Iran. Können Wächterräte auch eine "gute" Rolle spielen?

Vom Protest in die Zukunft? Welche Entwicklung kann man dem Iran wünschen? Auf was kann man hoffen, was sollte einem Sorgen bereiten?

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Mit dem ReichElamgrenzte der „historischeIran“ ja schon seit Jahr und Tag an eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation: An dieSumererim Zweistromland. Dort entstand nach Ansicht der aktuellen Geschichtsforschung so im 4.Jahrtausend vor dem Beginn unserer Zeitrechnung die erste Hochkultur der Menschheit. Und eben direkt nebendran traten so im 3.Jahrtausend vor Christus die Proto-Iraner auf die Bühne der sich entwickelten historisch fassbaren Welt.

Also die „Iraner“ sind schon immer mit dabei. Wobei zu deren historischen Wurzeln auch die Meder, Perser und Parther gehören. Die auch ziemlich genau in dieser Reihenfolge die Regionen des heutigen Irans und auch teilweise darüber hinaus alle einmal mehr oder weniger lange alleine beherrscht hatten. Die Perser spielten ja vor allem durch ihre Auseinandersetzungen mit den Griechen und der Größe ihres antiken Reiches für Europa ein nicht gerade unbedeutende Rolle.

Im Gegensatz zu Griechenland gab es im „historischen Iran“ aber quasi nur Herrschaftsdynastien und keine demokratischen Phasen. Daran änderte auch die Eroberung des Perserreiches durch Alexander nichts. Als Makedone war der eben gerade selbst nicht demokratisch geprägt. Und auch als die „Iraner“ mit dem Parther-Reich, das sich gegen Rom behaupten musste, wieder selbst das sagen in der Region hatten, ändert sich nichts an der dynastisch-königlichen Herrschaftsstruktur, die Macht ging also auch da nicht vom „iranischen“ Volk aus. Zeitlich folgte dann die Islamisierung. Ein Mongolensturm. Und dann die Etablierung einer schiitisch-islamischen Herrschaft. Bis es dann 1906 zu einerkonstitutionellen Revolutionkam. Das Ergebnis war dann eine säkular bestrebte konstitutionelle Monarchie. Bis die dann mit mehr oder weniger großem Einfluss von Außen wieder zerbrach und erst eine Monarchie und dann dieIslamische Revolutionvon 1979 folgte. Seitdem ist der Iran eine theokratische Republik unter Führung schiitischer geistlicher mehr oder weniger ausgeübt durch den Wächterrat.

Jetzt gibt es im Iran ja mal wieder Proteste, ausgelöst durch den Tod von Jina Mahsa Amininach einer Festnahme durch die Sittenpolizei.

Damit stellt sich auch wieder die Frage welche Entwicklung man dem Iran wünschen kann.

Mit Sicherheit keine einfache Destabilisierung durch hegemonisch Gesinnte aus dem Westen, die den Iran zurzeit vor allem als Hindernis auf dem Weg zur dauerhaften Degradierung Russlands zur regionalen Mittelmacht ansehen. Auch zu Rechte aus Israel wird man hierzu zählen müssen, wobei es denen direkt um die Kleinhaltung des Irans gehen dürfte.

Diese genannten Kräfte werden kaum an einer stabilen, gleichmächtigen, fairen (nach innen und außen) Entwicklung des Irans interessiert sein, und die Proteste nur oder zumindest vor allem aus hegemonischen Gründen unterstützen.

