Schon im Sommer 2018 diskutierte die Union auf dem Weg zu einem Grundsatzprogramm ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Erwachsene nach dem Schulabgang. Und schon damals schien der Vorschlag merkwürdig. Dunkel mag sich mancher erinnern, dass es 2011 auch die Union unter einem gewissen Verteidigungsminister Karl-Theodor war, die die Wehrpflicht und damit auch den Wehrersatzdienst, gemeinhin als Zivildienst bekannt, zugunsten einer Berufsarmee „aussetzte“. Tausende Zivildienstleistende, die vorher in Krankenhäusern, Altenheimen, Reha-Kliniken, städtischen Gartenbauämtern und so weiter arbeiteten, fielen weg. Der nachfolgende Bundesfreiwilligendienst war offen für weit mehr Menschen als nur junge Männer, aber dramatisch unterbezahlt. Im Jahr 2019 beträgt das monatliche „Taschengeld“ maximal (!) 402 Euro. Zum Vergleich: Ein Zivildienstleistender konnte mit allen Zuschlägen in der letzten Soldstufe zwischen 600 und 700 Euro verdienen, plus bezahlten Urlaub und Entlassungsgeld.
Zum Einmaleins der cleveren Regierungspolitik gehört es, Berichtigungen vergangener Fehler als geistreichen, neuartigen Schachzug zu präsentieren. Annegret-Kramp Karrenbauer zeigte sich beeindruckt von der französischen Idee eines „Service National Universel“, eines Gesellschaftsdienstes im Sinne der Nation. So etwas braucht es auch in Deutschland. „Für mich ist es auch ein zutiefst bürgerlicher Gedanke, seinem Land und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen“, sagte sie der Redaktion der Berliner Morgenpost. Und weil es ebenfalls ein zutiefst bürgerlicher Gedanke ist, dass Menschen auf organische Weise keinen Zusammenhalt formen können, müssen sie zu diesem „Wollen“ freilich genötigt werden.
Einfach zwanglos wollen dürfen
Die SPD zeigte sich skeptisch. Franziska Giffey meinte, mit einer Pflicht wäre für den Zusammenhalt wenig getan. Vielmehr sollen die bestehenden Jugendfreiwilligendienste – also etwa das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige Ökologische Jahr (derzeit maximal 402 Euro, de facto circa 150 Euro im Monat) – attraktiver gestaltet werden. Etwa mit mehr Geld, vergünstigten ÖPNV-Tickets oder der Möglichkeit, seine Dienstzeit als Wartesemester auf Studienplätze anrechnen zu lassen. So manchem Kriegsdienstverweigerer aus der grauen Vorzeit vor 2011 mögen diese Anreize bekannt vorkommen, aber was wissen die schon? „Die Jugendlichen sollen wollen dürfen“, sagte Giffey – ein Satz, aus dem die ganze Schönheit der SPD trieft.
Sie schlug vor, dass der Bund den Trägerstellen der Freiwilligendienste künftig bis zu 402 Euro im Monat pro Dienstleistenden erstatten könnte. Damit könnten die Jugendlichen vielleicht sogar ans goldene Soldzeitalter der ehemaligen Zivildienstleistenden heranreichen. Gleichzeitig bekommen junge Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben einen realistischen Eindruck davon, wie viel monetäre Wertschätzung Gesellschaft und Politik unter anderem den so dringend benötigten Pflegefachkräften entgegenzubringen bereit sind. Vielleicht wollen die sich nach dieser Erfahrung dann richtig anstrengen und schnell etwas anderes lernen, um nie wieder zu solchen Konditionen in solchen Jobs arbeiten zu müssen. Sozialer Zusammenhalt, induziert durch blanke Abschreckung – es wäre ein zutiefst sozialdemokratischer Gedanke.
