Konzernmacht. Wer hat sie? Wer braucht sie? Und wer schützt davor?

Kurz- oder langfristig? Mal eine Beleuchtung der Konzernmacht, durch und in. Ich will mir ja als jemand der hauptsächlich als ITler bei Unternehmensdienstleitern arbeitet, nicht berechtigt nachsagen lassen, dass ich die "Kunden" zu sehr schone. :)

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So, heute schreibe ich auch mal was über Konzernmacht. Ich habe bisher mein Leben lang eigentlich fast nur als ITler bei Unternehmensdienstleistern gearbeitet und einige Dienstleistungen wie Inhouse-Postzustellung erfordern auch schon eine gewisse „House“- Größe um als Tätigkeit „Outsourcing“ oder externe IT- Systeme bzw./ -Unterstützung wirtschaftlich zu rechtfertigen. Deshalb beurteile ich jetzt quasi den Ast auf dem ich sitze. Aber im Gegensatz dazu wenn man für Gewerkschaften, Arbeitskammern oder staatliche Institutionen arbeitet, hat man in meinem Fall bessere Aussichten wenn man durch Kritik in Ungnade gefallen ist, wo anders einen für die eigenen Bedürfnisse hinreichenden Ast zu finden. Aber eben auch nur solange sich die Konzernmacht nicht auf zu wenige konzentriert oder fast alle dortigen Entscheider die selben „Empfindlichkeiten“ haben. So nach dem Motto: „In dieser Stadt findest du keine Arbeit mehr.“. Dann wird’s auch bei Unternehmenskritik schwierig. Wobei je nach Sicherheits-Machtverteilung kann natürlich bei Kritik auch immer nicht das Fehlen eines Einkommens, sondern die „Reduzierung“ der Gesundheit oder gleich das unmittelbar herbeigeführte Lebensende die größere Sorge sein. Aber sind wir mal optimistisch bei uns „WirHiers“. LautHeinz-Dietrich Ortlieb, kommt es bei der Frage, ob Macht, speziell sprach er von Monopolen, auch was positives hat, darauf an wer sie hat. Ich nehme mal an das war so zynisch bis sarkastisch gemeint. Aber natürlich braucht man sowohl für das „Gute“ wie auch das „Schlechte“ hinreichend Macht. Fragt sich eben nur wie die zustande kommt. Durch (bewusst) wenige oder einfach durch hinreichend viele.

Bei der Frage, ob Konzernmacht schadet kommt es also darauf an wer sie besitzt. Bei uns ist das wohl meist mittelfristig der Aufsichtsrat, kurzfristig die Unternehmensleitung. Auf die Macht der Kunden will ich erst später eingehen. Der Aussichtrat besteht so mehr oder weniger, eher weniger, anteilsgleich aus Betriebsräten, Gewerkschaften und vor allem den Anteilseigentümern. Oder eben deren Vertretung bzw. „Assets-Verwaltern“. Gerade von diesen „Assets-Verwaltern“ gibt es nicht so viele, dadurch haben die wenigen große Vermögen im Portfolio.

Also bei Konzernmacht ist es die spannende Frage wer jetzt eigentlich mehr Macht hat:
Die Unternehmensleitung?
Der Aufsichtsrat?
Die Finanzmarktakteure?
Oder doch die Gewerkschaften?

Über die Macht der Gewerkschaften und Arbeitnehmer im Allgemeinen, habe ich ja schon mehrfach was geschrieben (z.B.hier). Dabei hatte ich mich meist an der Aufteilung zwischen Organisationsmacht, Prozessmacht und Marktmacht von Beverly J. Silver orientiert. Für Marktmacht gilt: Konzern bieten ja wohl immer auch den Faktor Arbeit zumindest indirekt ihren Kunden mit an. Und je nachdem wie die Marktsituation für die Arbeiter aussieht, können sie als Träger des Faktors Arbeit natürlich schon über den Markt großen Druck und damit Macht im Konzern aber auch Gesamtgesellschaftlich auf Fragen der Verteilung, Priorisierung und Regulation ausüben. Aber immer nur im Rahmen der Nachfrager(-macht). Wenn es an Marktmacht fehlt bleiben noch die andern beiden Optionen. Prozesse bestreiken, durch Organisation Verbündete für hinreichende Solidaritätsaktionen oder staatliche Macht, die kann man auch gegen Nachfragermacht(-missbrauch) einsetzen, finden.

Die andern Mächte in den Konzernen können dann, wiederum nach Beverly J. Silver, mit einem der 3 „Fixes“ Antworten:
Entweder Verlagerung des Produktionsstandorts in Gebiete mit weniger Organisation der Arbeiter z. B. durch weniger mächtige Gewerkschaften.
Oder Automation und dadurch weniger Bedarf an Arbeitskräften.
Oder durch „Förderung verantwortlicher Gewerkschaftsarbeit“.

