Regel eins: Nicht mit Mord drohen

Alltagskommentar Soldaten haben den Schauspieler Wilson Gonzalez Ochsenknecht nach seinem Mitwirken in einer Kriegskomödie im Internet mit dem Tod bedroht. Brauchen auch sie einen Kodex?

Bis vor einigen Jahren dachte man, wenn jemand die alte Regel „Man schreibt, wie man’s spricht“ erwähnte, sofort an Rechtschreibung. „Papa, wie schreibt man Apfel?“ – „Wie man’s spricht.“ Also Apfl.

Mittlerweile beschreibt der Satz auch ein Verhalten: Im Internet, hier und da natürlich nur, schreibt man, wie man spricht. So schnell, wie man mal völligen Rotz ausgesprochen hat – was allerdings tendenziell folgenlos bleibt, wenn man es im Kreise der Peer Group tut –, so schnell schreibt man den Rotz im emotionalisierten oder alkoholisierten Zustand bei Facebook auf, zumal dann, wenn die Peer-Group das dort auch tut. Mit dem Unterschied, dass dann nicht nur sie anteilnehmen kann.

Nachdem kürzlich der Schauspieler Wilson Gonzalez Ochsenknecht in der Pro-Sieben-Komödie Willkommen im Krieg mitgewirkt hatte, der von Soldaten, aufblasbaren Puppen und Bier im Kühlschrank handelt, soll er nicht nur die verdienten schlechten Zuschauerkritiken, sondern auch Morddrohungen wie „Ich bring dich um, du Tunte“ oder eine Todesanzeige mit seinem Namen erhalten haben. Auf der Pro-Sieben-Seite finden sich bis heute Kommentare wie „Ochsenknecht Hurensohn“, auch von gekränkten Soldaten. Man schreibt, wie man spricht.

Das ist einerseits, mit den großen Netz-Apologeten gesprochen, das Schöne des Social Web: die nicht übertünchte Darstellung des Chaos und der Idiotie in der Welt. Andererseits schaukelt sich Idiotie ja auf: Idioten bringen Idioten hervor. Und mit Ausnahme der Piratenpartei argumentiert bislang kaum eine Einrichtung oder ein Unternehmen damit, dass es Idioten nun einmal überall gebe, also auch in ihr. Die Regel ist eher, dass um Zurückhaltung gebeten wird.

Fußballklubs etwa schicken ihre Profis ins Social-Media-Training, wo sie lernen sollen, wie man Fans zufrieden stellt, dabei aber möglichst nichts sagt. Journalisten werden angehalten, bei Facebook nicht über prominente Kollegen herzuziehen. Und auch im Verteidigungsministerium werde nun mal wieder über den Umgang mit sozialen Netzwerken diskutiert, ist zu lesen. „Wir brauchen Regeln, um zu verhindern, dass es durch soziale Netzwerke zu Sicherheitsrisiken oder einer Imageschädigung der Bundeswehr kommt“, forderte prompt ein Unionspolitiker.

Was in diesem Fall allerdings doch die Frage aufwirft, wie ein solcher Regelkodex aussehen könnte. Vielleicht so? Regel 1: „Bundeswehrangehörige dürfen bei Facebook keine Morddrohungen aussprechen.“ Wird wirklich Zeit, dass das mal jemand in eine schriftliche Form bringt.

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