Den Unsinn vergangener Tage zu berichtigen stellt sich aber nicht nur aus Gründen des Politikerstolzes als schwieriger heraus als gedacht. Für die Einführung einer Dienstpflicht müsste das Grundgesetz geändert werden. Die Wehrpflicht und damit auch der Wehrersatzdienst waren vom Grundgesetz gedeckt – für Männer. Einen gesetzlich festgeschriebenen, allgemeinen Zwang zur Arbeit gibt es in Deutschland nicht. Er erwächst sanft und fürsorglich aus der Notwendigkeit, es wäre dem Bürger sonst nur schwer zu vermitteln.
Welche Diebe mich bestehlen
Eine Partei weiß das in Deutschland am besten. Christian Lindner sagte zur Dienstpflicht: „Ein ganzes Lebensjahr junger Menschen würde verstaatlicht, nur damit die CDU sich parteipolitisch profilieren kann. Aus unserer Sicht verstößt eine Dienstpflicht gegen das Grundgesetz.“ Korrekt, denn wenn die Schüler nach zwölf bis dreizehn verstaatlichten Schuljahren mit einem Abschluss ins sogenannte „Leben“ entlassen werden, ist ihnen ein Jahr im Dienste der Gesellschaft schlicht nicht mehr zuzumuten. Sie sollen dann selbst entscheiden dürfen, wessen Kapitalinteressen sie sich unterjochen dürfen. Freiheit!
Unterdessen sprechen sich die Bürger recht mehrheitlich für die Idee einer Dienstpflicht aus, das ZDF-„Politbarometer“ ermittelte 2018 eine Zustimmung von 68 Prozent. Wie genau ein solches Pflichtjahr aussehen soll, wie es bezahlt wird und ob es eher eine freiwillige oder eine verpflichtende Verpflichtung wird, wurde nicht genau gefragt. Das zu entscheiden, ist schließlich komplex – und damit Politikersache.
Kommentare 7
schul-pflicht ist durchgesetzt, wahl-pflicht nicht.
die allgemein-gültige wehr-pflicht ist seit 2011 in D.: ausgesetzt.
zwangs-verpflichtungen
setzen gesetzes-form mit sorgfältiger begründung voraus.
die verweigerung von dienst-verpflichtungen kann sich auf die
menschenrechte stützen.
von der praktikabilität eines all-gemeinen zwangs zum dienst
für was auch immer : nicht zu reden.
»Zum Einmaleins der cleveren Regierungspolitik gehört es, Berichtigungen vergangener Fehler als geistreichen, neuartigen Schachzug zu präsentieren.«
Wissen Sie – es gibt noch so einen politischen Kalauer:
Es gab eine Zeit, als Politik argumentierte, man müsse Bürgerinnen und Bürgern auch mal 30 Kilometer Weg zur Arbeit zumuten können. Damals ging es darum, dass multinationale Konzerne deutsche Arbeitsplätze zugunsten viel billigerer z. B. rumänischer austauschen. So u.a. durch NOKIA praktiziert. Das Unternehmen wanderte nach Ausschöpfung steuerlicher Alimentation durch NRW bon Bochum frech nach Rumänien aus, um dort Bettelbeträge als Lohn zu zahlen.
Viele Arbeitnehmer befolgten den vergifteten Rat der Arbeitgeber und Politiker und reisten/reisen tatsächlich treu und brav täglich "30 Kilometer" zur Arbeitsstelle hin und zurück und müssen sich heute dafür beschimpfen lassen, sie würden sich den Luxus leisten, zugunsten billigen Wohnens mit dem umweltunfreundlichen Auto zur Arbeit zu fahren.
Ausgerechnet Politiker wie die schneidige AKK und ihr CDU-Clan, die, wie im übrigen das gesamte „Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“, während der letzten zwei Dekaden die Entsolidarisierung der Bevölkerung systematisch organisiert haben, geben jetzt Empfehlungen und laden die Verantwortung für den bedauernswerten Zustand des Gemeinwesens Deutschland wieder einmal bei der Bevölkerung ab.
