Plädoyer für eine Wahlerlaubnis

Landtagswahlen Die Erfolge der AfD werden als Ergebnis einer "Denkzettelwahl" interpretiert. Doch wofür die Denkzettel verteilt wurden, kann keiner sagen, am wenigsten die AfD-Wähler.

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Unisono wird bekundet: das Gute an den letzten Landtagswahlen sei immerhin die Mobilisierung der Nichtwähler. Das war so etwas wie der saure Hering nach dem Kater. Was keiner sagen wollte: die über lange Jahre niedrige Wahlbeteiligung hat doch die reale Situation im Lande viel besser wiedergegeben! Es gab etwa zwei Drittel, die sich für eine Politikrichtung entschieden, und ein gutes Drittel, das politisch uninteressiert ist, und deshalb nicht zur Wahl ging. Die Mär von den Protest-Nichtwählern hielt sich zwar eisern, war aber dennoch nur eine Mär. Nun wird behauptet, Nichtwähler wurden aktiviert, weil man ihnen eine Alternative zur Wahl anbot. Mir stellt sich das viel simpler dar. Man hat an den Stammtischen der Republik (die wahlweise auch in Form von Kaffeekränzchen, Friseurbesuchen, Kantinenpausen oder Familienfeiern stattfinden) heiß debattiert, fühlte sich plötzlich integriert – da waren ja so viele, die auch keine Ahnung haben, was sie aber nicht abhält, ihre Bedenken zu äußern und der gemeinsame Wunsch, denen da eine Abfuhr zu erteilen, wofür auch immer. Man verließ die Runde in der gemeinsamen Absicht, diesmal seiner Stimme Ausdruck zu verleihen, wofür auch immer. Denen zeigen wir’s!

Will jemand ernsthaft behaupten, die nun aktivierten Nichtwähler hätten das Wahlprogramm irgendeiner Partei gelesen? Also wozu der Stolz auf die hohe Wahlbeteiligung? Haben wir plötzlich mehr mündige Bürger? Gibt es ein Interesse an sachlichen oder gar logischen Argumenten? Mitnichten.

Da outet sich bei „hart aber fair“ eine ehemalige Grünen-Wählerin und bekennt, dass sie diesmal AfD gewählt hat. Alle Gäste bekunden ihren Respekt davor, dass diese Frau sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Was sie für Blödsinn erzählt, traut sich natürlich keiner zu sagen. Dass sie die Regeln der Demokratie nicht verstanden hat, wenn sie erwartet, die Regierung müsse den Kurs ändern, weil eine Minderheit sie damit beauftragt. Nein, das sagt keiner, denn logische Argumentation ist gefährlich geworden in unseren Tagen - das klingt professoral, volksfern. Kein Deutscher hat bisher durch die Flüchtlinge irgendeinen persönlichen Nachteil in Kauf nehmen müssen. 6 Milliarden EURO sollen an die Türkei gehen – das sind 12 EURO je EU-Bürger. Will da jemand ernsthaft von einem Opfer reden? Aber das sind unerwünschte Argumente, die an den Ängsten und Sorgen der Menschen vorbei gehen. Und weil diese Sorgen irrational sind, muss man ihnen halt auch irrational begegnen und sie nicht mit Logik beleidigen.

Angesichts dieser Misere möchte man Schiller rechtgeben: «Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen. Der Staat muss untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.»

Wählen heißt, Verantwortung für das Land, für die Gesellschaft übernehmen. Voraussetzung dafür ist Wissen. Wer an der Aneignung dieses Wissens nicht interessiert ist und trotzdem wählt, handelt verantwortungslos. Von daher halte ich eine immer wieder zum Thema erhobene Wahlpflicht für völlig abwegig und plädiere im Gegenteil für eine Wahlerlaubnis: Wer zur Wahl gehen möchte, muss nachweisen, dass er sich mit den politischen Zielen der Parteien und ihrem bisherigen Wirken vertraut gemacht hat.

Aber eine solche Erlaubnis wird es natürlich nicht geben. Trösten wir uns also damit, dass der Spuk bald wieder zu Ende sein wird. Albert Einstein macht uns dabei Hoffnung:

Die Majorität der Dummen ist unüberwindbar und für alle Zeiten gesichert. Der Schrecken ihrer Tyrannei ist indessen gemildert durch Mangel an Konsequenz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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