Durch die Demokraten inmitten der Vorwahlstimmung geht ein Ruck. Wer und was bleibt für den erwarteten schwierigen Wahlkampf gegen Donald Trump, jetzt, da die Vorbereitungen zum Amtsenthebungsverfahren laufen und die Konfrontation mit dem Weißen Haus hitziger wird? Die vermeintlichen Top-Kandidaten Bernie Sanders und Joe Biden haben aus unterschiedlichen Gründen erhebliche Probleme. Man sorgt sich um Bernies Gesundheit, der ein Wahlmeeting abbrechen musste, während der Ex-Vizepräsident durch die Ukraine-Affäre wohl Schaden nimmt – ob er sich nun etwas zuschulden kommen ließ oder nicht.
Die demokratische Kandidatin gegen Donald Trump könnte unter diesen Umständen Elizabeth Warren heißen, 70 Jahre alt, geboren in Oklahoma, seit 2013 Senatorin, Professorin für Wirtschaftsrecht mit Plänen für eine Steuerreform, für höhere Renten, Klimaschutz und Arbeiterrechte. Allen Umfragen zufolge liegen die übrigen demokratischen Anwärter deutlich zurück. Warren wird dem linken Parteiflügel zugerechnet. Mit Revolution und demokratischem Sozialismus hat sie indes nichts am Hut. Ihr schwebt ein Kapitalismus vor, der für alle funktioniert. Manche Monopole will sie auflösen, außerdem eine Reichensteuer für Amerikaner einführen, die auf ein Vermögen von mehr als 50 Millionen Dollar zurückgreifen können.
Kommentatoren hatten lange spekuliert: Spitzenanwärter bei den Demokraten seien Biden und der linke Kämpfer Sanders. Personalien, die zeigen, wie breit der Graben ist in der Partei, gibt es derart heterogene Aspiranten. Sollte Biden kandidieren, dann mit Hilfe des sogenannten Establishments und vieler Wähler, die ihn schätzen wegen seiner Loyalität zu Barack Obama acht Jahre lang. Gegen Donald Trump sollte er punkten als leutseliger Politiker der Normalität, der es versteht, mit der weißen Arbeiterschicht umzugehen, desgleichen mit afroamerikanischen Wählern und eben auch mit Geldgebern. Ein Demokrat der vermeintlich guten alten Zeit, nach der sich mancher sehnt. Bernie Sanders dagegen könne ankommen gegen Trump, weil er selbst bei seiner Niederlage gegen Hillary Clinton im Jahr 2016 Millionen begeistert hat. Und weil er wie Trump rhetorisch auftrumpfen kann und den Laden auf den Kopf stellen will. Sanders’ Fans sind überzeugt, seine „Revolution“ mobilisiere eine Bewegung von unten, ohne die es keine Veränderungen geben werde.
Trump scheint sie zu fürchten
Aber jetzt? Der 78-jährige Sanders lag Anfang Oktober im Krankenhaus. Zunächst sprach seine Kampagne von einer Arterienblockade und zwei Stents, die gesetzt werden mussten. Drei Tage später hieß es im Ärztebulletin, Sanders habe einen Infarkt erlitten. Gesundheit ist Privatsache, aber der Mann will Präsident der Vereinigten Staaten werden. Sollte er triumphieren am 3. November 2020, wäre er der älteste neu gewählte Präsident des Landes.
Ronald Reagan, damals 73, wollte 1984 bei seiner Wahlkampagne das Thema Alter mit dem Scherz zur Seite räumen, er werde die Unerfahrenheit seines jüngeren Rivalen Walter Mondale von den Demokraten nicht kritisieren. Scherze sind nicht Sanders’ Sache, und permanent positive Kampagnenaussagen bewirken in Sachen Transparenz nicht viel. Ehefrau und Beraterin Jane Sanders behauptete laut CNN drei Tage nach dem Herzanfall, Bernie „habe in den letzten paar Tagen eine gute Zeit gehabt“, mit Freunden und Angehörigen gesprochen. Er werde an den nächsten Fernsehdebatten teilnehmen.