Bei der Einordnung für was die NATO aktuell eigentlich steht, ist es eben sehr schlecht, entweder aus Inkonsequenz oder tatsächlich aus hegemonischer Absicht, dass man Russland an Entscheidungen, welche direkt nach deren ihrem Wechsel vom totalitären Kommunismus zu einer demokratischen Staatsform, wohl auch in der Hoffnung auf eine andere Entwicklung, getroffen wurde, nun final festnageln will. Die damalige russische Entscheidung die Unabhängigkeit der Ukraine auch mit der, für die Verteidigung von Russland und auch allgemein der Ostslawen, Krim, welche ein Geschenk wohl zur ewigen Verbundenheit war, hier wurde quasi die Sicherheit Russlands als Vertrauensbeweis teilweise den Ukrainern anvertraut, auf dass man ewig zusammenbleiben soll, einer zugehörigen Landbrücke damit der dortige Militärhafen nicht von Russland abgeschnitten werden kann, und dem fehlenden Recht derjenigen ethischen Russen die je nach Entwicklung lieber mit einem fairen Anteil am Land wieder zurück nach Russland wollen, dies auch zu dürfen, zu akzeptieren war eben eine Fehlentscheidung, die Wohl auf zu viel Optimismus in den Wirren des Übergangs beruhen. Dass man sich darauf als Nato oder Staat des Westens, wenn einem auch nur etwas an Legitimität, mit universell moralischen Selbstanspruch, gelegen ist, nicht berufen darf oder kann müsste eigentlich jedem klar sein. Leider tun wir genau das aktuell. Wobei die (Kern-)Ukraine sich natürlich von Russland trennen darf. Die für Russland so wichtige Vereinigungsgeschenke, müssen die Ukrainer dann aber ebenso natürlich wieder an Russland zurückgeben. Alles andere ist unehrenhaft und führt nur zu ewigen Auseinandersetzungen.

Und wie stellt man sich als Westen denn vor, wenn im Iran nun tatsächlich ein demokratischer Systemwechsel stattfinden würde? Und dann einige Landteile lieber unabhängig wären? Will man dann auch zukünftig solch einen demokratischen Iran an Zustimmungen aufhängen, wenn die jetzt solchen Unabhängigkeiten zustimmen würden, dann aber merken würden, dass da für ihre Sicherheit zentrale Infrastrukturen mit rausgegangen sind? Trommelt man dann auch für Freiheit und warum eigentlich? Um durch Freimarkt und einem historisch gewachsenen Vorsprung Hegemon zu werden? Oder weil man inkonsequenter Weise so weit gar nicht denkt sondern einfach nur los- oder mit schreit wenn was zurückgeholt wird, womit ich nicht die russische Invasion in die Kern- Ukraine schönreden will, dass ist noch mal ganz was anderes?

Gleiches gilt für Demokratiebestrebungen in China.

Dadurch dass man im Ukraine-Russland Krieg fair-nachhaltige russische Interessen nicht berücksichtig, disqualifizieren sich die Regierungen des Westen aktuell gerade mehr oder weniger alle mit Blick auf ihre Verlässlichkeit, meiner Meinung nach, für diejenigen außerhalb aber auch innerhalb des „Westens“ die sich in ihren Staaten für Staatsstrukturen einsetzen die universell moralischen Selbstansprüchen genügen sollen.

Die Nato sollte zusammen mit dem Osten Europas bis hin zu Nordasien eine standardmäßige bewusst gleichgewichtige Vierteilung der Macht anstreben. Nord-Amerika, Süd-Amerika/Ozeanien, West-Europa und Ost-Europa. Dann achtet man bewusst auch auf eine ausgeglichene Wirtschaftskraft und garantiert sich gegenseitig eine nachhaltige Grundversorgung, solange genug da ist. Also Kooperation statt gegenseitige Hegemonie-Bestrebungen, letztere machen eh immer nur alles kaputt. Und wenn einer der 4 Blöcke doch Hegemonie anstrebt müssen ihn die andern wieder zur Räson bringen. Und zur Not besetzen. Also es kann durchaus sein, dass man Russland mal ihren Militärhafen „wegnehmen“ muss, wenn sie den Rest oder einfach ihre Nachbarn, jenseits fair-nötiger Interventionen, beherrschen wollen. Das darf aber nur solange erfolgen bis es wieder passt. Und das muss umgekehrt auch für die USA gelten. Es muss jedem klar sein, dass auch die früher oder später, jenseits schon jetzt vorhandener deklarativ-universalistischer Verblendung, mal so daneben liegen dass man sie temporärer Besetzung muss. Aber eben nur temporär und die USA dann nicht einfach unter den andern 3 aufteilen. Soviel sollte man „aus Versailles“ gelernt haben. Aber dazu darf die USA aus mittlerer Sicht natürlich nicht mächtiger sein wie der Rest. Da muss man umverteilen.