Bleibt noch die Kundenmacht und die „Wählermacht“ mittels des Staats. Solange Unternehmen oder Konzerne durch ihre Größe oder Marktstellung nicht praktisch ein Angebotsmonopol haben, können die Kunden natürlich immer die Bedingungen zumindest mit diktieren. Und der Staat je nach Verfassung und Unternehmensmacht auch.
National müssen sich die Kunden dafür aber organisieren um hinreichend Druck aufbauen zu können, solange die Konzerne aus ihrer Sicht nicht eh gerade zu „monopolig-mächtig“ und damit alternativlos sind.
Und international können/müssen sich neben den Kunden auch noch die Staaten organisieren um gegen international agierende Konzerne bestehen zu können. Dies geht zum Beispiel über gemeinsam- abgesprochen und von allen angewandte Rechtsstandards wie dem Lieferkettengesetz oder der globalen Mindeststeuer.

Aber wenn die nationale Nichteinhaltung solche globalen Mindeststandards nicht hinreichend unterbunden wird, werden spätestens Staaten die vom Außenhandel her in Bedrängnis geraden diese wohl kaum freiwillig einhalten. Und Regierungschefs die nur auf den kurzfristigen Vorteil für ihr Land und/oder sich selbst aus sind sowieso schon mal auch nicht.

Einen Deregulierungswettlauf zumindest einiger Staaten nach unten wird man effektiv wohl nur verhindern können, wenn man international für feste Mindestverteilungsquoten zumindest an den Produkten, besser auch schon hinreichend bei der Produktion sorgt. Nur dann schwindet dieser existenzielle Druck der einige Staaten dazu treibt bei Standards immer weiter runter zu gehen.

Aber werfen wir nun mal noch einen Blick auf das eigentlich noch recht wenig beleuchtete Machtverhältnis zwischen Unternehmensleitung, Aufsichtsrat, Eigentümer und Kapitalverwaltern.

Die tagesaktuelle Macht liegt natürlich bei der augenblicklichen Unternehmensleitung, wenn die alleine oder im Verbund mit andern „Konzern“-leitern genug Monopolmacht besitzt kann sie quasi jeden zu jedem Zeitpunkt „aushungern“ oder „trockenlegen“. Wenn der Aufsichtsrat, Eigentümer oder Finanzkonzernchef sich überspitz formuliert nirgendwo mehr mit dem täglichen Mindestbedarf mehr versorgen kann, nutzt ihm auch seine ganze mittel- und langfristige Macht nichts mehr. Dann ist er oder sein „Roben“-Verein bereits „erledigt“ bevor seine Maßnahmen greifen könnten.

Hier geht es also um das Verhältnis von kurzfristiger, mittelfristiger zu langfristiger Macht zueinander.

Also die Assetsbesitzer-„Roben“ müssen aufpassen das sie kurzfristiger nicht den Assentsverwalter-„Roben“ unterlegen sein können noch bevor sie ihre langfristiger größere Macht ausspielen könnten. Und beide zusammen müssen dies bezüglich ein Auge auf die Aufsichtsrat-„Roben“ werfen. Und alle drei dann eines auf die Unternehmenslenker-„Roben“. Eben von langfristiger Macht zu kurzfristiger. Natürlich sind auch („Kapital“-)Klassen-Übergreifende „Roben“- Vereine denkbar. Auf das alles muss der einzelne „Roben“-Träger achten, wenn er nicht zusätzlich nicht auch noch absolutistischer Herrscher ist. Aber auch dann sollte er das „Im-Auge-Behalten“ nicht vergessen.

Gleiches gilt für „Einbinden“ der Staats- und sonstiger gesellschaftlicher Gewalten, jenseits der gleich eigenen absolutistischen Herrschaft. Also durch Lobbyismus, Bestechung und/oder Bedrohung. Über diese Optionen kann der „Roben“- Verein quasi sein „Organisationstalent“, nach Beverly J. Silver, wenn dann wohl eher missbräuchlich, ausspielen. Zumindest bei Missbrauch sind sich dann die Anti-Missbrauchs und die generellen Anti- (Demokratischer) Staat- Handlungsmacht bestrebten mal einig. Letztere werden dann aber wohl meist gleich noch versuchen mehr oder weniger offen, „weniger“ kann dabei auch zu kulturellen Hegemonie-Projekten führen, versucht sein, gleich noch weitergehende staatlich Handlungsbeschränkungen mit durchzudrücken, die der Anti-Missbrauchstrupp eigentlich gar nicht wollte. Da geht es dann meist um das Absichern des über den Markt oder auch sonst wie zusammen geglaubte Anteile vor der staatlichen Umverteilungsmacht.

