erwachsener über den besitz eines autos definiert. immer weniger jugendliche machen den führerschein. dass diese tendenz nicht in der breiten öffentlichkeit spürbar ist, hat vermutlich viele gründe, aber der wichtigste ist meines erachtens, dass bislang das klare politische bekenntnis zu einer neuen form von mobilität fehlt.
Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, dass Sie optimistisch sind. Leider halte ich diesen Optimismus für vollkommen unbegründet. Dass "immer weniger Jugendliche den Führerschein machen" dürfte einen einfachen Grund haben: Sie werden überhaupt immer später mit der Ausbildung fertig, sie starten immer später mit allem, mit der Berufsausbildung, mit dem Studium, mit der Familie, mit Kindern. Zwangsläufig natürlich auch mit dem Führerschein - dazu benötigt man einerseits eine Menge Geld, andererseits auch die Aussicht, sich ein Auto leisten zu können.
Ihr Optimismus in allen Ehren, aber ich glaube, der hält uns nur davon ab, uns den Problemen zu stellen, die unweigerlich auf uns zukommen (falls die Klimaforschung recht hat). Für mich ist ein Optimismus dahingehend, dass sich "das Bewusstsein" rechtzeitig wandeln wird, genauso unverständlich wie die Hoffnung, dass die Klimaforschung sich irrt. Beides ist möglich, keine Frage, aber es ist doch recht unwahrscheinlich.
was bedeutet in diesem Falle "den Problemen stellen"? und wer sind "wir" eigentlich?
Sprechen wir vom ländlichen Raum, wo teilweise nicht mal mehr ein Briefkasten im Dorf steht oder von Neukölln, wo man sich neuerdings auch zu Fuß selbstgenähte Dirndl kaufen gehen kann?
Reden wir von Fernpendlern, die täglich über 200km zwischen Wachstumsregion und Musterhaus-Küchen-Fachgeschäft-Eigenheim hin- und herdüsen und 0,3€ pro Kilometer davon bei der Steuer geltend machen können?
Reden wir davon, dass in 1 Kilokalorie Essbaren im Schnitt die gleiche Kilokalorie fossiler Brennstoff drinsteckt? Von Erdbeeren aus Neuseeland im Januar oder von Weltuntergang bei Fluglotsenstreik in Frankfurt und A320 auf dem Weg zum Ballermann?
Da muss ich an den Berliner Taxifahrer denken, der das alte Frittenöl in seinem Mercedes "verbrannt" hat. Er hat es per Zentifuge vorher grobgereinigt...
Ich will damit nur sagen, dass es eigentlich genügend Biomüll oder Bioabfall gibt, der in dieser Weise verarbeitet werden könnte.
Dass eine Zuckerrübe oder ein Mais für das Überholen zuständig sein soll, wäre abartig und eine Schande. Auch "Solarplatten"auf landwirtschaftlichen Nutzflächen sind pervers... usw....
Trotzdem werden mich Heizpilze nicht davon abhalten, mehrmals am Tag auf öffentlichen Fluren das Licht auszuschalten, wenn die Sonne schon heller ist...
Man sollte Menschen, Deutsche, ins Kino einladen, verpflichten sich über den Plan B zu informieren:
www.3sat.de/page/?source=/nano/technik/160615/index.html" target="_blank">
www.3sat.de/page/?source=/nano/technik/160615/index.html">fehlender Plan B bei NANO
Arbeit muss zurück zu den Menschen, nicht der Mensch zur Arbeit. Dann können wir auch aufhören von Mobilität zu reden und lassen den Zucker in der Rübe für uns!
Liebe Frau Zinkant, sonst schreiben Sie ja meist sehr durchdachte und sachlich fundierte Artikel, aber hier haben Sie meiner Ansicht nach Mist gebaut.
Zwei Meldungen aus der FAZ von gestern:
Im Januar wurden in Deutschland 210.000 Neuwagen zugelassen, in ganz Europa sind es 1.000.000 Fahrzeuge, in den USA und China auch jeweils eine knappe Million. Alles anachronistische Spielzeuge für ewiggestrige Autonarren?
Gleichzeitig sind die Treibstoffkosten auf neue Höchststände geklettert. Auto fahren ist in den letzten 20 Jahren massiv teurer geworden. Sitzen da also hauptsächlich Süchtige am Steuer, die für den Tritt aufs Gaspedal ihr letztes Hemd zum Pfnaleiher tragen?
