Endlich! Autofahren wird zum Privileg für Besserverdiener

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So schreibt Welt Online und ich bin der Ansicht, dass man gute Nachrichten auch mal feiern sollte, selbst wenn sie der Springer-Konzern verkündet.

„Autofahren wird in Deutschland mehr und mehr zum Privileg für Besserverdienende. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der viele Menschen abgehängt werden.“

diktiert der Vorsitzende des Auto Clubs Europa (ACE), Wolfgang Rose, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Autofahren als Menschenrecht, es gibt wirklich gar nichts mehr, für dass sich Lobbyisten noch zu schade sind.

Dabei ist das Gejammer über das Auto als Luxusartikel einigermaßen verlogen, denn das Auto ist nie etwas anderes gewesen.

Reden wir erstmal grundsätzlich über die Kosten der flächendeckenden Automobilisierung des Gesellschaft: Zersiedelung der Landschaft, Umweltzerstörung durch Versiegelung von Naturflächen, Abgase, Förderung von Erdöl, Lärm.

Dazu kommen als politische Folgen die Abhängigkeit von erdölexportierenden Ländern mit der Notwendigkeit, bei Bedarf Kriege führen zu müssen, um den Rohstoffnachschub zu sichern.

Auch die Folgen für das urbane Leben sind beträchtlich, da unsere Städte inzwischen zu großen Parkplätzen degeneriert sind oder Kinder in eingezäunten Arealen spielen müssen, um sie vor dem Verkehr zu schützen.

Mit der Autoindustrie erlebte auch die Bankenindustrie ihren Aufstieg durch die Konsumentenkredite. Schließlich können die wenigsten ein Auto bar kaufen. Die meisten Leute müssen über Jahre hinweg Kredite abstottern. Es gibt eine flächendeckende Verschuldung der Bevölkerung durch den Autokauf.

Die kapitalistische Arbeit selber erlebte mit der Fordschen Fließbandproduktion und der Taylorschen Arbeitsorganisation eine weitere Verdichtung, die einer Aussaugung des "Menschenmaterials" gleichkam. Die ersten Arbeiter Ford in Köln wurden von den anderen als "Ford-Leichen" bezeichnet.

Kommen wir aber zurück zum Auto als Luxusartikel.

Der Sozialphilosoph Andre Gorz schreibt über das Auto als Luxusartikel:

Im Unterschied zum Staubsauger, zum Fernsehgerät oder zum Fahrrad, die auch dann ihren Gebrauchswert behalten, wenn alle Welt sie besitzt, ist das Auto so wie eine Villa an der Cote d'Azur, nur insofern von Interesse und von Vorteil, als die Masse nicht darüber verfügt.Eben weil das Auto seiner Konzeption und seiner ursprünglichen Bestimmung zufolge ein Luxusgut ist. Und Luxus lässt sich dem Wesen nach nicht demokratisieren: sobald jedermann Zugang zum Luxus hat, zieht niemand mehr einen Vorteil daraus. Im Gegenteil, jeder hintergeht, täuscht und enteignet die anderen und wird von ihnen hintergangen, getäuscht und enteignet...

Nimmt ein Auto nicht ebenso wie eine Villa mit Strand einen knappen Raum ein? Beraubt es nicht die anderen Benutzer der Straße.

(aus: Auswege aus dem Kapitalismus)

Was aber passiert aug gesellschaftlicher Ebene, wenn man versucht, Luxus zu demokratisieren. Wieder Gorz:

Die Leute stürzten sich sich auf die Autos, bis die frustrierten Autofahrer feststellten, dass man sie reingelegt hatte, als auch die Arbeiter Zugang dazu erhielten. Man hatte ihnen ein bürgerliches Privileg versprochen; sie hatten sich verschuldet, um Zugang zu ihm zu bekommen, und nun stellten sie fest, dass alle Welt gleichzeitig Zugang dazu hatte. Was aber ist ein Privileg, wenn alle Welt es sich verschaffen kann? Es ist ein Kuhhandel. Schlimmer noch, es ist der Kampf jedes Einzelnen gegen alle. Es ist die allgemeine Lähmung durch allgemeines Gezänk. Denn wenn alle mit der privilegierten Geschwindigkeit der Bürgerlichen fahren wollen, ist das Ergebnis, dass gar nichts mehr läuft, dass die Geschwindigkeit im Stadtverkehr -in Boston wie in Paris, in Rom oder in London - unter die der Pferdebahn sinkt und am Wochenende auf den Entlastungsstraßen im Durchschnitt unter die Geschwindigkeit eines Radfahrers. (ibid.)

Der österreichisch-amerikanische Soziologe Ivan Illich kommt beim Auto zu folgenden Resumee:

Der Fußgänger legt in einer dem Transport gewidmeten Stunde ebenso viele Kilometer zurück wie der Autofahrer, widmet seinen Fortbewegungen insgesamt jedoch fünf- bis zehnmal weniger Zeit als dieser. Moral: je mehr schnelle Fahrzeuge in einer Gesellschaft verbreitet werden, desto mehr Zeit verbringen und verlieren die Leute -ab einer bestimmten Schwelle - mit ihrer Fortbewegung. Das ist unumstößlich.

Und was heißt das für die Linke? Man sollte das Auto endlich als antisozialen Luxus brandmarken!

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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