Loriot & eine Herrenboutique in Landshut

10. Todestag Wie bei Loriot? Das sind immer die anderen. Schon deshalb bleibt seine Kunst unsterblich. Und Armin Laschet ist ja auch noch da.

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Es gibt Menschen, die könnten längere Dialoge mit Loriot-Zitaten bestreiten. Und es gibt Menschen, die es tun - allerdings ohne sich darüber im Klaren zu sein. Ein Klassiker unter den Meistern ist dieser Vicco von Bülow, der vor zehn Jahren starb, am 22. August 2011.

Passt er noch in eine Zeit, in der sich Humoristen Satiriker nennen? Zumindest ist er in aller Munde. „Das sieht sehr übersichtlich aus“ ist so ein Satz. Paul „Pussi“ Winkelmann sagt ihn angesichts eines spärlich belegten Tellers im Nobelrestaurant. So hört man es, seit „Ödipussi“ 1988 in die Kinos kam.

1991 folgte Loriots zweiter Spielfilm: „Pappa ante portas“. Hier ist Heinrich Lohse, soeben wegen Unfähigkeit pensioniert, von seiner eigenen Grandiosität so berauscht, dass er sein Versagen nicht einmal ahnen kann. Eine Ansage wie „Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein“ kennen Frauen heute als Auftakt zum Mansplaining.

"Ödipussi" hat uns den Westen erklärt

Loriot zu zitieren, ist oft Notwehr. In seinem verbalem Slapstick („Ich wohne hier.“ – „Aber doch nicht jetzt, um diese Zeit!“) folgt die Komik aus Logik. Und umgekehrt. Gegensätze prallen voneinander ab: Mann und Frau, Erwartung und Realität, Behauptung und Scheitern, Schein und Doppelmoral, aschgrau und mattgrün. "Eine frische Farbe ist wie ein neuer Anfang."

Werden Loriots gezeichnete oder gespielte Szenen heute als betulich bezeichnet oder verstaubt, liegt es oft daran, dass die Kraft fehlt oder die Zeit oder beides, sein Timing auszuhalten. Oder in der Hoffnung, die Typen hätten sich überlebt. Denn das haben sie nicht. Und weil aus genutztem Anlass in diesen Tagen vom Spiegel zu hören ist, den Loriot der Nation vorgehalten habe, muss präzisiert werden: dem Westen. Als „Ödipussi“ zeitgleich in den DDR-Kinos anlief, haben wir aus diesem Film mehr über die Brüder und Schwestern gelernt als durch alle Warnungen im Staatsbürgerkunde-Unterricht.

„Wie bei Loriot!“ freuen sich Alltags-Voyeure immer dann, wenn sie andere beim Missverstehen erwischen. Oder beim Spießersein – nicht dem gartenverzwergten, sondern jenem verbrämten in verschleiernder Kommunikation. Wie bei Loriot – das sind immer die anderen. Natürlich nicht so präzise und ausgeklügelt, nicht so schlau abgelauscht, sondern dann doch nur als Vorlage.

Bullshit? Genau!

Wenn Armin Laschet (CDU) im Gespräch mit Focus-Online „sehr schnell ein Planungsgesetz“ braucht, „was Paragraphen wegnimmt“, blitzt aus diesen Worten Loriots „Bundestagsrede“, die wortreich zu nichts führt: „Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fragen des Umweltschutzes, und ich bleibe dabei, wo kämen wir sonst hin, wo bliebe unsere Glaubwürdigkeit? Eins steht doch fest, und darüber gibt es keine Zweifel. Wer das vergisst, hat den Auftrag des Wählers nicht verstanden.“ (1974)

Eine Spielart davon ist die Business-Bullshit-Sprache des mittleren Managements mit ihrem Imponiervokabular, wonach in der Komfortzone gut aufgestellt ist, wer Flexibilität im Kerngeschäft von Teams lösen lässt. Weil Loriot das Alberne ernstgenommen hat, treffen seine Diagnosen noch immer zu. Indem er Meinung zurückhielt und stattdessen Verhalten beobachtet, analysiert, pointiert hat, wurde er zum Übersetzer von geistig-moralischer Rückständigkeit, Unverständnis oder Wut in etwas Vertrautes. So hat er zugespitzt, um zu entschärfen. Im Comedy-Gewerbe überwiegt Verschärfung, die abstumpft.

Noch immer ist Lachen eine Art, „Genau!“ zu rufen. Am Samstag hat Armin Laschet beim Wahlkampfauftakt im Grunde erklärt, dass er nach seinem Wahlsieg mit der GSG 9 eine Herrenboutique in Landshut eröffnet. Fast wie bei Loriot.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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