Wer außerhalb der Metropolen, insbesondere Berlin, lebt, für den ist ein Auto oftmals unverzichtbar, um ein vergleichsbares Maß an Mobilität bzw. einen ähnlichen Aktionsradius (Freunde besuchen, zur Arbeitsstelle kommen, Ausgehen, etc.) zu erreichen, wie der typische ÖPNV-Nutzer in Berlin. Wer "aufem Kaff" kein Auto hat, der muss für den Einkaufsbummel in der nächsten Kreissteht den halben Tag in Bus und Bahn bzw. an der Haltestelle verbringen. Auf dem Weg von der Arbeit mal eben den Wocheneinkauf zu erledigen oder die Kinder noch schnell zum Sportverein drei Käffer weiter zu bringen, ist ohne Auto undenkbar. Und den Arbeitsplatz muss man sich gemäß des Busfahrplans suchen bzw. am besten gleich Haus und Hof verlassen und aufs Werkgelände ziehen.
Überspitzt: Ohne Individualverkehr würde man in der deutschen Provinz so leben müssen wie im australischen Outback. Schon heute wandern da tendentiell junge Leute eher ab, ohne Auto wäre die Landflucht massiv.
Soviel nur zum Nutzen des Autos für die Lebensqualität der Landbevölkerung. Richtig happig wird es aber erst, wenn sich abseits des Privatverkehrs mal den Stellenwert des Autos für Wirtschaft betrachtet. Wieviele zigtausend Güterzüge müssten täglich nach Berlin brettern, um die dort benötigten Waren anzuliefern? Und werden die dann innerhalb der Stadt durch ein unterirdisches Röhrensystem verteilt? Kommt der Heizungsmonteur demnächst mit der S-Bahn? Wie werden die Millionen Logistikverbindungen, Vertriebsstrukturen, Pendlerströme, die sich in den letzten 50 Jahren auf der Verfügbarkeit von Kraftwagen vertrauend herausgebildet haben, ersetzt/umgeleitet?
Fragen über Fragen....
Auto fahren ist nunmal zumeist keine liebgewonnene Angewohnheit/Sucht wie das Rauchen von Tabak, die man unter Voraussetzung des passenden gesellschaftlichen Klimas und entsprechender gesetzlicher Regelungen, mal eben einfach so in ein paar Jahren massiv zurückdrängen könnte.
Sicherlich werden fossile Brennstoffe zur Neige und entsprechend die Preise durch die Decke gehen. Aber wenn dann keine günstigere Form des Individualverkehrs zur Verfügung steht (also im wesentlichen nicht-fossile Brennstoffe), dann wird es für die meisten Menschen sehr, sehr schlimm werden.
lieber gweberbv, danke für ihre recht milde rüge. jeder baut mal mist. allerdings verstehe ich nicht noch ganz, warum ich den hier gebaut habe.
sie sprechen viele wichtige fragen an, die sich im zusammenhang mit einem verzicht auf bzw. einer massiven reduktion von treibstoff gleich welcher art zwangsläufig stellen. gleichwohl – und das zeigt eben auch diese neue biospritstudie - geht kein weg an einem verzicht/einer reduktion vorbei, wenn es denn nicht so kommen soll, wie ihr letzter satz impliziert. nämlich sehr, sehr schlimm.
wie das jenseits der städte und auch global betrachtet gehen kann, weiß aber keiner, weil sich niemand auch nur vorstellen will, dass es anders gehen muss. sie zitieren die zahlen für neuzulassungen, und die spiegeln ja genau das: die industrie, der markt, diese idee vom ewigen wachstum, für die ein eigenes auto und die damit verbundene "unabhängigkeit" seit dem wirtschaftswunder so ein wunderlicher ausdruck ist, von dem sich keiner lösen möchte, aus angst, dass danach das chaos ausbricht. was unweigerlich ausbrechen muss - eben weil sich keiner lösen möchte.
und was die menschen auf dem land betrifft: finden sie das argument selbst nicht auch etwas müde? die leute kommen da sonst nicht weg, weil der bus nur noch einmal am tag hält. ja, klar. so ist die lage. man kann sie beklagen und keinen ausweg sehen, oder überlegen, ob in einer weniger automobilzentrierten denke immer noch zwei kombis vors haus gehören.
