Wenn die Lage weniger begünstigend geworden ist ...

Deutsche Agenda 2030 Durch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland dürfte sich unser natürlicher Lage-Vorteil im gemeinsamen freien Markt ja zumindest reduziert haben. Daher die Frage: Und jetzt?

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Unser, also Deutschlands, natürlicher Vorteil durch seine Lage in Europa zwischen „Arm“ und „Reich“. Zwischen (Energie-)Rohstoffreichen, Zwischenproduzenten und Endabnehmern, ist ja durch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland zumindest deutlich kleiner geworden. Energierohstoffe kommen jetzt erstmal vor allem über den Atlantik. Da ist Frankreich mal näher dran. Also mit unserem Schönreden des natürlichen Vorteils durch die angebliche Allgemeinnützigkeit des Freihandels wird jetzt besser auch von intelligenter rechter Seite mal Schluss sein. Nur die Inkonsequenten und die Saboteure für ein linkes oder rechtes Außen werden jetzt gleich vehement weiter trommeln für die Segnungen des freien Standortwettbewerbs mit von Natur aus ungleichen Karten. Der Rest wird erstmal abwarten wie gut unsere Karten noch sind. Als der historisch gewachsene industrielle Vorsprung Englands unseren natürlichen noch überragte war bei unseren clevereren Rechten auch Friedrich List noch beliebter als Böhm-Bawerk oder gleich die Manchester-Liberalen. Und der Gründer des Vereins für Socialpolitik war mit Gustav von Schmoller nicht ohne Grund ein Anhänger von Schutz- und Erziehungszöllen. Die Zusammenkunft dieses Vereins Ende September dieses Jahres zur 150 Jahresfeier wird dann hoffentlich erstmal die letzte Freimarkttrommler Veranstaltung des VfS sein, zumindest bis sich der Westen wieder mit Russland versöhnt hat und „der freie Lauf der Dinge“ wieder stärker unser Freund ist. Wobei ich mit Blick auf das Wohl anderer und der Nachhaltigkeit unserer Wohlfahrt auch dann weiter gegen unbeschränkten Freimarkt bin. Denn frei für alles ist eben auch frei für zu unsozialen, zu unökologisches, zu wenig sicheres und zu wenig zukunftsorientiertes. Für unbeschränkte Freiheit kann halt nur der Inkonsequente und der Saboteur sein.

Und Frankreich hat durch seine Rentenreform gerade den Standortwettbewerb auf soziale Kosten für die Mehrheit seiner Bevölkerung weiter angeheizt. Diese Rentenreform hat unsere soziale Einschnitte unterboten. Die haben quasi die Rente mit 63 abgeschafft, soweit ich gehört habe.

Wie die Agenda 2010 Reformen in Deutschland Anfang des Jahrtausends wurden diese sozialen Einschnitte mit Verweis auf die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit begründet und beworben. Zu jener Zeit hatte Deutschland gerade keinen Überschuss, wegen der Nachwirkungen der Wiedervereinigung. Wobei aber eigentlich schon absehbar war, dass dieser Überschuss auch ohne Vorsprung bei den sozialen Einschnitten wieder zurückkehren würde. Erst recht mit der EU-Osterweiterung und dem Euro. Die Überschüsse hat man dann einfach Laufen lassen.

Frankreich hat uns jetzt mit Verweis auf sein Außenhandelsdefizit von den sozialen Einschnitten her erstmals unterboten. Und das genau zu einem Moment wo sein natürlicher Nachteil gegen uns nachlässt.

Also bis sein Außenhandel ausgeglichen ist sollte Frankreich was tun, das sehe ich auch so. Und länger Arbeiten betrifft halt alle und nicht nur die Armen. Durchaus ein sozial ausgeglichener Einschnitt.

Die einzige andere Alternative zu Einschnitten wäre ein ausscheren aus dem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit gewesen, dass die EU- Verfassung vorschreibt. Auf sich alleine gestellt oder nur mit England und vielleicht gegen die globalen Superreichen noch dazu könnte das schwierig werden. Italien ist ja jetzt für (gemeinsame) soziale Ziele ein nicht unbedingt einfacherer Partner gewesen.

Nichts destotrotz sollten, die Defizit-Staaten und die hinreichend Sozialen oder Nachhaltigen eine hinreichend starke Allianz anstreben um diese Fesseln des Zwangs der Hinnahme des Ausnutzens natürlicher Vorteile und des Sozialdarwinismus nachhaltig aufsprengen zu können. Alles andere ist nicht zukunftsfähig.

