"Kuffar. Die Gottesleugner"/Deutsches Theater

Theater-Premieren-Kritik Auf der kargen Drehbühne springt der knapp zweistündige Abend zwischen seinen beiden Handlungssträngen sowie dem Jahr 1980 und der Gegenwart hin und her.

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Der Abend zeichnet ein überzeugendes Porträt der hoffnungslosen Lage in der Türkei: Das junge Paar erzählt von Folter und übt sich in konspirativen Techniken, streitet über Auswege und geht 1980 ins Exil. Ismail Deniz (der schon als „Siegfried“ in der Nibelungen-Komödie „Gold“ von Nuran David Calis besetzt war) und Vidina Popov spielen das mit der Wut und Verzweiflung junger linksradikaler Aktivisten. Die beiden DT-Ensemble-Routiniers Almut Zilcher und Harald Baumgartner lassen uns die Wehmut und Ratlosigkeit der Eltern spüren, die um ihr Land und ihren Sohn trauern, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Diese Passagen zur aktuellen Lage in der Türkei sind schlüssiger und stärker als Nurkan Erpulats gescheiterte Familienaufstellung „Love it or leave it“ vor wenigen Wochen am benachbarten Gorki.

Schwieriger ist der zweite Handlungsstrang: Christoph Franken steht als eifernder Hakan recht verloren im Raum. Als er in Tränen ausbricht und zu düsteren Monologen ansetzt, wirkt dies zu pathetisch und etwas aufgesetzt. Der Abend versucht gar nicht erst, für seine Radikalisierung eine schlüssige Erklärung anzubieten und beschränkt sich auf die Andeutung, dass er sich von den Eltern vernachlässigt und als Migrant der zweiten Generation in Deutschland nicht angenommen fühlt.

Warum so viele Jugendliche den Salafisten und anderen Rattenfängern bleibt tatsächlich ein Rätsel, an dem sich schon viele Sozialwissenschaftler, Publizisten und Präventionsforscher die Zähne ausgebissen haben. Auch Milo Rau konnte bei seiner belgischen Expedition „Civil Wars“ auch keine überzeugenden Antworten finden und blätterte stattdessen in Familienalben.

Ausführlichere Kritik ist hier zu lesen

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