Guten Talk

Netzgespräch Man kann dem TV-Talk nicht mit Mitteln des TV-Talks beikommen. Ein Netzgespräch mit Frank Rieger, Fefe und Frank Schirrmacher zeigte, dass man anders diskutieren kann

Bei den Münchner Medientagen fand ein Talk über die Fernsehtalkshow statt. Mit, unter anderem, Claus Strunz, Michael Spreng und Sabine Christiansen. Es wurde, nach allem, was man so liest, das "Sprechautomatenwesen" beklagt, jemand forderte wohl eine "größere Unterscheidbarkeit" der einzelnen Formate, noch jemand bemängelte, in den Talkshows mangele es allgemein an Erkenntnisgewinn, es werde zu viel geredet und zu wenig gesprochen. Es gab Verweise darauf, dass die Inflation der Sendungen die Lage für die einzelne Sendung natürlich nicht einfacher gemacht habe. Usw. Alles in allem also wohl eine ziemlich sinnlose Runde, die ungefähr den Erkenntnisgewinn einer Fernsehtalkshow bescherte. Mit den Mitteln des TV-Talks versuchte man, dem TV-Talk beizukommen.

Dass es anders geht, zeigte derweil: ein Podcast. Frank Rieger, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs, und der Blogger Fefe, die unter dem Podcast-Titel Alternativlos unregelmäßig über Themen diskutieren, die, grob gesagt, oft mit dem Netz zu tun haben, genau genommen "über Politik, Technik, Verschwörungstheorien und was uns sonst noch so in den Sinn kommt", hatten FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher eingeladen (für dessen Zeitung Rieger auch als Autor tätig ist). Zwei Stunden und zwölf Minuten lang (Audio / Transskript), ohne Formatvorgaben, sprachen sie über den "politischen Diskurs".

In der Anlage

Man sollte, wenn man auf so etwas allergisch ist, über die Lobhudelei auf die FAZ hinweghören, die sich an einigen Stellen findet. Und vielleicht auch über ein paar angedeutete Verklärungen der Vergangenheit des politischen Diskurses zum Idyll (die dann allerdings prompt als solche bezeichnet wurden). Man sollte beim Nachhören auch nicht darauf warten, dass Rieger und Fefe eine einzige kritische Frage an Schirrmacher stellen, wie etwa hier recht deutlich kritisiert wird.

Man sollte zudem nicht verschweigen, dass in zwei Stunden zwangsläufig auch manchmal herumgeeiert wird; dass auch, wie Michael Seemann kritisiert, in der Tat einiges an "Brachialpopulismus" im Spiel war. Guter Punkt auch der: Schirrmachers "beobachtung, dass die gesellschaft in ihrem kern, nämlich der leistungsideologie getroffen ist, teile ich voll und ganz. anstatt aber diese bürgerliche ideologie radikal in frage zu stellen, wird sie erneut benutzt, um echauffierungspotential, diesmal gegen ihre vorherigen prediger zu wenden, indem man zum beispiel jetzt vorrechnet wie viele lehrer von einem bankmanagergehalt leben könnten."

Aber wenn man als Maßstab der Kritik das Format der gegenwärtigen Fernsehtalkshow anlegt, kann man so weit gehen, zu sagen: Es wurde zum Ereignis. Wesentlich dafür war die Anlage des Gesprächs: Drei Menschen, die nicht stur auf Talkshow-Antagonismus gepolt sind, unterhielten sich über etwas, was sie wirklich beschäftigt, ohne größere Rollenspiele. Etwa mediale Mechanismen. Diskussionsgeklingel und wie es zustande kommt. Politische Rhetorik im Bundestag. Wehner, Brandt, Obama und die Handtuchhaftigkeit des Bundespräsidenten. Und darüber, was das gegenwärtige Format der Fernsehtalkshow zum politischem Diskurs beiträgt. Und das ist in der Tat: praktisch nichts.

Das war zum Teil sehr erhellend.

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