Der gezähmte Finanz-Markt

Schieflagen bekämpfen Zu den Gefahren-beladenen Märkten gehören Teile der Finanzmärkte. Gemeint sind die Finanzmärkte, die sich von der Realwirtschaft abgesetzt haben. Wie damit umgehen?

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Unerwünschte Schieflagen von Finanzmärkten bekämpfen - Versuch einer Sortierung

Deutschland erlaubt das Handeln auf Swap-Märkten und verbietet das Handeln mit Drogen. Beides birgt Risiken für die Gesellschaft. Der Gesetzgeber kann Märkte eingrenzen, um solche Schieflagen zu vermieden.

Welche Schieflagen sollen bekämpft werden? Und was sind die Instrumente dafür?

Zu den Gefahren-beladenen Märkten gehören Teile der Finanzmärkte. Gemeint sind die Finanzmärkte, die sich von der Realwirtschaft abgesetzt haben. Mit „konstruierten Geschäften“ schöpfen diese abgehobenen Finanzmärkte hohe Gewinne auf Kosten der Realwirtschaft ab. Im Krisenfall können sie sich der Rettung durch den Staat sicher sein. Das macht die Teilnehmer besonders mutig.

Welche Geschäfte betreiben Banken und wo liegen die Gefahren?

Die Banken wickeln den Zahlungsverkehr mit Hilfe der Girokonten ab und nehmen Einlagen gegen Verzinsung entgegen. Das ist das Basisgeschäft der Banken, sehr wichtig für das Funktionieren der Wirtschaft insgesamt. Alle Wirtschaftsbereiche benötigen diesen Service. Dies macht die besondere Stellung der Banken und die Abhängigkeit der Volkswirtschaft von diesem Sektor aus.

Daneben bedienen die Banken den Handel auf Finanzmarkten:

  • Am Devisenmarkt findet der Tausch von fremden Währungen zu wechselnden Kursen statt.
  • Am Geldmarkt findet der Handel von Wertpapieren und Krediten mit kurzer Laufzeit statt.
  • Auf dem Kreditmarkt werden Kredite mit längerer Laufzeit gehandelt.
  • Auf dem Kapitalmarkt werden Finanzierungstitel wie Rentenpapiere und Aktien gehandelt.

Der Handel mit diesen Werten bzw. Papieren findet auf organisierten Märkten (Börsen unter staatlicher Aufsicht), aber auch auf nichtorganisierten Märkten statt.

Der Finanzsektor wird demnach für zwei Kern-Aufgaben benötigt: er wickelt den Zahlungsverkehr ab und organisiert die Kapitalbereitstellung für Unternehmen und auch für Privatpersonen. Beides benötigt die Realwirtschaft für Ihre Geschäfte.

Die Risiken für die Volkswirtschaft stecken im zweiten Aufgabenspektrum, den Finanzmärkten. In den Grauzonen werden Finanzpapiere mit viel Fantasie konstruiert, die sich gerne der Überwachung entziehen. Hohe Gewinne lassen sich besonders dann realisieren, wenn große Beträge in hoher Geschwindigkeit, steuerfrei, ohne Aufsicht, in undurchschaubaren Konstruktionen international bewegt werden.

Das Schlagwort „Kasino-Kapitalismus“ schmäht diesen Bereich des Finanzsektors. Gemeint sind krisenanfällige globalisierte Finanzmärkte, die sich von der Realwirtschaft abgekoppelt haben. Finanzpapiere bündeln andere Finanzpapieren und werden zum neuen Gegenstand des Handels – Stichwort mehrstufige Verbriefung. Die Geschäfte zeichnen sich vorrangig durch den spekulativen Charakter aus.

Dazu gehören Märkte für Leerverkäufe und Subprime-Märkte. Leerverkäufe umfassen Waren, Devisen und Wertpapiere, über die der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt nicht verfügt. Auf dem Subprime-Markt werden Pakete von Hypothekarkredite gehandelt, also vom Gläubiger an einen anderen Gläubiger weitergegeben. Ein weiteres Beispiel sind Swaps. Mit Swaps können Zahlungsströme fast beliebiger Natur getauscht werden. Außerdem erlauben Swaps wie andere Derivate, Risiken einzeln und getrennt von den zugehörigen Basiswerten zu handeln. Hier wird wie im Kasino gespielt.

Diesen abgehobenen Finanzmärkten fehlt nicht nur der direkte Bezug zur Realwirtschaft, sie laufen zudem in einer eigenen virtuellen Welt ab: elektronisch in Hochgeschwindigkeit, außerbörslich im OTC-Handel - „over the counter“, steuerfrei und ohne Aufsicht. Viele Papiere erscheinen in keiner Bank-Bilanz. Laut Wikipedia beträgt das Volumen des OTC-Derivate-Marktes 450 Billionen Dollar.

Diese abgehobenen Finanz-Waren liefern keinen Mehrwert für die Real-Wirtschaft, denn diese erhält dadurch kein zusätzliches Kapital. Die abgehobenen Finanztitel beziehen Ihren Mehrwert aus dem Markt selbst durch Zeit- und Entfernungsgefälle und vor allem durch Bewertungsveränderungen - dem Steigen und Fallen von Kursen. Der Gewinn entsteht letztlich auf Kosten der Realwirtschaft, da die Finanzmittel in den abgehobenen Finanz-Märkten der Realwirtschaft fehlen und da die Kasino-Spieler auf das schnelle Auf- und Abwerten, auch von Aktien oder Renten setzen und zudem selbst Bewertungsschwankungen betreiben.

Wie können diese Schieflagen bekämpft werden? Hier ein Lösungsansatz:

  1. Nur Finanzpapiere mit direktem Bezug zur Realwirtschaft und ohne mehrstufige Verbriefung sind erlaubt.
  2. Der Slow-Handel mit wenigen Handelsschlusspunkten ersetzt den permanenten Hochgeschwindigkeits-Handel.
  3. Der Handel ist nur beaufsichtigt zulässig - mit registrierten Personen, Firmen bzw. Organisationen.
  4. Der Handels-Verlauf und die Käufer sind zu dokumentieren.
  5. Jede Transaktion wird besteuert.
  6. Der Ankerpunkt: Nur bei Einhaltung der Vorgaben (Punkt 1 bis 5) dürfen Zinsen, Dividenden und Rentenrückgaben von der schuldenden Realwirtschaft ausgezahlt werden.

Am überflüssigsten für die Kapitalsuchenden ist die Hochgeschwindigkeit. Kein Unternehmen benötigt Kapital im Sekundentakt. Die Geschwindigkeit benötigen nur die Spekulanten. Unternehmen binden sich langfristig an Kapital.

Leider fehlt Regierungen und Gesetzgeber bis heute der Mut, sich dem selbst-gebastelten Treiben der Finanzmärkte entgegenzustellen. Die Demokratie muss das Rückgrat aufbringen, Finanztransaktionen zu besteuern, Hochgeschwindigkeit zu bremsen, mehrstufige Papiergeschäfte zu verbieten und den Verlauf zu kontrollieren. Der Finanzsektor benötigt mehr Fesseln und mehr Aufsicht als alle anderen Wirtschaftssektoren.

Der Lösungsansatz lässt sich sogar national umsetzen. Je mehr Staaten mitmachen, umso schneller werden die abgehobenen Finanzmärkte trocken gelegt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kritikaster

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