nur weil etwas schwierig erscheint, heißt es nicht, dass man keine andere betrachtung zulassen kann. aber ich sehe diese "sie-sind-ja-naiv"-abwehrhaltung auch in den anderen kommentaren - und zwar mit einigem erschrecken, wenn ich das mal sagen darf. das auch @jörg friedrich.
schönen sonntag wünscht
ihre frau zinkant
Wo soll ich anfangen zu kommentieren? Dass Rapsöl und Biodiesel ineffizient sind hat schon 2007 der wissenschaftliche Beirat des Aignerschen Ministeriums (BMELV) in einem Gutachten bestätigt. Dass man im BMELV aber nicht auf die eigenen Wissenschafter hört, sondern sich lieber als verlängerter Arm des Bauernverbands in der Bundesregierung geriert, hat aber in diesem Ministerium Tradition, wenn es in CSU-Hand ist. Mit Biokraftstoffen lässt sich eben viel Geld verdienen. Und man gibt lieber noch eine Studie in Auftrag, als dass man Konsequenzen zieht.
Auch wenn sich global die Erkenntnis längst durchgesetzt hat, dass man nicht 7 (und bald 9) Milliarden Menschen ernähren UND gleichzeitig nennenswerte Teile des Energiebedarfs durch Bioenergie decken kann, im BMELV schläft man lieber noch ein bißchen weiter. Schuld daran sind auch Lobby-Organisationen wie die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (www. ufop.de), die sicherlich einen sehr guten Draht ins Ministerium hat. Ich gehe davon aus, dass dieser Biosprit-Unsinn trotz anderweitiger wissenschaftlicher Erkenntnis zumindest bis zum nächsten Wahltag weiter geht.
Eine andere Frage ist die nach der Post-Auto-Mobilität. Dass sie im urbanen Lebensraum durchaus möglich ist, stelle ich persönlich seit mittlerweile mehr als 3 Jahren sehr zufrieden fest: ich erledige 98 % meiner Fahrten mit Fahrad, Bus und Zug, den Rest decke ich über Carsharing ab. Das bedeutet – das gebe ich offen zu – einen Verlust an Bequemlichkeit, manchmal auch an Flexibilität. Und manchmal – auch das gebe ich offen zu – kotzt es mich an mit nach Bier stinkenden Dummschwätzern in einem verspäteten Zug eingesperrt zu sein oder mal wieder den Anschluss verpasst zu haben. Aber abgesehen davon, dass auch Autofahrer Staus oder Trottel im Straßenverkehr und manchmal das Auto auch kaputt ist, ich glaube es geht aus verschiedenen Gründen (einer davon ist “peak-oil”, der andere die Klimagerechtigkeit) in Zukunft gar nicht anders.
Das sehen zumindest auch die jungen Leute, die sich damit beschäftigen auch so: sie erkennen sehr genau, dass ihre Vorfahren ihnen zwar smartphones vererbt, ansonsten aber das globale Familienvermögen (feiner ausgedrückt: Rohstoffe und Ökosystemdienstleistungen) verjubelt haben. Ob sie es nun nun mögen oder nicht: der Zwang zur Post-Auto-Mobilität ist evident.
Und dass Raps-Öl keine Lösung ist, können die sich sowieso ausrechnen...
Herr Friedrich,
die Frau Zinkant hat recht mit der Aussage, dass sich das Konsumbewusstsein im Autobereich ändert.
Auf der letztjährigen BITKOM ging es um GreenIT, dort war auch einer von Daimler dagewesen. Die hatten eine repräsentative Umfrage bei 16-20 jährigen zum Thema Auto gemacht. Das ernüchternde Ergebnis nur noch 20% erachten den Besitz eines Autos als wichtig, knapp 50% hatten gar kein Interesse an den Blechkübeln. Zu teuer, zu schmutzig, nicht umweltfreundlich, nicht nutzbar! waren die gängigsten Begründungen. Der Führerschein wurde als notwendiges Übel betrachtet um zum Arbeitsplatz zu gelangen.
