Vergesellschaftung und Einkommensunterschiede

Beitrag zur/nach der Konferenz Ein Diskussionsbeitrag zu den Themen Vergesellschaftung und Einkommensunterschiede aus Anlass der Vergesellschaftungskonferenz vom 7.-9.10.22 in Berlin.

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Am 7.-9.10.22 hatte in Berlin ja eineVergesellschaftungskonferenzstattgefunden, ich hatte mir die eigentlich für Ende Oktober eingeprägt aber nun gut, man kann sich nicht immer jedes Datum korrekt merken. Dort auch noch hinzufahren, wäre mir auch etwas zu viel gewesen, ich war ja auch schon bei der Europäischen Sommerakademie von Attac in Gladbach mit dabei. Aber den Livestream hätte ich mir schon teilweise angeschaut.

Vergesellschaftung war ja schon unter Helmut Schmidt und der damals noch keynesianischen und globalsteuernden SPD der späten 60er zum Reizthema geworden. Man hatte Angst, die „Wirtschaftsseite“ mit der Gefahr zu schocken, dass da Ansichten über die SPD in die Regierungsarbeit einfließen würden die zu recht oder zu unrecht auf zu viel Gegenwehr stoßen würden und allgemein zu extrem wären.

Ich finde allerdings nicht, dass es gut ist sich Diskussionsthemen aus übertriebener Vorsicht vor Reaktionen von Dritten vorschreiben zu lassen oder dieses als Ausrede verwenden zu wollen.

Mit Scheuklappen kann man nicht regieren oder aus der Opposition heraus konstruktiv einwirken.

Extreme Positionen muss man argumentativ entkräften nicht einfach übergehen wollen.

Wobei eigentlich spannend ist, dass es in der SPD immer noch eine klassische „Vergesellschaftungs-Linke“, wenn auch eher kleiner und stummer, wie früher gibt. Aber nur noch wenige, zumindest aktive, (Post-) Keynesianer oder allgemein welche die z.B. eine ausgeglichene Außenwirtschaftsbilanz aktiv herbei führen wollen. Obwohl jetzt wohl erstmal schon, bis wir wieder Überschuss haben. Halt nur nicht nachhaltig für eine gute soziale Kooperation mit dem Außen.

Gut ich bin ja aktuell auch in der SPD und versuche das dort von innen heraus zu ändern. Und von außen. Aber hinreichend viel Unterstützung oder hinreichend soziale, ökologische, Sicherheits- und Zukunftsorientierte Alternativen braucht es schon.

Aber jetzt will ich erst mal die Konferenz dazu nutzen zu dem Thema Vergesellschaftung und auch gleich zu dem Thema Einkommensverteilung (nochmal) selbst was zu schreiben.

Zunächst sollte man wohl unterscheiden ob man mit Vergesellschaftung meint, dass alles dem Kollektiv gehört und dann per Mehrheitsentscheid, mehr oder weniger im Konsens oder einfach von einem Herrscher oder einer herrschenden Gruppe darüber entschieden wird was man damit Macht und wer (vom Output) wieviel bekommt. Oder ob man unter Vergesellschaftung eine „Veranteilung“ versteht. Also jeder bekommt einen mehr oder weniger fairen, (Bedarfs-)fairen, Anteil und kann sich dann mit anderen zusammenschließen oder eben auch nicht. Mit mehr oder weniger vielen kollektiven Vorgaben, oder Interventionsrecht für die einzelnen oder Zusammenschlüsse.

Oder eben eine Hybrid- Variante aus alle dem.

Gehen wir die Optionen mal einzelnen durch:

Bei Mehrheitsentscheid mit Kollektivbesitz droht die „Tyrannei der Mehrheit“. Bei Konsens mit Kollektivbesitz droht die Vetofalle, also Handlungsunfähigkeit. Und bei Herrschern oder Herrscher-Gruppen eben die „Tyrannei einer Minderheit“.

Jede Herrschaft ist eben nur solange legitim und akzeptabel für jeden einzelnen oder Teil-Kollektive wie man sie, mehr oder weniger objektiv für legitim hält. Sobald dies zu sehr nicht mehr der Fall ist, gibt es eine „Veruneinigung“,Kant, und man sollte sich fair trennen und darf auf Intervention von Kantianern von außen hoffen.

Besser ist es da wenn man direkt auf durchsetzbar faire Anteile für jeden geachtet hatte. Dabei sollte eine Verfassung eines solchen Staates zum einen den fairen Anteil den Einzelne oder freiwillige Zusammenschlüsse bereits besitzen schützen auch vor dem kollektiven Zugriff der von der Mehrheit legitimierten Regierung. Aber eine solche Verfassung sollte auch einklagbare und durchsetzbare Rechte auf den fairen Anteil garantieren auch wenn man über den gerade nicht verfügt. Also die Verfassung sollte sowohl Schutz vor zu viel Umverteilung von einem weg als auch soziale Rechte für Verteilung zu einem hin bieten.

