Richtig ist wichtig

Streit Der Mensch hat es schwer: Immerzu muss er sich verhalten. Eigentlich möchte er keinen Streit, doch ohne Ärger geht es nie ganz ab. Ein Segen, wenn die Forschung hilft

Eigentlich – und eigentlich ist an dieser Stelle das entscheidende Wort – möchte niemand streiten. Die meisten Menschen bekennen sich freimütig dazu, harmoniebedürftig, wenn nicht gar harmoniesüchtig zu sein und jeder Art von Konflikt lieber aus dem Weg zu gehen, anstatt den anderen zu konfrontieren und damit schlechte Stimmung zu riskieren.

Nun geht das echte Leben selten ohne Ärger ab. Streit gibt es unter Geschwistern, Freunden, Kollegen, Intellektuellen und Völkern. Und das soll sogar echte Vorteile haben. Will man etwa einem der Begründer der Konfliktforschung, dem Soziologen Georg Simmel, folgen, ist nämlich der Streit oder Kampf nicht das eigentliche Problem, sondern nur eine „Abhilfsbewegung gegen den auseinanderführenden Dualismus“. Er soll, so wie die Symptome einer schweren Krankheit, lediglich der Gesundung zwischenmenschlicher Verhältnisse dienen – und gerät mithin ja fast zur Pflicht.

Die Erfahrung aber zeigt: Streit macht selten alles heile. Vielleicht weil man Streit ja eigentlich nicht möchte und seine widerwillige Ausführung keine gute ist. Die Sache wir dann einfach schlimmer. Aber zum Glück gibt es die Forschung, und die tut, was man von ihr erwartet: Sie produziert nützliches Wissen. Dabei liefert gerade die Streitforschung stets neue, überraschende Erkenntnisse. Ein bisschen was ist jedem schon mal untergekommen, zum Beispiel: Sag niemals „Du“. Sprich „Ich“! Heißt, dass man im Konflikt keine Vorwürfe aussprechen, sondern lieber von den eigenen Gefühlen reden sollte. Ich fühle, also streite ich – aber streite ich auch wirklich richtig?

Ein verbreiteter Anspruch

Alles wirklich richtig zu machen ist ja ein verbreiteter Anspruch geworden, das fängt quasi schon mit der Empfängnis an: Erstmal muss man sich die richtigen Eltern aussuchen, die in Schwangerschaft, Geburt und dann Erziehung alles richtig machen – die richtige Kita, die richtige Schule, die richtigen Hobbys, die richtige Ausbildung. Später muss dank der richtigen Selbstdarstellung erst der richtige Job her, dann der richtige Partner, und wenn man den gefunden hat, kommt nach der richtigen Beziehungsgestaltung und noch vor der selbstverständlich richtigen Trennung der richtige Streit. „Wollen wir zu perfekt sein?“, fragt da das aktuelle Zeit Wissen-Magazin. Denn was in all diesen Fällen richtig ist, weiß man doch selbst am schlechtesten, wegen der Gefühle, die man zwar ausdrücken, von denen man sich aber nicht überwältigen lassen darf. Wie soll man da noch richtig perfekt sein können?

Aber zurück zur Forschung: Die sagt jetzt nämlich, dass richtiges Streiten anders geht als vorher, und zwar perfekt anders: Sag „Du“, nicht „Ich“, rät das eben schon zitierte Zeit Wissen. Schrei auch mal ein bisschen rum, wenn dir danach ist, sag dem anderen, wie gemein er ist. Aber Obacht, auch im Richtigen gibt es das Falsche, man muss es schon richtig richtig machen (um nicht zu sagen perfekt): Zu kämpferisch darf es nicht sein. Genausowenig, wie man nachgiebig werden oder sich dem Konflikt gar ganz entziehen sollte, selbst wenn man das grad gerne möchte. Das, so lehrt uns hier der Psychologe, ist nämlich wieder total falsch. Richtig sei, den „Streitpartner“ auf typische Muster aufmerksam zu machen, die man sich aus vorherigen Streits gemerkt hat. Und beim Schreien den Respekt bloß nicht vergessen. Damit man hinterher auch richtig, nämlich gemeinsam analysieren kann, woran es bloß gelegen hat. Ja, rufen wir. Aber was war jetzt noch ein „richtiger“ Streit?

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

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