In meinem Freundeskreis sind ehemalige begeisterte Autofans nur noch am fluchen, wegen der kaputten Straßen, des Lärms, des Stresses, der Staus... suchen Sie sich was aus :-)
Liebe Kathrin Zinkant,
weil Sie vom Erschrecken schreiben: mich erschreckt viel mehr, dass es für viele Menschen offenbar keine andere Idee gibt als die Hoffnung auf einen Mentalitätswandel der dazu führen würde, dass der Kohlendioxidausstoß nennenswert zurückgeht. Das wird nicht passieren, wir reden seit Jahrzehnten davon und es geschieht nichts nennenswertes, weder in Deutschland noch irgendwo auf der Welt. Darauf zu hoffen ist nicht naiv, das ist fahrlässig. Weil heute ein paar Jugendliche politisch korrekt auf eine Umfrage antworten soll ich Hoffnung haben? Und gleichzeitig sehe ich, wie diese Jugendlichen sich im Winter fröhlich unter Heizpilzen versammeln zu denen sie mit Mamas Auto gefahren sind? Das ist unsere Hoffnung und unser einziger Plan, die Klimakatastrophe zu verhindern?
lieber jörg friedrich,
wo sage ich, mit verlaub, dass eine neue mobilität der einzige plan zur eindämmung der klimakatastrophe ist?
es geht hier um einen teil des großen ganzen, dieser teil ist von besonderer bedeutung, weil er eng mit dem alltag der menschen zusammenhängt und schon jetzt beginnt, seine grenzen zu offenbaren. biosprit, erdölsprit, gas als treibstoff, strom als treibstoff - diese ressourcen sind ganz unabhängig vom klimawandel limitiert. das umdenken, das sie mit ihrem abfälligen blick auf "diese jugendlichen" für aussichtslos halten, ist keine frage der hoffnung, es ist eine notwendigkeit.
den vorwurf der fahrlässigkeit schenke ich ihnen. er ist ja absurd. fahrlässig ist meiner ansicht nach, auf die zu zeigen, die es nicht so machen, wie es gut wäre, und dann zu sagen: es hat doch keinen sinn.
zunehmend entsetzt:
ihre frau zinkant
Mist gebaut -> "Die automobile Gesellschaft ist ein solcher Anachronismus. Ein Relikt der fünfziger Jahre, an das man sich nur noch aus ökonomischer Ängstlichkeit klammert, für das man im Autoland Deutschland emsig an Karosserien, Motoren, Reifen und Elektronik herumschraubt, anstatt sich durch technologische Innovation in ein neues Zeitalter von Mobilität und Energiebedarf zu begeben."
Genausogut könnten Sie die Massentierhaltung oder den Einsatz von Kunstdünger zum Anachronismus erklären. Oder um den ganzen Globus gespannte Produktionsketten für Produkte des täglichen Bedarfs.
Dabei sind das keine Anachronismen sondern ganz im Gegenteil unabdingbare Voraussetzungen, dass die Lebenswelt der wohlhabenderen 25% der Weltbevölkerung weiterhin so funktioniert wie sie funktionert. Was war denn das zarte Pflänzlein Automobilindustrie der 50er Jahre gegen den tiefverwurzelten Mammutbaum im Hier und Jetzt?
Das macht die Lage ja so prekär: Es sind keine liebgewonnenen Gewohnheiten, die in den nächsten Jahrzehnten aufgrund Ressourcenmangels vor dem Aus stehen, sondern die Grundpfeiler des heutigen (materiellen) Lebens.
Noch ein Wort zu dem Unwillen, sich vom motorisierten Individualverkehr zu lösen: Ich komme aus dem Rhein-Main-Gebiet, also einem Ballungszentrum mit einem dichten ÖPNV-Netz. Dennoch ist es nur eine kleine Minderheit meiner Verwandten und Bekannten, die das Glück haben, ihre Arbeitsstelle mit Bus und Bahn erreichen zu können. Meine Freudin stammt aus einem ländlichen, hügeligen Gebiet, wo das nächste größere Stadt 40 bis 50 km entfernt ist. Genuß empfinden wohl die wenigsten dabei, sich für mehrere hundert Euro pro Monat im Blechkasten durch die Landschaft zu quälen, aber ohne Auto lebt man dort eben wie ein Waldschrat.
