Es klingelt. Ich gehe zur Tür und öffne. Riech mal, sagst du und hältst mir eine Papiertüte vor die Nase. Ich rieche Rosinenbrötchen. Du lachst mich an, nebenbei streicht deine Hand durch mein Gesicht. Die ist so warm wie das Papier in meinen Fingern. Es klingelt. Ich erkenne Leinen. Ich erkenne mein Kissen. Ich taste mein Bett ab, fühle Decken und Stoffe, meine Hand kommt am Holzrand an, meine Füße erreichen das kühle Parkett. Es ist Sonntag. Ich hatte vergessen, den Wecker auszustellen. Du könntest spazieren gegangen sein. Ich gehe ins Badezimmer, begrüße halbherzig den Mann auf der anderen Seite. Ich gehe in die Küche und stelle das Radio an, es rauscht. Du drehst immer meine Sender weg, um einen Walzer zu finden, oder Foxtrott, oder Tango. Bei Tango wirst du völlig verrückt, ziehst mich von der Kaffeemaschine weg und tanzt über die Küchenfliesen. Ich hole Milch aus dem Kühlschrank. Seitdem ich dich kenne, trinke ich Milch an den Kaffee. Du trinkst Milch an den Kaffee. Seitdem ich dich kenne, gibt es Rosinenbrötchen zum Frühstück. Ich hole fünf und die Zeitung aus dem Briefkasten. Genau so eine Zeitung. Das Radio rauscht. Gegen genau so eine hast du sie geschleudert, mit deinem Löffel. Und keck gelacht. Eins, zwei, drei Rosinen. Das Radio rauscht. Vier, fünf, sechs. Wir haben uns nicht gestritten. Wir haben uns nicht gestritten. Wir haben uns nicht gestritten. Ich stelle das Radio aus. Du hast recht. Wir haben uns gestritten. Wir haben uns angeschrieen. Das Radio rauscht nicht mehr. Ich pule die Rosinen aus dem Brötchen, mag gar keine.
Katrin Merten, 24, lebt, studiert und schreibt in Leipzig Lyrik Kurzprosa.
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