Damit sind wir dann auch bei den Punkten Konzerngröße und Eigentumsverhältnisse angelangt.

Wie so häufig bietet Größe auch bei Konzernen häufig Vorteile im Wettbewerb. Allerdings eben auf Kosten des Eingangs von Herrn Ortlieb bereits erwähnten Umstandes, dass es bei der Frage des Machtmissbrauchs, und Größe ist meist Macht, schlussendlich auf den ankommt der die Macht besitzt. Mit dem zulassen von großen Konzernen im eigenen Land verschaffen sich Staaten zwar einen Marktvorteil, allerdings auf Kosten der Machtmissbrauchsprevention. Denn selbst wenn der aktuelle Eigentümer der Konzernmacht „okay“ ist, muss der nächste das nicht automatisch auch noch sein. Und spätestens wenn ein Konzern an der Börse ist, hat meist kein Einzelner mehr hinreichend Einfluss auf die Nachfolge um dafür zu sorgen, dass es „okay“ bleibt.

Aber durch den Druck des internationalen Marktes haben die Staaten, ohne hinreichende Kooperation mit andern eben selten bis nie die Möglichkeit auf vorteilhafte Konzerngrößen zu verzichten. Im Fußball sind es ja von den meisten Nationen auch immer die gleichen Vereine die oben mitspielen. Wenn ein Land da national auf Gleichheit setzt sind die einzelnen Vereine dort wohl international chancenlos. Da bräuchte man solche Gleichheitsvorgaben schon international. Oder man trennt die internationale Ebene in solche Vereine mit nationaler Gleichheit und solche ohne. Für die Spannung wäre das bestimmt vorteilhafter. Wenn das mehr Zuschauer bringen würde, würde sich das auch gesamtheitlich und für die meisten auch einzeln auszahlen.

Genau das gilt auch für andere Unternehmungen, entweder schafft man als Staatengemeinschaft gemeinschaftlich faire Regeln zur Größenprevention, man begrenzt die Zwangsfreiheits-Gewährungs-Gemeinschaft auf diejenigen die hinreichend Wollen, oder man ist dem Druck hilflos ausgeliefert. Einige Staaten werden sich auch so über Wasser halten können, andere nicht. Aber auch solche „Über-Wasser“-Staaten sollten nicht vergessen darauf zu schauen, dass die Handlungen der Konzerneigentümer, deren Konzernmachtentstehung man toleriert hat, auch zukünftig ihren Interessen zumindest hinreichend (mit-)entsprechen. Und zwar den nachhaltigen. Wenn man als Staat einen natürlichen Vorteil hat und durch dessen ausnutzen für sich selbst zu viele andere vor den Kopf stößt, wird das auch kaum den nachhaltigen eigenen Interessen dienen.

Aber eigentlich sind es ja die Kunden mit ihrer Nachfrage, ihrer Auswahl, welche Unternehmen bis hin zu Konzernen erst aufgebaut und mächtig gemacht haben. Und als solcher wird man kaum wollen, dass diese Konzerne mal ihre durch die Kunden mit aufgebaute Macht, gegen einen einsetzen oder auch nur gegen die eigenen Wertvorstellungen. Deswegen sollte eine fair und nachhaltig funktionierende Staatengemeinschaft meiner Meinung nach auch immer Mittel bereit halten, um sicher zu stellen, dass die letztendliche Unternehmensmacht immer bei den Kunden bleibt und diese auch geistig in der Lage bleiben diese hinreichend auszuüben. Wenn ein Kunde oder spätestens eine hinreichend große Anzahl ein anderes Unternehmen auswählen möchte, darf dies nicht zu sehr durch Marktmacht, Patente, usw. erschwert werden. Grob gesagt, wenn 20% der Kunden sich für ein anderes Unternehmen entscheiden, soll das alte auch fair-unmittelbar um 20% schrumpfen. Und die Möglichkeiten für passendere Angebote anderer darf nicht zu sehr durch einen historisch gewachsenen Vorteil eingeschränkt werden. Also die Freiheit des Mächtigen muss zugunsten der Freiheit des potentiell unter den gewählten Bedingungen besseren eingeschränkt werden.

Und wer Kunde ist ergibt sich ja über die Kaufkraft und damit dort nicht doch diejenigen die man Marktmächtig werden hat lassen später mehr oder weniger die ganze Kundschaft darstellen, braucht es eine faire, mit universell moralischem Selbstanspruch, inklusive einer solange genug da ist mindestens bedarfsdeckenden Verteilung der Kaufkraft. Und damit das alles nachhaltig absichert werden kann eigentlich auch eine hinreichende Verteilung von Anteilen der Macht hin zu denen, denen man solch einen universell moralischen Selbstanspruch zumindest in tolerierbarem Umfang auch nachhaltig zutrauen kann.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

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