Ochs vorm Berg

Interview Interview mit Klaus von Dohnanyi

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Neulich also schaltet meinereins das unmodische Fernempfangsgerät an und sieht ein altbekanntes Gesicht auf der Röhre.

Klaus von Dohnanyi. Ich denke: "Alte sagen ja manchmal Sinnvolles, selbst wenn sie etablierte Politiker sind", und belasse es bei dem Sender.

Zunächst, wie zu erwarten übliche Begriffsverdrehung. Der Mann beschreibt sich und Merkel als "pragmatisch". Es wäre eben zuviel des Schneids, von "opportunistisch" oder "eilfertig" zu reden. Geschenkt sei es.

Doch dann dringt Unerwartetes an mein Ohr.

Dohnanyi sagt: "Die Zeiten werden sehr stürmisch werden".

Er weiß davon!

Nie wäre es anzunehmen gewesen!

So stoisch wie sein Kollegium und gute Freundin Angela soziale und vor allem ökologische Eskalation vor sich herschieben, um ihrem gebietenden Großkapital die Creme auf dem Bottich in ungeschmälerter Form zu sichern ...

Und doch: Er weiß von der Wand, an die wir fahren.

Also: Wird ihn die Altersweisheit, wie einst Altkanzler Schmidt zu Teilen Einsichtig machen?

Wird er fordern, daß der Plutokratie ein Riegel vorgeschoben werden muß, bevor nichts mehr zu retten ist? Daß sich dringendst weltweit darauf verständigt werden sollte, den Lebensraum vor der Vernichtung zu bewahren?

Zu früh gehofft. Er sagt: "Deutschland und Frankreich müssen die Dinge in die Hand nehmen, müssen Europa führen. Es hat noch nie eine Einigung eines großen Raumes gegeben ohne einen Hegemonialpartner."

Aha, nicht Demokratisierung, sondern umgekehrt, Hegemonie schwebt ihm als Lösung vor. Er möchte gern den Kaiser zurück. -Dem ein König beistehen darf. Denn Hoffnungsträger für ein starkes Europa seien Angela Merkel und Emmanuel Macron.

Und Kitt, der Oligarchie, Schattenwelt, Mafia, Korruption, und zahlende Lemminge zusammenhält und als "Stabilität" bezeichnet wird, darf natürlich nicht fehlen.

"Wir müssen sehen, ob unserer Form zu wählen, unsere Form Regierungen zu bilden noch stabil genug sind für diese stürmischen Zeiten, die vor uns liegen, und die Zeiten werden sehr stürmisch werden, sehr stürmisch."

Ach so: Nicht, daß man ausartendes soziales Ungleichgewicht und irrationale Umweltpolitik ins Auge zu fassen hätte, und zur Vorbereitung direkter Demokratie Bildungs- und Informationssystem reformieren muß.

Im Gegenteil, asoziale und kopflose Zustände müssen verfestigt und Wahl- und Regierungssystem noch indirekter und autokratischer werden.

Wo käme man schließlich hin, wenn Milliardärstum und wirtschaftlicher Wasserkopf aufhörte, Menschen ihr verdientes Einkommen und der Umwelt ein Erhalt gesichert würde.

Solch subversivem Unfug an Utopie muß mit Stabilität begegnet werden.

Und selbst, wenn man Egalität und soziale Gerechtigkeit für Sinnvoll hielte, sie ist ja nicht zu machen. Denn wachsende Ungleichheit und gerechtere Verteilung seien "sehr schwer zu organisieren".

Damit hätte er recht. Es bräuchte ganze Kongresse progressiver Wirtschaftswissenschaftler, um ökonomische Werte zu relativieren und in kongruente Rangfolge zu bringen.

Doch es wäre kein abgerichteter Dienstbote im Interview, wenn er solche Gegenständlichkeit im Sinne hätte.

Was Herr Dohnanyi damit meint, ist, daß weder Herrschaft des Großkapitals, noch dessen stille Zuwendungen zu verhandeln sind. Womit er auf seine Weise plausibel ist. Denn kein Schwanz wedelt mit dem Hund.

Nicht zuletzt wäre alles andere Versprechung und populistisch, denn der Parameter der Ausbeutung bleibt Tabu. Schließlich steht dies, ob geschrieben oder nicht, in allen etablierten Parteiprogrammen.

Und so überrascht es ebensowenig, daß ein von daher 'realistischer' SPD-Mann vor einer linken Sammlungsbewegung warnt. Denn so ein linker Eintopf kann den Rapport bei Herrschern der Gesellschaft nur galliger machen.

Nichts Neues aus Hamburg also. Und im sozialdemokratischen Sinn der Linientreue ist wohl festzustellen, daß der Klaus fitter geblieben ist, als später Helmut mit der Schiffermütze.

Mehr noch weist Dohnanyi die Rüstigkeit einer Avantgarde auf.

Erst wenn seine Partei "pragmatisch" genug sei, um zu verstehen, daß man Senkung der Unternehmensteuer in den USA mit einer selben in der EU zu beantworten habe, also sozialer Schieflage noch weiteres Gefälle angedeihen läßt, könne: "man auch anfangen wieder richtig mit der SPD zu segeln."

Es erscheint mir zweifelhaft, ob sein Vater von einem solchen Verrat am immerhin theoretisch gegebenen Ideal der Sozialdemokratie angetan wäre.

Defintiv ist lediglich, daß dieser Zeitraum vor dem Fernseher eine komplette Verschwendung war, wo in dekadenter Endphase des Plutokratischen nicht einmal mehr alte Männer vom Hauch einer Weisheit beschlagen sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Knossos

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