Inzwischen leben wir zu Fuß 5 Minuten von unserer Arbeitsstelle entfernt. Mich braucht niemand davon zu überzeugen, dass man ohne Berufsverkehr und Tankrechnung besser dran ist. Aber in so einer privilegierten Lage befinden sich leider die wenigsten. Zumal der Arbeitsplatz ja auch ganz schnell wieder woanders sein kann.
Liebe Frau Zinkant,
vielleicht ist es an dieser Stelle das Beste, die Diskussion für dieses Mal abzubrechen. Die Missverständnisse häufen sich und ich sehe keine Möglichkeit, mich verständlich zu machen. Ich schrieb gar nicht über "neue Mobilität" sondern davon dass ich den Eindruck habe, Sie würden ganz auf einen Mentalitätswandel setzen. Das wiederholen Sie ja auch noch einmal, wenn Sie sagen "das Umdenken ist eine Notwendigkeit". Eben daran habe ich meine Zweifel, und zwar nicht, weil ich "abfällig" über junge Menschen denke - Menschen meines Alters stehen nicht weniger fröhlich unter Heizpilzen nachdem sie ebenso fröhlich das Laub mit einem lärmenden stinkenden Gerät vom Weg geblasen haben, ich habe nur keine besonderen Hoffnungen in die Jungen - sondern weil noch nie und nirgens ein "Umdenken" zur Lösung von Problemen geführt hat. Wir werden in die Katastrophe (wenn die Wissenschaftler recht behalten) hineinschlittern da wird uns kein Rufen nach Umdenken vor bewahren. Umdenken sollten eher die Umdenken-Forderer, denn es kommt vielmehr darauf an, wie wir uns in den geänderten Bedingungen einrichten werden, wie wir uns auf Krisen und Leiden vorbereiten können, darüber sollten wir nachdenken. Umdenken zu fordern ist nur eine ganz besonders intensive Form des Augen-Verschließens
denk jedenfalls
Ihr
Jörg Friedrich (der natürlich nicht mal die Konsequenz aufbringt, den selbst vorgeschlagenen Abbruch der Diskussion auch selbst durchzuführen)
Hallo zusammen,
ich finde persönlich die Diskussion sehr interessant und (bzw. aber zu) vielschichtig, da hier gerade nicht die "Bauer-sucht-Frau"-Zuschauer involviert sind und eine gewisse Naivität vielleicht vorhanden ist, aber von äußerst erträglichem Ausmaß.
Wäre es nicht sinnvoll aus diesem ganzen Lebensart-vs-PeakOil-Themenkomplex eine Serie zu machen, die dem Ganzen etwas tiefer auf den Grund geht?
lieber gweberbv, lieber jörg friedrich, leider kann ich nur kurz, weil wir die zeitung fertigstellen müssen.
@ gweberbv: vielleicht müssten wir mal unsere definition von anachronismus abgleichen. dass es so ist, wie sie sagen, dem widerspreche ich ja in weiten teilen gar nicht. ökonomische abhängigkeit vom grundpfeiler auto usw. - sicher. aber "funktioniert" das? vor dem wissen, was wir haben, funktioniert das ja eben nicht mehr. und damit ist das für mich ein anachronismus aus einer zeit, in der man sich vor einem anderen hintergrund der erkenntnis auf diese industrie gestürzt hat.
und sie sagen da was: massentierhaltung ist in genau dieser hinsicht tatsächlich ein anachronismus.
@ diskussionen abzubrechen, weil man auf die argumente des anderen nicht eingehen will - nun, das überlasse ich tatsächlich ihnen, und wenn sie diese "konsequenz" nicht aufbringen, wäre das doch was.
Umdenken zu fordern ist nur eine ganz besonders intensive Form des Augen-Verschließens - das ist natürlich ein krasser spruch. zumal er jeden historischen fortschritt und wandel verhöhnt. nein, lieber jörg friedrich, das umdenken zuerst von den anderen zu fordern ist die intensive form des augenverschließens.
und worüber reden wir hier eigentlich? es gibt ein problem: biosprit ist klimatechnisch nicht besser als erdölsprit. er lässt sich auch nicht unbegrenzt herstellen, weil die menschen sonst nix zu essen haben. insofern wird er den erhalt des degenerierten automobilwunders von einst nicht leisten. da muss man gar kein umdenken fordern, da kann man nur feststellen, dass es zeit dafür ist.
das in aller kürze. alsbald mehr.
ihre frau zinkant