Absturz vom Satire-Hügel

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Mathias Richling verlässt den Satire Gipfel, die ARD will das Format mit Dieter Nuhr retten. Lustig ist das nicht.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist Gastgeber-TV: Illner, Maischberger, Nebel, Will, Beckmann, Borg, Gottschalk, Kerner, Lanz, Pilawa, Schmidt, von Hirschhausen ... Ich werde erwartet. Irgendjemand glaubt, mir würde mein Rotwein auf meinem Sofa vor meinem von mir gebührenfinanzierten Endgerät in meinem Wohnzimmer nicht genügen. Und darum müsse ich von einem Fitness-Studio-Freund in ein Studio-Ambiente zu einer soziologischen Studie eingeladen werden, auf dass ich mich nicht so einsam fühle mit all dem Flachwasser unterm Kiel und einer Illustrierten auf dem Bauch. In der Werbepause werde ich daran erinnert, dass man Freunde am besten mit einem Küsschen empfängt, Toffifee den Familienfrieden zu wahren hilft und ein durchdrehender Joghurt Restzeit füllend zum Gesprächsthema in der Alters-WG taugt.

Mich belastet etwas ganz anderes: Ich bin gern allein. Ich mag keine Haselnüsse in Nusssnougatmantel, mit denen ein Lebensmittelchemiker sein Diplom gemacht hat. Mein Humor verträgt keine aufgezuckerten Schaumprodukte. Und ich verabscheue jedes Wir-Gefühl, wenn ich den Gastgeber nicht interessiere.

Mathias Richling war auch so einer, anfangs einer von dreien. Der ARD-Satire-Gipfel - eine schwindsüchtige Wunschvorstellung aus der Not heraus, weder Hildebrandt noch Schramm im Ärmel zu haben. Wer würde denn auch mit drei Generaldirektoren gleichzeitig Schach spielen? Eben. Und nichts anderes werden sie wohl getan haben in den Nächten vor der Sendung im Hotel vor der Minibar. Richling hat das als Letzter wahrhaben wollen und erst jetzt die Papiere verlangt. Die ARD könnte nun wagen, was auch dem ZDF nach Schramms Auszug aus der Anstalt gut im Programm gestanden hätte: neue Gesichter, neues Format, neuer Witz.

"Papi, sagt der Knabe, wenn Du mir fünf Euro gibst, verrate ich dir, was der Postbote jeden Morgen zur Mutti sagt. Fünf Euro?, denkt der Vater, gut, eh' der Junge Hartz IV beantragt ... Und gibt ihm das Geld. Pass auf, sagt der Sohn, es ist Folgendes: Guten Morgen, Frau von der Leyen, Ihre Post."

Was wollte ich sagen? Ach ja, die Satire und die Gastgeber. Als die Scheiben auf dem Gipfel noch beschlugen, verloren zuerst Rogler und Jonas die Orientierung. Richling, so ganz ohne Seilschaft, hat sich zwar die Nägel abgebrochen am realkabarettistischen Tagesgeschäft, dennoch kann man sagen, dass ihm der Abstieg halbwegs in Würde gelungen ist. Er neigt aber einfach nicht zum Gastgeber, genauso wenig wie Illner, Maischberger, Nebel, Will, Beckmann, Borg, Gottschalk, Kerner, Lanz, Pilawa, Schmidt, von Hirschhausen ... das letzte Aufgebot von Einzelkämpfern im Irrglauben einer Identifikation.

Nun droht auch der Berg zu schmelzen, und was macht die ARD? Sie zerrt Dieter Nuhr aus dem Basis-Camp Richtung Zipfel. Bleibt zu hoffen, dass die Sendung umbenannt wird in Comedy-Gipfel. Klare Ansage - deutliche Absage. Mit den Dauer-Ost-Gästen Pauls & Steimle wären auch Endloswiederholungen im MDR so gut wie sicher. Das hilft Gebühren und Niveau sparen und niemand könnte dem Sender vorwerfen, er würde Erwartungen nicht erfüllen.

Nichts gegen einen Gastgeber wie Nuhr, aber die Anreise ist einfach zu weit. Haben wir denn dafür 40Jahre hinter der Gardine gestanden, dass uns jetzt das Lachen in den Hals zurückgestopft wird? Gut, da gibt’s zwar was von Ratiopharm, doch irgendwann ist mal gut mit Soli. Humor entsteht im Hinterland der Macht, da bleibt es Selbstbefriedigung, im Vorfeld auf Attrappen zu schießen.

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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