Bundeskontrollzwang

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Es wird ja viel vom Untergang gesprochen in diesen Tage, meist dem der RMS Titanic vor genau 100 Jahren. Und eigentlich eher nie von dem der DDR vor nicht ganz genau 22 Jahren. Trotzdem taucht sie immer wieder auf, die DDR. Was sie von der Titanic unterscheidet.


Als Israel den Günter Grass zur unerwünschten Person erklärte, das war so ein Moment. Man muss ja das Einreiseverbot nicht mit einer „in Diktaturen üblichen Praxis“ gleichsetzen und die Begründung des Innenminister Eli Jischai mit dem Tonfall Erich Mielkes vergleichen, um angesichts des Bestrafungs-Reflexes unter Verdrängung von Meinungsfreiheit ein Déjà-vu zu empfinden. Vorausgesetzt man hat den Vergleich.

Oder jetzt am Wochenende: Durchaus demokratisch gewählte Parteien überraschen mit einem Entwurf, die Redefreiheit ihrer Abgeordneten im Bundestag einzuschränken. Künftig sollen nur diejenigen Parlamentarier das Wort erhalten, die von den Fraktionen dazu bestimmt wurden. Andere Abgeordnete dürfte der Bundestagspräsident dann nur noch ausnahmsweise und maximal drei Minuten lang reden lassen – und auch dies nur nach Rücksprache mit den Fraktionen. Wer das durchsetzt, kann nie wieder ein spöttisches Wort über die DDR-Volkskammer verlieren, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben.

Um umfassende Kontrolle geht es auch Kristina Schröder. Die Familienministerin will die Auszahlung des Betreuungsgeldes für Eltern an Vorsorgeuntersuchungen für jene Kinder knüpfen, die nicht in die Kita geschickt werden. Da die CSU zudem analog zur dreijährigen Elternzeit eine Großelternzeit ins Auge fasst, können Oma und Opa sich jetzt schon ausrechnen, wie sie künftig unter Beobachtung stehen.

Bedenkt man das steigende Alter Gebärender, gehen Großeltern straff auf die 80 zu, wenn sie sich der Enkel annehmen. Da gilt es nicht nur, die Fahrtauglichkeit zu überprüfen, auch ein morgendlicher Alzheimer-Test sollte Standard werden. Und ohne tägliches Lauftraining geht sowieso gar nichts mehr. Es hilft nämlich nichts, die Senioren mit dem Fahrrad ins Spaßbad zu schicken. Wenn sie Rot mit Grün verwechseln, hat Peter “Kampfradler-Jäger” Ramsauer sie sofort am Haken.

Wenn sie sich diesen Rentneralltag mit einem Piccolo versüßen oder zwei, steht wahrscheinlich das Jugendamt auf der Matte. Und ab der zweiten Zigarette, der Großeltern, kommen sie ins ins Heim, die Enkel. Wo kämen wir denn da hin …
Außerdem müsste mal wieder jemand in der Bundestagskantine die Tassen zählen.

(zuerst hier)

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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