Der Tod der Fußgängerzonen

Einzelhandel In den Shoppingmeilen der Städte ist wenig los. Die Einnahmen der Geschäfte sind niedrig, die Mieten hoch. Kommunalpolitiker möchten helfen, aber es gibt Hindernisse.

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In den Shoppingmeilen der Städte ist wenig los. Die Einnahmen der Geschäfte sind niedrig, die Mieten hoch. Kommunalpolitiker möchten helfen, aber es gibt Hindernisse. Zuerst bemerkt man es nicht. Die Einkaufsstraßen scheinen gut besucht. Die Menschen tragen Masken, aber das scheint der Konsumlaune nicht zu schaden. Die Statistik zeigt aber etwas anderes. In der Hohe Straße in Köln, in der alle großen Ketten Filialen haben, ist die Zahl der Passanten lange noch nicht so hoch wie vor der Krise und wird es vielleicht nie wieder sein. Am letzten Septembersamstag wurden rund 47.000 Menschen gezählt, im Jahr zuvor waren es noch 76.000.

An anderen Wochenenden und in anderen Städten ist es nicht anders. Das zeigt sich auch am Umsatz der Einzelhändler. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE), spricht von großen Unterschieden zwischen den einzelnen Branchen. Zwar haben die Einzelhandelsunternehmen ihren Umsatz seit dem Lockdown gesteigert, im August um 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Aber das Wachstum entsteht hauptsächlich beim Onlinehandel, der fast ein Viertel zugelegt hat. Der Präsenzhandel, die Geschäfte und Kaufhäuser stecken immer noch in der Krise, berichtet Genth. Allein der Textilhandel habe im August gegenüber dem Vorjahresmonat zehn Prozent weniger erwirtschaftet. Genth warnt vor zahlreichen Insolvenzen in der Kernbranche der Innenstädte. Die Politik müsse handeln, sonst entstünden überall verödete Stadtzentren.

Der Rückgang führt zu einem Dominoeffekt. Der beginnt im Handel und endet am Immobilienmarkt. Mit den Insolvenzen verschiedener Modeketten sind die ersten Steine bereits gekippt. Bleibt der Umsatz in Teilen der Branche langfristig niedrig, und das ist anzunehmen, weil viele Kunden dauerhaft online kaufen, können Einzelhändler die geforderten Mieten nicht mehr aufbringen. Bisher sind die Mieten in guten Lagen immer nur gestiegen, obwohl der Onlinehandel den Geschäften schon lange Probleme bereitet. Die Berliner Innenstadt führt hier momentan. Dort kosten Flächen bis 120 Quadratmeter in Toplage 400 Euro monatlich pro Quadratmeter. 48.000 Euro können nur die Shops der großen Ketten bezahlen. Selbst in weniger guten Lagen sind die Mieten schon lange hoch. Köln beispielsweise gehört zum preislichen Mittelfeld deutscher Großstädte. Aber auch hier kostet der Quadratmeter für Flächen ab 300 Quadratmeter 130 Euro.

Jan Schwarze vom Immobiliendienstleister CBRE schreibt im Herbstgutachten für die Immobilienwirtschaft, in den meisten Innenstädten seien Leerstände unvermeidlich. Es gebe ein Überangebot an Flächen bei geringer Nachfrage. Die Vermieter von Flächen für den Einzelhandel gerieten weiter unter Druck. Was schon vor Corona begonnen habe, verstärke sich nun. Auf sinkende Mieten hoffen außer dem Handel auch die Kommunen, die sterbende Einkaufsstraßen befürchten. Würden die Ladenmieten auch in Toplagen deutlich sinken, könnten sich auch kleinere Geschäfte mit Spezialsortiment wieder niederlassen. Dieser Trend in den Innenstädten steht ganz im Gegensatz zum Trend in den städtischen Randgebieten. Auf den Bereich Mehr- und Einfamlienhaus abseitz der Stadtzentren gibt es seit Krisenbeginn einen regelrechten Ansturm.

Kulturbetriebe und Gastronomie hätten wieder Chancen. Restaurants, Cafés oder Veranstaltungshäuser könnten die Qualität der Zentren und die Besucherzahlen steigern. Seit Wochen wird diskutiert. Beteiligt ist hieran einerseits der Deutsche Städtetag, den der HDE darin unterstützt, dass die Mieten in den Einkaufsstraßen sinken müssen. Andererseits sind es die Eigentümer und Immobilieninvestoren, die ungern Mieteinbußen und kleinere Renditen akzeptieren wollen und um den Wert ihrer Portfolios bangen.

Städtetag und HDE empfehlen, dass die Kommunen am Immobilienmarkt aktiv werden sollen. Angedacht werden Bodenfonds oder Innenstadtfonds, die mit hunderten Millionen Euro ausgestattet werden sollen. Städtetagspräsident Burkhard Jung erklärt, Bund und Länder sollten den Kommunen ermöglichen, Schlüsselimmobilien, etwa aufgegebene Kaufhausfilialen, zeitweise zu erwerben und diese neu zu entwickeln. Der HDE schreibt, in begründeten Einzelfällen sollten Kommunen die Möglichkeiten des Vorkaufsrechts nutzen. Ein Innenstadtfonds würde als Käufer dem Markt Immobilien entziehen, bevor ein Privatkunde kaufen kann. Die Städte könnten dann niedrigere Mieten für das Objekt festlegen. Eine gesunde Innenstadt brauche einen gesunden Branchenmix. Dies müsse aktiver gelenkt werden, sonst seien die Stadtzentren gefährdet.

Somit könnten die Kommunen den Markt entscheidend beeinflussen. Brancheninsider sagen jedoch, wenn einmal ein Abwärtstrend bei den Mieten ausgelöst sei, hätten es benachbarte Eigentümer schwer, hohe Mieten aufrechtzuerhalten. Noch weiß niemand, wie Bund und Länder auf diese Vorschläge reagieren werden. Bislang ist die Diskussion nicht dort angekommen. Besonders die Immobilienbranche, die dann mit Wertkorrekturen und Verlusten für Anleger und Eigentümer rechnen müsste, hat wenig Interesse und lehnt Ideen wie Boden- oder Innenstadtfonds ab. Der Markt selbst werde für ein Regulieren der Lage sorgen, heißt es von deren Verbänden. Gegebenenfalls müssten Eigentümer und Mieter neue Preise aushandeln. Dies hat aber schon bisher nicht zu einer größeren Attraktivität der deutschen Innenstädte geführt.

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Geschrieben von

Katja Schreuder

Als Philosophiestudentin bin ich nicht nur am Weltgeschehen und internationaler Politik interessiert, sondern auch an den philosophischen Konsequenzen

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