Also man kann bei Macron durchaus noch Hoffen, dass er solche Einschnitte nicht aus proprietärer unsozialer Gesinnung unternimmt, sondern weil er es für nötig hält. Dann müsste er aber anders als wir unter Merkel zumindest damit aufhören, sobald Frankreich einen ausgeglichenen Außenhandel aufweist. Bei uns hat ja leider, wieso auch immer, selbst die aktuelle SPD-Führung und scheinbar die Mehrheit der Partei und in den Gewerkschaften und in der Europa-Union kein Problem damit durch den vertraglich erzwungenen Überschuss-Außenbeitrag und auf Kosten der hier prekär Beschäftigten wenig nachhaltig mehr oder weniger gut zu leben. Sei es vielleicht bis hoffentlich auch nur aus Inkonsequenz und Bequemlichkeit.

Also Frankreich hat noch einen Grund den Standortwettbewerb anzuheizen.

Bei uns trommeln FDP und Union jetzt schon wieder, obwohl wir noch mehr exportieren als importieren, für ein Nachziehen mit den Einschnitten Frankreichs. Also ein Abschaffen der Rente mit 63. Statt die Exporterlöse durch ein faires und soziales Verteilsystem allen zugänglich zu machen, soll jeder einzeln genug Außenbeitrag erwirtschaften. Solange wir einen natürlichen Vorteil haben konnten sich die Lohnabhängigen bei uns noch drauf verlassen, dass es für die andern zuerst zu unerträglich wird durch die Einschnitte und diese dann dort blockiert werden, bevor es hier für zu viele zu Elend wird.

Länger arbeiten kann durchaus für die interne Versorgung in Deutschland mit allen nötigen für jeden nötig werden. Aber dass darf nicht aus ideologischen Gründen, aus Prinzip heraus, oder zur Bereicherung einer kleineren Superreichen Minderheit oder auf Kosten des Außen im internationalen Standortwettbewerb erfolgen. Oder angefeuert durch Saboteure für das Außen.

Vor allem dürfen wir uns die Gründe für solche sozialen und zeitkostenden Einschnitte durch eine fehlgeleitete Wettbewerbsverherrlichung nicht künstlich selbst schaffen. Wenn wir nur länger arbeiten (müssen) weil die andern das auch tun und wir ein konkurrieren mit dem Faktor Lebens-Arbeitszeit wieder unreguliert zulassen. Dann lassen wir uns in Europa in nationale lohnabhängige „WirHiers“ teilen und dadurch beherrschen bzw. schwächen. Was es bedeutet wenn eine Bevölkerung zu wenig Zeit hat sich um ihre Demokratie zu kümmern sieht mal ja zum Beispiel gerade in den USA. Da haben die intelligenten sozialen Demokraten quasi keine echte Auswahl mehr. Nur Biden. Wobei ja noch etwas Zeit ist.

Vielleicht hat es das soziale Europa in Deutschland und im Norden einfacher, wenn der natürliche Vorteil geringer bis nicht mehr da ist. Und ein desozialisierender Wettbewerb auch direkt bei uns durchschlägt. Mal sehen. Das sollte aber nicht gleich zu heftig auf die Nicht-Lohnarbeitszeit nieder schlagen, sonst geht es uns wie der USA. Die echt sozial und sichere politische Auswahl und Bereitschaft auch mal selbst zu kandieren ist ja jetzt schon sagen wir mal nett, Ausbau-nötig.

Also wir müssen in Deutschland und Europa schon schauen, dass wir genug erwirtschaften um zumindest fair gut genug dazustehen. Dafür sind auch mal Einschnitte für alle nötig. Aber es ist wichtig, dass man dann das nicht aus ideologischen oder inkonsequenten Gesinnungen über diesen Punkt hinaus macht. Und das wir das für uns alle machen, also eine faire Verteilungsordnung haben, und nicht für andere die sich nur an uns Bereichern oder uns unfair viel nehmen wollen.

Und gerade die Darwinisten sollten doch Wissen, dass nicht nur zu wenig schlecht ist. Sondern auch zu viel. Auch schon das zu viel wollen. Ein Eichhörnchen, dass zu viele Nüsse einsammelt hat später selbst nicht mehr genug Platz in seinem Bau. Und ein Tiger der nur zum Spaß jagt, wird häufiger an Erschöpfung oder durch Verteidigungsmaßnahmen sterben und weniger häufig Nachkommen zeugen als einer der maßhält. Die Evolution mag keine „Zus“. Und keine Ideologen. Zumindest wenn man darunter versteht, dass man über seine Ideale und Grundsätze nicht mehr reflektiert sondern nur noch blind einer festen Lehre folgt.