Joe Biden, der im November seinen 77. Geburtstag feiert, ist auch nicht mehr der Jüngste, trotz strahlend weißer Zähne, und hat Probleme anderer Art: Er treibt im Ukraine-Sog. Biden habe als Obamas Vizepräsident versucht, in der Ukraine Ermittlungen gegen eine Energiefirma zu behindern, bei der sein Sohn Hunter verdient habe, behaupten Trumps Gefolgsleute. Nachweise werden nicht vorgelegt. Doch selbst wenn es sich nicht um illegale Aktivitäten handelt: Es sieht nach Vetternwirtschaft aus. Biden senior war trotz seiner Volksnähe stets einer, der gute Beziehungen hatte zu den in seinem Heimatstaat Delaware ansässigen Finanzfirmen.
Im dritten Quartal 2019 nun hat er deutlich weniger Spenden erhalten als Sanders und Warren. Was Trump darin bestärkt haben dürfte, sich seit geraumer Zeit auf eine Gegenspielerin einzuschießen. Er spricht gern über die Senatorin als „Pocahantas“, um über deren Mutmaßung zu spotten, in ihrem Familienstammbaum gebe es wohl auch indianische Amerikaner. Warren geht Trump offenbar unter die Haut. Sie war es, die als eine der ersten demokratischen Präsidentschaftsbewerber ein Impeachment-Verfahren verlangte.
Nichtangriffspakt mit Sanders
Bisher bestand zwischen Sanders und Warren eine Art Nichtangriffspakt. Die beiden stehen sich näher als der Rest der Anwärter. Ein Essay der Autorin Hadas Thier im sozialistischen Magazin Jacobin legte allerdings Wert auf die Feststellung, dass die Differenzen beträchtlich seien. Sanders fordere soziale Bewegungen auf, die Zustände umzukrempeln, Warren tue das nicht – trotz ihrer progressiven Ideen. Thier: „Wenn wir ernsthaft die Welt verändern wollen, ist dieser Unterschied von Bedeutung.“
Läuft die Präsidentschaftskampagne gegen Trump erst einmal, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Warrens Distanzierung von einer politischen Revolution mehr Menschen zusammenbringt als Sanders’ Radikalität. Den Kapitalismus reparieren, das dürfte vielen US-Amerikanern näherliegen. Und wer gewinnen will, muss potenzielle Wähler überzeugen, dass er oder sie deren Interessen vertritt.
Mittlerweile dreht sich das Impeachment-Karussell immer schneller. Angeblich wollen zusätzliche Whistleblower aussagen. Ob es wirklich dazu kommt und wie und ob der Ausgang des Verfahrens akzeptiert wird, weiß wirklich niemand. Trump spricht von einem Coup d‘État gegen seine Präsidentschaft. Seine Leute halten noch zu ihm. Er kann nichts zugeben aus der Sorge heraus, das Kartenhaus der Lügen würde einstürzen.
Kommentare 1
Die Demokraten werden sich selbst zerlegen – so wie sie es 2016 schon getan haben. Schröder-Effekt auf US-amerikanisch: Hillary Clinton hat sich aus dem Off gemeldet und eine aussichtsreiche Kandidatin im Mittelfeld, Tulsi Gabbard, beschuldigt, ein U-Boot der Russen zu sein. Vom Stil der innerparteilichen Auseinandersetzung abgesehen, welche an die Methoden des aktuellen republikanischen Gegners erinnert, geht Clinton damit massiv eine Kandidatin des progressiven Flügels an. Nicht nur das: Gabbard gehört zu jenen Kandidat(inn)en auf dem linken Parteiflügel, die Ausstrahlkraft speziell hinein in die Arbeiterschaft sowie potenzielle Trump-Wähler in den Heartlands haben.
Das Ganze ist in etwa so, als ob Sahra Wagenknecht 2020 in einem als Linkspartei-sicher eingeschätzten Wahlkreis als Direktkandidatin kandidierte und sagen wir mal Gregor Gysi beschuldigte sie medienwirksam (sagen wir: via BILD), ein U-Boot der AfD zu sein.
Wenn Gerechtigkeit in der Politik eine Entität wäre, gehörten parteischädigende Selbstdarsteller und Big-Business-Fürsprecher wie die Clintons aus der Partei rausgeschmissen. Unabstreitbarer Fact ist so, dass das Sich-Zerlegen der Demokratischen Partei bereits begonnen hat. Mit der absehbaren Folge in 13 Monaten:
»And the Winner is … Donald Trump.«