Schwierig wird es natürlich wenn gleich 2 oder gleich alle „aufs Ganze gehen“. Dann müssten die Kooperativen in den 4 Blöcken es schaffen sich mit hinreichender Macht aus ihren „Wir-Hiers“ zu lösen und sich gemeinsam den Hegemonen entgegenstellen. Dazu wäre tatsächlich so was wie Wächterräte, von den Kooperativen mit universell moralischem Selbstanspruch, von Vorteil und wohl auch nötig. Also die Kooperativen sollten, mit universell moralischem Selbstanspruch legitimiert, niemals wieder, außer wenn es im Übergang aus was noch Schlechterem keine passende Alternative gab, so viel Macht auch nicht an demokratisch legitimierte Institutionen, übergeben, dass sie im Notfall, wenn sie es nicht mehr für tolerierbar halten, sich nicht mehr den Hegemonen, den Anteilssammlern, den zu Unverträglichen (Psycho Big 5), usw. entgegenstellen können. Alles andere ist inkonsequent.

So gesehen hatte die islamische Revolution von 1979 tatsächlich einen neuen Institutionstyp geschaffen, der bisher noch in allen Herrschaftssystemen fehlte. Nämlich moralisch oder von Interessen legitimierte Institute einiger, innerhalb von Herrschaftssystemen. Gut, der iranische Wächterrat ist mehr ein Kontrollorgan der herrschenden theologischen Klasse für das Parlament, das eigentlich selbst keine wirkliche Macht hat.

Aber nichts desto trotz wurde hiermit der Keim eines neuen sehr wichtigen Institutionstyps bepflanzt. Die Wächterräte für die (fairen) Interessen und Werte von Teilgruppen bis Individuen die nicht selbst direkt herrschen aber auch nicht alles einfach hinnehmen wollen, was sie nicht mehr tolerierbar finden. An solche Wächterräte könnte man dann eine faire Verteilung und das Recht den gemeinsamen Herrschaftsbereich mit einem fairen Anteil an allem wieder zu verlassen, hängen. Dann könnte man als kooperativ gesinnter schauen, dass man innerhalb von Herrschaftsräumen mächtig genug bleibt/wird, damit es insgesamt aus seiner eigenen Sicht, mit universell moralischem Selbstanspruch, zumindest tolerierbar bleibt/wird. Das setzt aber natürlich voraus, dass die Wächterräte, die man zumindest noch für tolerierbar hält, mächtiger sind als die andern.

Für die aktuelle Situation im Iran bedeutet dies, dass man ihnen Wünschen sollte, dass sie wie 1906 eine neue Verfassung ausarbeiten können, die dass was von der islamischen Revolution gut war beibehält und das fehlende ergänzt. Mit universell moralischem Selbstanspruch. Und dem aktuellen iranischen Wächterrat und der theologischen Führung kann man wünschen, dass sie aus moralischer Sicht mit universellem Selbstanspruch noch tolerierbar sind bzw. es zügig genug werden. Sonst müsste man, am besten die restlichen Iraner selbst, sie hinreichend eindämmen. Nicht mehr und nicht weniger.

Und diesem Iran kann man dann Wünschen, dass er zusammen mit einem ebenso entwickelten Russland, die sind dann halt in 2 Blöcken, mächtig genug ist sich unfairen Hegemoniebestrebungen aus dem Westens entgegenzustellen. Aber eben als die zumindest noch mit universell moralischem Selbstanspruch Tolerierbaren, nicht einfach als selbst Möchtegern Hegemonen oder zu Unverträgliche (Psycho Big 5) oder zu Diskriminierende bis (Gruppen-)Feindliche aus welcher Intention auch immer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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