Udo Jürgens: "Die Welt ist eine Google"

Netzgeschichten Früher klang die digitale Welt kühl und elektronisch. Heute widmen sich Udo Jürgens, ein klassischer Chor und Bands wie Attwenger dem Netz – mit Maultrommel und Klavier

Wenn man das Internet vertonen wollte, wie klänge es? Es ist schon viele Jahre her, dass sich erstmals Musiker die Frage gestellt haben, und in der Regel klang das Internet bei ihnen dann wie ein Science-Fiction-Film-Soundtrack. Die ziemlich fade Track-Sammlung Wireless Internet von Arpanet etwa, die so vielsagend betitelte Stücke wie "Devoid of Wires" oder "P2101V" enthielt, klang noch 2002 wie ein frühes, etwas stupides Computerspiel: Blubber, raschel, zoing.

Die deutsche Band Kraftwerk, 1970 gegründet, als gerade die ersten Computer miteinander vernetzt wurden, verlegte einen rein elektronisch ge­webten Klangteppich (hier "Computer Love"). Und wann immer man ihn ausrollte, war auch eine Verheißung oder eine Bedrohung zu hören. Die digitale Kultur war ein Zukunftsprojekt.

Jetzt aber ist sie Gegenwart – und die klingt ziemlich vielseitig. Gerade ist wieder mal eine Reihe neuer Songs entstanden, die vom Internet handeln. Und die zeichnen sich nicht mehr durch einen bestimmten Sound aus, sondern man kann eher davon sprechen, dass heute verschiedene Positionen zur Digitalisierung vertont werden.

Udo Jürgens etwa, der große Mann des Schlagerbusiness, der selbst Digital Natives ein Begriff ist, weil er den Titelsong von Tom und Jerry intonierte, singt gerade, im Alter von 76 Jahren, eine Google-Kritik. Früher spielte er auf einem gläsernen Flügel, jetzt singt er im Lied "Du bist durchschaut" warnend: "Die Welt ist eine Google / Da bleibt gar nichts mehr geheim". Und weiter: "Im Netz, da lauern Hacker, Auf den Straßen Kameras / Man sieht in uns rein – als wär’n wir aus Glas". Die Google-Street-View-Überwachungsangst klingt also wie ein Schlager von Udo Jürgens.

Ein Chor aus Australien hat derweil das Erstaunen vertont, das Heimat- und Sachkundelehrer packt, wenn sie Facebook entdecken: Der Chor singt eine eigene klassische Komposition, und der Text besteht komplett aus Status-Updates und Facebook-Nachrichten. "Toy Story 3 equals awesome!" heißt das Stück, das gerade durch soziale Netzwerke getrieben wird.

Und das österreichische Duo Attwenger, das volksmusikalisch tätig ist, was nicht im Sinn von Florian Silbereisen zu verstehen ist, hat das Lied über die digitale Normalisierung geschrieben – "Internet ged". So klingt es, wenn Online und Offline nicht mehr als zwei Welten, sondern als verschmolzen, als untrennbar betrachtet werden: "Ich muss a mal schaun, ob des Internet ged / Ob's ged oder ned, wenn's net ged, is bled". Dazu dengelt eine Maultrommel.

Erwähnenswert darüber hinaus wäre, dass der legitime Wunsch, öfter mal nicht erreichbar zu sein, ebenfalls seine Vertonungen gefunden hat. Positives Beispiel: "Besetzt, besetzt, besetzt" von Kamerakinos Platte Munich Me Mata.

Und für alle Freunde eingeschlafener Füße, ohne nennenswerte Idee, dafür mit Video: "Scheiß auf Facebook" von Cris Cosmo.

Am Rande wäre zu bemerken, dass der Satz "Die Welt ist eine Google" eine Geschichte hat: In einem sagte Jürgens kürzlich: "Ich habe mich mit dem Liedermacher Wolfgang Hofer hingesetzt und gesagt: 'Lass uns was Zeitgemäßes finden!' Ihm ist die Zeile eingefallen: Die Welt ist eine Google." Feststeht allerdings, dass der Satz schon 2004 war und 2005 auch einer breiteren Öffentlichkeit wurde. Wie so viele neue Ideen erweist sich dank der Googlebarkeit einer Wortkombination auch diese als eine, die schon einmal jemand benutzt hat.Interviewin Gebrauchzugetragen

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