Marktzivilisationen

Plehwe und Slobodian D. Plehwe und Q. Slobodian haben gerade das Buch "Market Civilizations", "Neoliberals East and South" herausgebrach. Dort geht's um die Entwicklung neoliberaler Netzwerke außerhalb des Nord-Westens, im globalen Süden und Osten.

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Von Dieter Plehwe und Quinn Slobodian ist gerade ein neues Buch erschienen „Market Civilizations“. „Neoliberals East and South“. Wie der Untertitel schon andeutet geht es um die Entwicklung neoliberaler Netzwerke außerhalb des Nord-Westens und deren Einfluss auf die Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft im globalen Süden und Osten. Aber auch um den globalen Einfluss der Süd-Ost Neoliberalen auf das neoliberale Gesamtnetzwerk.

Das Buch ist so aufgebaut, dass es ein Vorwort und Nachwort der bzw. eines der Herausgeber gibt.
Zwischendrin stellen jeweils einzelne „Gastbeitragsautoren“ jeweils die Entwicklung in einem Land oder in einer Regionen im speziellen da. Die bekannteste dieser Gastautoren, zumindest für mich ist Isabella M. Weber, „HOW CHINA ESCAPED SHOCK THERAPY“. Entsprechend ihres Spezialgebiets schreibt sie über China.

Ich habe mir diese Woche mal die EBook-Version von „Market Civilizations“ gekauft. Bis das Hardcover geliefert worden wäre hätte einen Monat gedauert.

Eigentlich lese ich gerade die Aufsatzsammlung von Heinz-Dietrich Ortlieb (ehemaliger HWWA- Ökonom und SPD-Mitglied), daher habe ich bisher erst das Vorwort, das Nachwort und den ersten „Gastbeitrag“ über die Entwicklung neoliberaler Netzwerke in Japan gelesen oder besser überflogen.

Aber ich schaue ja mittlerweile seit über einem 1 Jahr, dass ich einmal die Woche, wenn ich nicht gerade erstmalig eine Corona-Infektion mit Erkältung, oder ähnliches, habe, einen Beitrag veröffentlicht bekomme, da mir der Einfluss dieser Netzwerke, die Plehwe und Slobodian als „neoliberal“ bezeichnen, ich würde mittlerweile eher von proprietär sprechen, zu groß geworden ist und dass dies noch dazu, nach meiner Meinung, zu wenig angesprochen wird.

Dieter Plehwe ist ja schon länger an den Themen rund um die Mont Pelerin Society, Hayek, Mises, die ganzen Koch Institutionen und dem Atlas Network dran.

Nun hat er also zusammen mit dem Kanadier Quinn Slobodian, auch ein alter Hase bei der Durchleuchtung dieser Themen, ein Buch herausgebracht, dass auch mal im globalen Süden und Osten die Entwicklung dieser Netzwerke nachzeichnet und auch Namen nennt.

Also wer hat(te) wo ein Mises Institut gegründet, wer hat(te) wo Einfluss auf die regionale Politik. Vor allem nach der letzten Präsidentenwahl in Südkorea, der dort Neugewählte beruft sich ja (bisher) gerne auf Mises und Hayek, aber auch mit Blick auf die Wahlen in Brasilien sieht man gleich wie wichtig es ist, da einmal den Scheinwerfer drauf zu richten. Sonst bewegen die sich zwar nicht im Verborgenen aber im wenig kritisch reflektierten Bereich.

Aber es geht zum Beispiel auch um den Einfluss der japanischen „Neoliberalen“ innerhalb der Mont Pelerin Society.

Neoliberal wird ja gerne als Leitsatz „Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, in den Markt, schaden.“ zugeschrieben.

Wobei das auch unter den ersten „Neoliberalen“ nie so einheitlich gesehen wurde. Die deutschen Ordoliberalen der ersten Generation waren ja durchaus für einen starken Staat, der Monopole unterbinden kann und eine allgemeine Grundsicherung verankert. Aber eben nur Grundsicherung. Und ihr Blick war vor allem national. Ansonsten wollten sie einfach auf flexible Wechselkurse vertrauen. Als ob die international eine Grundsicherung garantieren würden, auch für die importabhängigen Gesellschaften. Den internationalen Bereich haben sie quasi einfach den Hayeks überlassen. Und dem ging es eben vor allem um Freiheit des Eigentums vorm demokratischen Staat.

Eben um genau das was Ortlieb als den Unterschied zwischen dem extremen Freiheitswunsch in Eigentumsfragen und der Freiheit und Gerechtigkeit für jeden ansah.

Um diesen Unterschied deutlicher zu machen finde ich die Bezeichnung „proprietär“ von Thomas Piketty eben passender für das Atlas Institut und Co. als einfach nur „neoliberal“.

Hayek, Mises und Co. sprechen eben vor allem die Kreise an und wurden/werden von denen finanziert, denen es um den schon von Aristoteles angesprochen Handlungsspielraum der demokratisch gewählten Regierungen geht, großflächig von Reich zu Arm (oder Mitte) umzuverteilen.

Aristoteles stellte diesbezüglich in seinem Werk „Politik“ die Frage „Ist das gerecht?“.

Direkt für Zurückhaltung hierbei trat er vor allem aus Fragen der Macht zur Auflehnung durch die „umverteilungskritischen“ Reichen ein. Also es war ihm zu riskant. Ob sich Aristoteles Gesamtwerk wohl erhalten hätte, wenn er offen für faire anteilige Umverteilung und Beibehaltung eingesetzt hätte. Man weiß es nicht. Aber wie Hayek und Mises nach dem 2.Weltkrieg brauchte auch Aristoteles bestimmt zumindest zu Anfang Förderer. Und das Erhalten und Vervielfältigen von Werken über die Jahrhunderte braucht bestimmt auch „mächtige“ Unterstützung.

