Bye, bye, Gutti

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Jetzt zieht er weg, geht nach Amerika (Ost), um dort ein neues Leben zu beginnen.

Wir (die Looser aus den geburtenstarken Jahrgängen) werden ihn vermissen. Denn Gutti war einer von uns. Und das schreibe ich ganz ironiefrei. Ein Blender, der sich irgendwie durchs Leben mogelte. Genau wie ich und Dutzende anderer Leute, die ich kenne. Aufgewachsen in saturierten Verhältnissen, natürlich aufs Gymnasium gegangen und ein Einser-Abitur hingelegt. Aber Einser-Abitur hat heute nichts nichts mehr zu sagen (-> Adorno: Halbbildung), man weiß trotzdem nicht, wie das Leben funktioniert. Kein struggle for life denn Pappi hat schließlich Kohle ohne Ende. Und mal in irgendein Drecksloch zu ziehen und rauszufinden wie das Leben ziemlich weit unten so ist, ist nur beim "Prinz von Zamunda" romantisch. Das macht man nicht freiwillig.

Um eine kleine Ahnung vom harten Leben abzubekommen geht man zum Militär. Aber auch da ist tote Hose, denn schließlich hat Deutschland keine Feinde mehr, die es bedrohen. Man sitzt in der Kaserne, langeweilt sich, besäuft sich, guckt Pornos und versucht, sich so häufig wie möglich vom Dienst zu drücken. Immerhin ist man zum Ende des Wehrdienstes mental reif fürs Studium. Man schreibt sich also kurz darauf an irgendeiner Uni ein und genießt das Studentenleben. Schnell entpuppt sich aber auch die Universität als große Enttäuschung. Man dachte immer, dort wird einem die Weisheit intravenös eingeflöst. Aber nichts da. Man kann bspw. 15 Semester Mathe studieren ohne auch nur die geringste Ahnung von diesem Fach zu kriegen. Mit Auswendiglernen kommt allerdings prima durch die Prüfungen. Und so hat man da überall eine Eins stehen, weiß aber innerlich, das man bestenfalls über fundiertes Halbwissen verfügt. Die einzige Zeit, wo man tatsächlich etwas vom harten Leben zu spüren bekam, war, wenn man in den Semesterferien jobben musste und zum erstenmal erfuhr, was es heißt, in einem Schlachthof zu arbeiten.

Während der Uni-Zeit trennt sich allerdings die Spreu vom Weizen. Der Lehrersohn bspw. hatte hoch und heilig geschworen, nie wieder eine Schule zu betreten. Aber irgendwann dämmert die Einsicht, dass Lehrer der beste Beruf ist, den er erwarten kann. Zwölf Wochen Ferien, ein gesichertes Einkommen und Verbeamtung. Und so begibt er sich dannn wieder freiwillig in das kasernenartige Gebilde namens Schule, um Kinder Dinge beizubringen, die die nicht wissen wollen -und zwar zu Recht.

Auch Anwalts- und Arztkinder landen häufig unweigerlich in den Berufen ihrer Eltern. Man sollte überhaupt den Einfluss, den das Berufsleben der Eltern auf die Kinder hat, nicht unterschätzen. Lehrerkinder neigen bspw. nicht selten dazu. anderen ungebeten Vorträge zu halten, ohne die geringste Ahnung von der Vortragsmaterie zu haben. Der Fall, das Kinder einen völlig anderen Beruf ergreifen als ihre Eltern, ist nicht so häufig wie man denkt. Dass ein Metzgerssohn Komponist wird, ist überhaupt nur einmal vorgekommen (Antonin Dvorak).

Auch Gutti ist letztendlich das geworden, was seine Eltern und Vorfahren waren: Herrenreiter. Und als Ursula von der Leyens Karriere als Medizinerin -sagen wir mal- suboptimal endete, haben Pappi Ernst Albrecht und "Bild"-Zeitung dafür gesorgt, dass sie noch schnell einen einträglichen Job in der Politik fand.

Die meisten von uns, die zwischen 1960 und 1980 geboren wurden, sind irgendwie durchs Leben gedriftet, ohne zu wissen, was wir eigentlich wollen und sind dann irgendwann in Berufen gelandet, die wir nie machen wollten. Dass nun ausgerechnet Guttenberg sein Schlawinertum auf die Füße fällt, ist nicht ganz fair. Aber mit der Kohle im Rücken kann er es verkraften.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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