Vulkanasche-Trittbrettfahrerei

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Ulrich Haag hielt im Wort zum Sonntag eine am 24.4. eine Predigt zum Vulkanausbruch auf Island. Der Text kann unter Das Erste nachgelesen werden. Er beginnt mit den Worten

Der Tag brach an, da hörte das Volk Israel ein Donnern. Vom Berg, an dessen Fuß das Lager stand, stieg eine riesige Wolke auf wie aus einem Schmelzofen. Die Erde unter ihren Füßen bebte, die Luft dröhnte wie von einer riesigen Posaune. Das Volk erschrak, nur Mose wandte sein Gesicht gegen den Berg und schrie. Da antwortete Gott vom Berg her und sprach diese Worte: "Ich bin Gott, keiner sonst. Mach dir kein Bild von mir. Halte den Sabbat. Ehre Vater und Mutter. Töte nicht, brich die Ehe nicht, lüg nicht, stiehl nicht, sei nicht gierig nach dem, was der andere hat."

Ein Berg bebt. Und die Menschen zittern. Sie sehen Gott am Werk. Gott, der uns vor Augen führt, wie klein wir sind. Dass wir nur ein Teil der Schöpfung sind. Nicht Herrscher. Und schon gar nicht die Schöpfer selbst.

Welch katastrophistische Trittbrettfahrerei!

Welch ein trauriger Text!

Er beginnt mit einer bronzezeitlichen Beschreibung eines Vulkanausbruchs, sehr beeindruckend, sehr ergreifend, wie "das Volk" fassungslos vor dem Unverständlichen steht und sich seinen Reim macht. Zeitgemäß mystisch-religiös — und ahnungslos: Gott spricht! Das "Volk Israel" kann nicht akzeptieren, dass etwas geschieht, zumal etwas Schrecklich-Großartiges, ohne dass dies eine Botschaft enthält: jemand muss zu uns sprechen; wozu sonst das ganze Gedonnere und Gerauche? Schließlich sind wir doch die "Krone der Schöpfung"! Der Berg ruft! Uns! Auch die Sterne kreisen für uns!

Dann wird's nahtlos aufs Heute übertragen, dazu die vorgeschoben erscheinende Frage: Ist wirklich Gott am Werk? Es folgt wohlfeile Kritik der Zeitläufte, ein Einheitsbrei: "Wir [wir? wer? wo?] machen zuviel kaputt, plündern die Meere usw. usw. usw. ad nauseam!

Die ausgebreitete Erkenntnis? Wir sind abhängig von der Natur! Wir sind nicht autonom. Ach je! Wussten alle das nicht schon immer? Banaler geht's wohl kaum.

Auch Herrn Haag scheint alles Botschaft zu sein, auch Herr Haag hört, so kann man annehmen, Stimmen im Grollen des Vulkans und sieht Gesichte in den Wolken. Akoasma!

Herr Haag möchte gerne die Hybris der Moderne kritisieren. Dabei unterläuft ihm aber selber ein Akt von homozentristischem Größenwahn, indem er unterstellt, dass die Magma unter Island, die Konvektionsströme im Erdinnern Botschaften an uns enthalten könnten.

Herr Haag: Welche Hybris!

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Enthält der Vulkanausbruch denn nun überhaupt keine Botschaft?

Aber sicher gibt es hier eine spannende Botschaft! Der Vulkan schreibt und erzählt ein kleines Stück einer faszinierenden, grandiosen Geschichte, der Geschichte unseres Planeten. Er erzählt sie nicht für uns, er richtet sich nicht an uns. Seitdem wir aber aufgegeben haben, in jeder Naturäußerung einfach nur einen Gott am Werk zu sehen, können wir die Botschaft sogar lesen und teilweise verstehen.

Die große Erzählung von der Geschichte unseres Planeten liefert viele Informationen und Einsichten, nicht zuletzt das Wissen um die Voraussetzungen und Prekarität des Lebens.

Nicht Herr Haags Argumentation, es ist die Wissenschaft als Tochter der Aufklärung, die Bescheidenheit und Vorsicht lehrt und Achtung vor der Kostbarkeit des Lebens.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus.Fueller

… wird noch nachgereicht

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