Aber wie auch immer. Ludwig von Mises- Seminare gab es, soweit ich gelesen habe, in den USA schon vor dem zweiten Weltkrieg und waren vor allem bei denen beliebt, die nichts über den Staat abgenommen bekommen können wollten. Und vor allem durch Roosevelts „New Deal“ waren diese Kreise alarmiert. Nach, und auch noch während, dem 2. Weltkrieg bekamen Mises, der musste wegen der Nazi-Judenverfolgung ja schon vorher auswandern, und Hayek, dann auch aus genau diesem Umfeld Jobs und Geld. Und mit demFEEentstand dann auch, wenn man Wikipedia da glaubt, das direkte Vorbild für Hayeks „Mont Pelerin Society“.

Liberalen wie Hayek und Mises und vor allem ihren Geldgebern ging und geht es meiner Meinung nach eben vor allem, um das Recht am Eigentum und die Begrenzung der demokratischen Zugriffsmöglichkeit. Den Old-Whigs wäre wohl ein Vermögens-Klassenwahlrecht am liebsten.

Freimarkt und Eigentumsfreiheit zur Optimierung der Wirtschaftskraft sind da, nach meiner Meinung nur ausreden. Einige geben das ja auch offen zu. Wenn man zwischen Wirtschaftsleistung und Eigentumsfreiheit unterscheiden muss, plädieren die für „die Freiheit“.

Und genau dazu passt die streng individualistische Sozialvertragstheorie von James M. Buchanan. Und die Ökonomisierung der Verfassung.

Das es also einzig als legitim anzusehen wäre wenn eine Verfassung nur Regeln enthalten würde denen jeder betroffene freiwillig zu gestimmt hat. Ganz ohne vorhergehenden Apell an den universell moralischen Selbstanspruch. Also einen Apell, dass man dann Regeln so wählen sollte, dass sie nicht nur das maximale für einen Selbst rausholen.

Diesen Fokus auf die Verfassungsausgestaltung ist mir beim Buch „Market Civilizations“, soweit ich es bisher gelesen habe, noch nicht besonders deutlich rüber gekommen.

Aber dass man mich da nicht falsch versteht. Diese genaue detaillierte Darstellung des Gesamtnetzwerkes auch jenseits des Nord- Westens ist eine enorm wichtige Arbeit und bisher glaube ich einmalig.

Also das Buch ist auf jeden Fall ein sehr wichtiger Baustein im detaillierten Nachvollziehen der Netzwerkstruktur, seiner Akteure und seines Einflusses.

Die Gefahr von dann doch noch eher durch vermeintliche Vorzüge weiterhin verschleierten Verfassungsänderungsbestrebungen aus dem Atlas Network heraus können und müssen dann eben andere hinreichend betonen. Die US-Historikerin Nancy MacLean hatet dies in ihrem Buch „Democracy in Chains“ für die US schön ausgeführt. Und auch Thomas Piketty geht da in „Kapital und Ideologie“ ausführlich drauf ein, wenn auch ohne Namen zu nennen.

Diese Namen haben Plehwe und Slobodian nun für den globalen Süd-Osten nachgeliefert.

Das war wichtig.

Von Max Weber in „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ stammt ja die Feststellung, dass es dem „echten“ Kapitalisten reicht, moralischen oder sonstigen Ansprüchen nur soweit zu genügen wie nötig. Und wenn der Schein schon reicht: Prima.

So ähnlich sehe ich das auch beim „Neoliberalismus“ oder „Altliberalismus“ von Hayek und Mises. Das Ziel ist den Staat, zumindest den demokratischen, davon abzuhalten auf das eigene Vermögen, Einkommen oder auch nur die eigenen Tauschverhältnisse zuzugreifen bzw. einzuwirken. Deswegen sind diese Theorien wohl auch meist im Micro-ökonomischen Bereich angesiedelt. Es geht eben um die individuelle Lage. Makro ist da nur soweit interessant, soweit eigene Interessen tangiert werden. Die intelligenteren und nachhaltigeren unter den „Meinslern“ werden sich auch auf Makro- Ebene um zumindest für sie selbst hinreichend ökologisches, sicheres und zukunftsorientiertes sorgen. Aber sind die auch im Atlas- Network?

Oder sind da vor allem diejenigen, die die eigene Gesellschaft ruinieren wollen am Werk? :)Um noch Gustav von Schmoller zu zitieren. Oder eben die Inkonsequenten, vor denen Herr Schmoller im gleichen Satz auch gleich mit gewarnt hatte. Auch Heinz-Dietrich Ortlieb hatte ja später darauf hingewiesen, dass nach seiner Meinung, im Marxismus es für nötig gehalten wird die kapitalistische Maschine erstmal voll zu entfalten, damit auch genug „Schwung“ für die Revolution entsteht. Also bis zu diesem Zeitpunkt können solche Revolutionäre, die Proprietären und die inkonsequenten „Meinsler“ ruhig zusammenarbeiten.

Die einen für eine klassenlose Gesellschaft, andere für eine Wahlklassengesellschaft und der Rest aus dem Affekt nix abgeben, priorisieren oder regulieren zu müssen.

Also für mich sind angebliche Effizients-, Gerechtigkeits-, Motivations- und Wachstumseffekte durch Reduktion von Umverteilung, Priorisierung und Regulierung im Kern nur bewusste oder verdrängte Ausreden um auch Gut- und Gerngläubige mit ins jeweilige „Wunschboot“ zu holen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP