Wie beat ist das denn?

Musik Die Hamburger Band „Trümmer“ legt ihr zweites Album „Interzone“ vor. Mitsingen will man nicht
Ausgabe 16/2016

Weil deutschsprachige Musik, die nicht peinlich ist, ein seltenes Gewächs bleibt, haben Bands wie Trümmer leichtes Spiel. Einmal im Jahr wird besonders klar, warum: Wenn beim Echo mal wieder die kommerziell erfolg- reichste Musik in Deutschland „preisgekrönt“ wird und Helene Fischer ihre mitt- lerweile sechzehnte Auszeichnung ab- staubt. Für ein Weihnachtsalbum in der Kategorie „Crossover“. Dann möchte der Musikfreund Bands wie Trümmer am liebsten kräftig umarmen und Danke sagen.

Deren neues Album Interzone entlehnt den Titel von William S. Burroughs’ gleichnamiger Kurzgeschichtensammlung, die dieser in Reminiszenz an seine Zeit in der Internationalen Zone von Tanger in Marokko schrieb. „Das Leben ist ein Spiel, ich hab leider verlor’n. Ich schick dir Grüße

aus der Interzone“, heißt es nun bei Trüm- mer. Beat im Sinne von fix und fertig ist das lyrische Ich hier also irgendwie auch, mehr steckt hinter der Anleihe aber nicht. Die Songs auf dem Album drehen sich um die fast schon zum Klischee mutierte Larmoyanz der sogenannten Generation Y, die alles hat und nichts mehr will. Eigent- lich wäre das ein fruchtbarer Nährboden für Nihilismus, Punk oder das, was die Fachpresse mangels kluger Alternativen einmal „Post-Punk“ getauft hatte.

Diskursstop

Genau da setzten Trümmer noch vor knapp einem Jahr an. Ihr Sound war melancholisch und erinnerte an Sonic Youth oder Joy Division. „Wo ist die Euphorie?“, fragten sie in einem Song und zogen damit zu Recht die Aufmerksamkeit der Kritiker auf sich. In einem Interview im Jahr 2014 nach dem Erfolg ihres ersten Albums, nach dem Labelvertrag, den ersten Festivalauftritten und kurz bevor ihnen der Hamburger Mu- sikpreis HANS verliehen wurde, sagte Sänger Paul Pötsch, sie seien mit den gesell- schaftlichen Verhältnissen „nicht einver- standen“ und böten „einen anderen Weg“ – rauchend, trinkend und lächelnd auf einem Hamburger Dach. Womöglich steckte da wirklich noch ein wenig Punk- Spirit in den Mitte-20-Jährigen.

Zwei Jahre später schreibt die Band discotaugliche Popsongs und singt Zeilen wie: „Wir sind Dandies im Nebel, keiner weiß was wir tun, wir sind Dandies im Nebel, wir haben den Swag im Blut.“ Die Hamburger Schule, mit der Trümmer oft in Verbindung gebracht werden, hatte oft diese Auswüch- se voller popkultureller Selbstironie, voller Zitate der Einfachheit, hinter denen sich eine kritische Metaebene verbarg. Genau diese Ebene vermisst der Hörer auf Interzone schmerzlich. Es drängt sich der schaurige Gedanke auf, dass Textzeilen wie diese einfach ernst gemeint sind. Wer hinter Songnamen wie Europa Mega Monster Rave eine politische Haltung vermutet, wird enttäuscht.

Rein musikalisch ist Interzone ein gutes Pop-Album, der Hörer darf nur nicht allzu genau hinhören. Die Erwartungen, die der Albumtitel, die Songtitel oder eben auch die Statements in Interviews wecken, erfüllen sich nicht. Die Songs gehen schwer aus dem Kopf, nur Mitsingen ist peinlich. Trümmer sind noch immer weit weg vom Echo (obwohl sie dort 2015 für den Kritiker- preis nominiert waren), aber noch viel wei- ter weg vom „Diskurspunk“, wie die taz sie einmal kategorisierte.

„Ich glaub ich werd nie wieder normal“, singt Paul Pötsch in der Single Grüße aus der Interzone. Es wäre schön gewesen.

Info

Welcome to the Interzone Trümmer PIAS/Rough Trade

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