Wobei man bei Zweitem natürlich irgendwann mal vor dem Problem stehen kann und wohl auch wird, dass entweder das Verfassungsgericht nicht mehr so urteilt wie man es fair findet oder die Regierung oder die Staatsgewalt dem nicht mehr wirklich nachkommt oder nachkommen kann. Dann nutzen einem auch alle Rechte nichts mehr, dass sollten auch die Anhänger des (bedingungslosen) Grundeinkommens nicht vergessen: Auch Verfassungsrechte garantieren noch keine dauerhafte hinreichende Umsetzung, zur Not muss man dazu mit hinreichend vielen andern fair genug selbst in der Lage sein.

Also daher sollten Anteile nie zu ungleich verteilt sein. Was man nicht mehr unter Kontrolle hat ist früher oder später meist weg. Hier zählt nur die tatsächliche (potentielle) Kontrolle über seinen fairen Anteil. Man kann ihn gerne mal mit anderen der Effizienz wegen zusammenlegen, aber wenn man sich „veruneinigt“, Kant, muss man ihn direkt nach Möglichkeit ohne viel „Federn lassen“ wieder unter Kontrolle bringen können. Und nur ein Unfairer oder Inkonsequenter würde sich dem in den Weg stellen. Aber eben auch nur den tatsächlich fairen Anteil. Da sollte man es bei „gutem Willen“ oder zu teuren Unentschiedens-Aussichten auch nicht zu genau nehmen. Aber eben auch nicht zu ungenau.

Leider sieht unser Völkerrecht kein Anrecht auf faire Verteilung oder ein entsprechendes Interventionsrecht vor. Nicht mal für das nachhaltige Genug. Und wenn NeoCons und Liberale Demokraten wirklich ein Interventionsrecht für Menschenrechte in Staaten fordern, sollten sie das Umverteilungs-Interventionsrecht in andere Staaten zumindest für das kleinere vom fairen und dem nachhaltig nötigen Anteil nicht vergessen. Sonst wirkt das wieder nur wie eine Rechtfertigung übermäßig großer Anteile durch faire Mindest- Freiheiten mit dem Besitz, sich selbst, und Grundversorgungsansprüchen höchstens innerhalb von Staaten aus denen man sich bei Bedarf als Anteilsschwergewicht auch wieder „zurückziehen“ sollen könnte. Dann geht es nur um das Beibehalten der aktuellen Verteilung. Der Rest dient dem „gefälligem“ Schein.

Ein anderes Problem fast aller, nicht nachhaltig autarker, Gesellschaften ist, dass ihre Gesellschaft als Ganzes schon nicht alles was global gesehen fair wäre in ihrem Besitz hat. Oder durchsetzbar ihr Eigentum nennen kann. Den meisten Staaten fehlt etwas. Deswegen ist ein internationaler (Tausch-)Handel oder „Geschenke“ ja auch für fast alle Überlebenswichtig. Sonst bleibt nur Krieg. Und dazu sind global unabhängig nur wenige in der Lage. Auch das Problem der Sowjetunion war, dass sie weltweit über weniger Anteile an allen Rohstoffen und guten Produktionsstätten verfügte wie der Westen. Und natürlich, dass sie auf Zwang als Grundprinzip aufbaute anstatt auf soviel Freiheit wie fair und sicher genug möglich. Aber sie hatten den Zwang ja gerade zu dem Zeitpunkt aufgegeben als in den Demokratien des Westens die Freiheit zum Dogma wurde das wichtiger als fair und sicher genug war und leider weiter ist, und spannender Weise waren ihre bereits bereitstehenden Neu-Weisen der gleichen Meinung. Da ist nur die Frage wer da wen verseucht hat(te). Aber dieser Wettlauf zwischen Inkonsequenten und bewussten Saboteuren findet ja mehr oder weniger immer noch statt in allen Regionen wo Europäer aktuell die Mehrheit haben. Neuerdings bekriegen wir uns als West und Ost im Ukraine-Russland-X Krieg auch wieder. Mal sehen ob die Hegemonie der Europäer damit so endet wie sie begonnen hat: „zu gierig“, inkonsequent, blutrünstig und objektiv unfair. Mir wäre und ist noch, die Hoffnung auf Konkretes stirbt ja bekanntlich zuletzt, einfach ein möglichst zügiger Übergang zu einem gleichberechtigten globalen Miteinander lieber (gewesen). Dann hätte, würde man noch, man uns wohl auf dem Weg dahin genug „gegönnt/gönnen“ auch wenn das vielleicht vorübergehend nicht fair-anteilig komplett „passen“ würde.

Aber kommen wir jetzt noch zum zweiten Thema aus der Überschrift „Einkommensunterschiede“.

Es ist eben durchaus etwas anderes, ob man Rohstoffe und Produktionsstätten und -standorte fair verteilen oder das Ergebnis der Verwendung dieser unter Zuhilfenahme menschlicher Arbeit.

