Kommt da noch was?

Medientagebuch SWR und arte langweilen die Zuschauer neuerdings mit der Serie "Zeit der Helden", in der unzufriedene Mittvierziger banale Dinge tun – das alles angeblich in Echtzeit
Ausgabe 13/2013

Für das crossmediale Projekt Zeit der Helden, Herzstück des Programmschwerpunkts „40+ – Jetzt oder nie“, haben sich SWR und Arte ein seltsames Städtchen ausgeguckt. In diesem Weinheim ist es nämlich schon um 16.25 Uhr stockdunkel – glaubt man dem Video vom vergangenen Dienstag, das als einer von vielen Spots die Serie online und in „Echtzeit“ begleitet. Weinheims Bewohner wiederum sind auf dem Reißbrett entstanden: zwei Ehepaare Mitte 40, eins mit Kindern, eins ohne, alle unzufrieden mit dem Leben.

Seit 25. März gibt es täglich zwei Folgen, ebenfalls in „Echtzeit“, parallel auf beiden Sendern zu sehen; am Karfreitag dann das erlösende Finale. Auf der Website wird die Serie flankiert von „Momentaufnahmen“, die der angeblichen Spontaneität Hohn reden, sowie einem Rätselspiel, in dem die Zuschauer die verdrängten Traumata der Figuren aufspüren sollen. „Eure Aufgabe: Gebt den Helden ihre Erinnerungen zurück! Denn nur wer seine Geschichte kennt, kann auch seine Gegenwart meistern.“

Noch gruseliger als die verfrühte Verdunkelung und der Aufruf, in fremden Biografien zu grabbeln, ist die Geschichte als solche, weil die genauso arg um den Anschein der Scripted Reality buhlt. Gleich in der ersten Folge wird ein neidischer nachbarschaftlicher Blick auf die automatisch anspringende Außenbeleuchtung geworfen und bald losgekeift, weil der Skiurlaub in Gefahr ist. Selbst das Osterplätzchen-Backen birgt Unheil, da der Familienvater das Ausstechtalent der Ehefrau nicht zu würdigen weiß, sie stattdessen anlügt, ins Auto steigt, Rod Stewarts Sailing einlegt und heimlich einen Pool erwirbt. Ach, glücklich, wer solche Probleme hat! Nur: Muss er damit wirklich das Fernsehpublikum betrauen?

Während der fünf Folgen harkt die Mutter mit einer Gabel im Garten herum, um aus bunten Blümelein den Schriftzug „Ich liebe euch“ ins Grün zu sticken. Nach Porsche-Unfällen, Seitensprüngen, Fluchtversuchen und ähnlichen, so vorhersehbaren wie angeblich typischen Erfahrungen der Generation der um die 40-Jährigen finden sich schließlich alle mit sich selbst, ihrem Leben und den anderen ab und intonieren deshalb jeder für sich und doch gemeinsam einen schwermütigen Song. „I can believe in redemption“, schreien oder flüstern sie in die Nacht hinaus.

Selbstredend muss man es begrüßen, wenn sich das Fernsehen an intermedialen Formaten versucht. Zumindest im Vorfeld aber diente das Internet nicht dem Paratext von Zeit der Helden; die Serie wurde im Netz nicht auf andere Weise fort- oder gar umgeschrieben, sondern bloß beworben. Jeder Spot der „Timeline“ ein Cliffhanger, der eine Verschärfung der ach so brisanten Ereignisse – der Neue in der Firma ist ein Übereifriger, Papa hat die falsche Mütze gekauft – versprach und das Publikum zum Einschalten drängte.

Immerhin das hat die Serie mit den mittelalten Menschen gemein, von denen sie erzählt: Beide halten nur durch wegen des Versprechens, dass da noch irgendwas kommt. Aber es kommt nichts – außer der Hoffnung auf „redemption“. Das Programm unterscheidet sich überraschend wenig von vergleichbaren Produktionen auf Sat.1 oder RTL: Männer müssen wieder männlicher werden und Frauen – das war doch dieses Geschlecht, das nichts mehr begehrt als goldene Pumps, oder?

Katrin Schuster bloggt auf katrinschuster.de

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Geschrieben von

Katrin Schuster

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