Europa und ihre Abkömmlinge in Amerika und Australien müssen sich daran gewöhnen, dass auch ihr natürlicher Vorteil durch die Entdeckung und Nutzbarmachung des amerikanischen Kontinents langsam aufgebraucht ist. Das neue „Gold und Silber“ ist breiter verteilt. Der technische Vorsprung wird kleiner. Rohstoffe und Anbaufläschen gibt es auch anderswo. Und nur durch die wird und hält man sich eh nicht als Zentrum.

Jetzt muss sich auch mal zeigen, ob sich die Staatsform Demokratie gegenüber Autokratischen Systemen halten kann.

Mit ausreichender angemessener Feuerkraft wohl schon. Und wenn man die richtigen Entscheidungen trifft.

Aber richtig entscheiden setzt passendes Wissen für die Entscheider voraus. Und auch in repräsentativen Demokratien entscheiden erstmal die Bürger gemeinsam. In dem Fall eben wer sie repräsentiert. Und in Wirtschaftssystemen mit Privateigentum entscheiden die Besitzenden mit ihrer Nachfrage, mit ihrer Auswahl von Waren, über nicht zu unterschätzen viel. Und auch die Frage was man dem Außen für seinen Importbedarf anbietet ist eine Auswahlentscheidung.

Also die Auswahlentscheidungen der Bürger sind zentral. (Auch) dafür müssen wir ausbilden und ausgebildet werden.

Stattdessen richtet sich aber Bildungspolitik hierzulande und in der EU allgemein meist nur noch danach von der Nachfrage anderer ausgewählt zu werden. Das passt zur Ideologie dass es reicht zu schauen, dass man genug nachgefragt wird. Über seine eigene Nachfrage seine Auswahlen macht sich kaum einer Gedanken mehr. Und auch darum, dass alles was man braucht auch angeboten wird auch wenn es mal nicht bezahlt wird. Dies alles erfolgt auch durch den Angebotswettbewerb-Druck. Wer sich Zeit nimmt seine Auswahl auch nur schon für sich selbst nachhaltig zu gestalten, hat weniger Zeit Angebote zu machen. Und fällt damit in diesem Wettbewerb zurück. Wenn andere anfangen an der nötigen Zeit für die Zukunftsfähigkeit ihrer Nachfrage ihrer Auswahl zu sparen, ist man selbst schnell gezwungen durch den Druck auch daran zu sparen. Die unsichtbare Hand des Marktes sorgt aber höchstens für passende Angebote nicht aber für eine zukunftsfähige Nachfrage. Gesellschaften die ihren Entscheidern nicht genug Zeit zur Reflexion über ihre Entscheidungen lässt, bekommt zu undurchdachte Entscheidungen. Nicht umsonst heißt es: Wer Entscheidet muss frei von Arbeit sein.

Durch das Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit in der EU muss aber jeder Staat bei dieser destruktiven Einsparung nachziehen, wenn ein zu mächtiger Staat sich nur noch aufs Anbieten fokussiert. Aber genau dies hat Deutschland gemacht. Vielleicht der fatalste Fehler den wir für uns und die Europäer gemacht haben. Autokraten sind frei von Arbeit. Auch Oligarchen. Selbst Reiche, vor allem diejenigen die es erst werden, stehen bei uns aktuell in einem echten Wettbewerb unter zeitlichem Druck sich aufs anbieten konzentrieren zu müssen. Wenn wir nicht diejenigen die sich für die politische und Marktwirtschaftliche Nachfrage genug bilden wollen dafür hinreichend entschädigen, haben wir internationale politisch kaum eine Chance und werden Peripherie, derer die sich genügend Zeit für ihre Auswahl Entscheidungen nehmen können.

Ist ja logisch, wer sich nur darauf konzentriert nicht-politisch ausgewählt zu werden, kann nicht gescheit entscheiden. Und hat dadurch auch bald nichts mehr zu sagen. Da muss man fast schon von hoffentlich sprechen, zumindest wenn das gewollt so passiert ist.

Also reine Angebotsfixierung ist fatal. Das gilt auch für Parteien. Wenn die nur noch Mittel aufwenden um gewählt zu werden. Können sie gar nicht mehr vernünftig entscheiden.

Also wir brauchen auch eine hinreichend Entscheidungsorientierte Bildung, und nicht nur in Bezug aufs Anbieten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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