Und wieder einmal ereignet sich, was wir seit langem kennen: Je pathetischer die Begründung, desto hinterhältiger. Bundesfreiwilligen Dienste (egal, wie man sie nennt) sollen skandalöse Politik-Defizite der sozialen Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern kompensieren: „Für mich ist es auch ein zutiefst bürgerlicher Gedanke, seinem Land und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen“, meint AKK – und meint die Population derer, die gerade mal ihre Schulausbildung abgeschlossen hat, die Schwächsten also. Schön wäre eine derartige Forderung an Personen wie „Uli“ Hoeneß oder Klaus Zumwinkel & Co, die durch Steuerhinterziehung auffielen.
Frau AKK zieht das Pferd von hinten auf. Von den jungen Menschen will sie , sagen wir eine Vorleistung verlangen, während sie von den elitären Profiteuren der staatlichen Vorleistungen keine soziale Verantwortung in Form einer sozialverantwortlichen Steuerpolitik in Erwägung zieht. Was sie verlangt sind die Vorleistungen für diese Machtpolitik die nur Wirtschafts- und Militärpolitik macht zu Lasten dieser jungen Menschen, für die bereits schon Adolf der Schrecklichste eine mustergültige Vorlage leistete. Die dankbare Verantwortung des Staates waren die Schlachtfelder und verbrannte Erde!
Frau AKK ist eine reaktionäre Politikerin, die ohne Geschichts- und Sachkenntnisse verantwortungslos palavert. Sie scheint die Unfähigkeit der Frau v.d.L. noch übertreffen zu wollen.
Frau AKK zieht das Pferd von hinten auf. Von den jungen Menschen will sie , sagen wir eine Vorleistung verlangen, während sie von den elitären Profiteuren der staatlichen Vorleistungen keine soziale Verantwortung in Form einer sozialverantwortlichen Steuerpolitik in Erwägung zieht. Was sie verlangt sind die Vorleistungen für diese Machtpolitik die nur Wirtschafts- und Militärpolitik macht zu Lasten dieser jungen Menschen, für die bereits schon Adolf der Schrecklichste eine mustergültige Vorlage leistete. Die dankbare Verantwortung des Staates waren die Schlachtfelder und verbrannte Erde!
Frau AKK ist eine reaktionäre Politikerin, die ohne Geschichts- und Sachkenntnisse verantwortungslos palavert. Sie scheint die Unfähigkeit der Frau v.d.L. noch übertreffen zu wollen.
Hallo Herr Rataörskr, ihren Ausführungen kann ich gedanklich folgen. Jedoch sollten die im letzten Absatz aufgeführten Hinweise hier nicht zum allerbesten gegeben werden. Außer Sie könnten es belegen.
@ Ratatörskr, @ JÜS
Man braucht das nicht so krass formulieren, aber in der Tendenz stimmt es. Das einzig gute an der Zwangssolidaritätspflicht ist, daß alle jungen Leute, auch die verwöhnten zukünftigen Erben, daran erinnert werden, daß sie Teil der Gesellschaft sind. Aber alle, die das Erfassungsalter überschritten haben, werden von dieser Erfahrung verschont, und die zukünftigen Erben wissen nach diesem Obolus, was ihnen erspart bleibt.
Pardon. Ich kann dies nur mit logischem Geschichtswissen belegen und habe dazu , auch aus familiärer Erfahrung, schlicht die tariflose, mir angeborene Gedankenfreiheit eingesetzt. Frau AKK ist mir nicht nur zu laut und vorlaut.
Hinweise, dass der Militärhaushalt Vorrang vor dem Sozialhaushalt hat, z.B. Wohn- u. Mietrecht, Löhne und wirtschaftliche Familiensituation spielt in dieser Regierung keine Rolle. Wenn doch, möchte ich das auch gerne glaubhaft wissen.