Wobei natürlich auch menschliche Arbeit zunächst mal ein Produktionsfaktor ist, der aber eben an einem „Subjekt“, Kant, hängt. Und von diesem erst mehr oder weniger freiwillig bereitgestellt werden muss. Arbeit kann man eben kaum unmittelbar erzwingen, nur durch „Anreize“ auch jenseits des unmittelbar freiwilligem Willen für sich nutzbar machen. Deshalb gehört zu einer bedarfsgerechten Verteilungen der Rohstoffe und Standorte durchaus auch eine Berücksichtigung der Arbeitskraft der Einzelnen. Wer weniger gut arbeiten kann wird mehr „Anreize“ über Besitz brauchen, wenn er sich nicht auf Freiwilligkeit verlassen kann oder will.

Und wer nur Kopfarbeit kann wird versuchen ein System aufzubauen, dass ihm die körperliche Arbeit der anderen hinreichend garantiert, zumindest bis alles automatisiert ist. Fragt sich nur wie weit er dafür geht, was man da noch als fair ansehen kann und wieviel mehr die eigene Sicherheit über der tatsächlichen Freiheit zu Besitzerlangung der Arbeiter für einen steht.

Wenn 10 Leute ein Haus bauen können und einer nicht braucht der eine bedarfsgerecht die Mitarbeit der anderen auch ohne erfolgreich mit bauen zu können. Wenn derjenige es dann schafft das Land auf dem die Häuser stehen sein Eigen zu nennen und auch durch 5 „Anreizer“ absichern zu können und das Bauen seines eigenen Hauses mit der temporären Überlassung von Grund an die anderen verrechnet, ist dieser Eine dann nicht mehr auf freiwillige Unterstützung der anderen angewiesen. Die könnte ja auch mal ausbleiben und dann wäre der Eine Schutzlos. Welche Besitz-Verhältnisse sind hier fair, Bedarfsfair? Solange der eine nicht Hausbaubegabte, kein größeres Haus hat wie die anderen und das von ihm aufgebaute System auch sonst fair und anteilig gleich ist, spricht eigentlich nichts dagegen solch eine Ordnung erstmal auch aus Sicht der 10 Hausbauer und der 5 „Anreizer“ beizubehalten. Eine neue Ordnung müsste erstmal mehr bieten. Und vielleicht fürchtet auch der eine oder andere der 15 aus Verantwortung gegenüber dem Hausbauunfähigen eine andere Ordnung würde dem kein gleichwertiges Haus mehr ermöglichen.

Anders würde es wohl aussehen wenn das Haus des „Landeigentümers“ zu viel größer wäre als das der anderen, wenn er unmenschliche Arbeitsbedingungen verlangt, wenn die 5 „Anreizer“ auch „Unverträglichkeiten“ (Psycho Big 5) ausleben dürften „mit“ den 10 Hausbauern.

Der Landeigentümer dürfte es also entweder nicht übertreiben oder er müsste sich diese Übertreibung durch Gewalt leisten können. Aber auch dann dürfte er es sich natürlich nicht mit den Falschen verscherzen.

Wenn der Landeigentümer aber nicht hinreichend viel an Land oder etwas Vergleichbares für sich behält wird er mangels eigener körperlicher Arbeitskraft von echter freiwilliger Arbeit der anderen abhängig und das würde er eventuell nicht überleben.

Also eine nachhaltig faire bedarfsgerechte Verteilung ist durchaus nicht so einfach zu bestimmen, es kommt eben darauf an mit welcher charakterlichen Gesinnung man an die Sache ran geht und wie man die der anderen einschätzt. Und auch eine als fair eingeschätzte Verteilung muss man erst mal durchgesetzt bekommen. Solange es noch tolerierbar zugeht und die Aussichten für die Zukunft sich nicht (unfair) zu sehr verschlechtern wird man wohl eher ruhig bleiben.

Und die 10 Hausbauer aus dem Beispiel sollten nicht vergessen, dass spätestens wenn nicht mehr 10 Hausbauer gebraucht werden, sie nicht blind miteinander konkurrieren sollten. Wenn sie sich zusammenschließen und handeln erreichen sie wohl mehr als im unkooperativen Wettbewerb. Sowohl für das faire als auch für das unfaire.

Und wenn die fairen unter den 10 ein abgleiten ins Unfaire verhindern wollen, könnten sie sich auch mit den fairen unter den 5 „Anreizern“ verbünden. Oder gleich mit dem Landbesitzer wenn er fair genug ist.

Aber solche Querfronten gehen aber natürlich auch unfair …

Deshalb müssen die Zusammenhänge der Fairen den Unfairen zumindest hinreichend überlegen sein. Und natürlich auch den Inkonsequenten. Eine Tyrannei der Unfairen oder Inkonsequenten kann ja wohl nun wirklich keiner wollen, außer den nicht negativ betroffenen Unfairen oder den Inkonsequenten solange sie es nicht bemerken.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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