Fadime ist tot! Danke Japan!

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..oder wie ich einmal zum Frauenfußballfan wurde und ihn dann wieder hassen lernte.

Wir schrieben das Jahr 2003. Fußballherren-Deutschland befand sich in keiner guten Verfassung. Zwar war Rudis Gurkentruppe ein Jahr zuvor Vizeweltmeister geworden, aber wer sich die Spiele angeschaut hatte, konnte das nur als Witz empfinden: hinten dicht machen und vorne hoffen, dass Ballack irgendetwas einfällt. Man wusste immer instinktiv, dass man von wirklich guten Mannschaften wie den Niederlanden an schlechten Tagen 0:5 aus dem Stadion gefegt werden würde. Eines Abends im Sommer 2003 schaltete ich an einem sonnigen Sonntagabend den Fernseher sein und rieb mir verwundert die Augen. Ein Hauch vom alten Siebzigerjahre-Fußballglanz wehte durchs Wohnzimmer. Personen, die das Trikot der deutschen Nationalmannschaft trugen und kombinierten wie Netzer und Overath zu besten Zeiten. Sie hörten auf Namen wie Künzer, Jones, Prinz oder Garefrekes. Ich hatte mich zufällig in das Endspiel der deutschen Frauennationalmannschaft reingezappt und es war die wahre Pracht, wie die deutschen Damen spielten, was nicht zuletzt daran lag, dass man in der Fußballentwicklung etwas hinterherhinkte und solche Unarten wie das taktische Foul noch nicht kannte, was aber im Endeffekt dem Spielfluss sehr zugute kam. Gegner war Schweden, die man dann in der Verlängerung besiegte. Es gab noch ein paar kurze Interviews und dann war der Kuchen gegessen. So geht Fernsehsport!

Wir befinden uns im Jahr 2011. Frauenfußball-WM im eigenen Land. Vorbei mit dem schönen Fußball. Ein mafiaähnliches Kartell aus Medien, Politik und DFB hat Sommermärchen befohlen. Sommermärchen, das kennt man noch von der WM 2006: schlechter Fußball und nationaler Vollrausch.

Um das große Event medial etwas zu puschen, hatte man einen Tatort mit dem Thema Frauenfußball in Auftrag gegeben, der zum schlechtesten Tatort aller Zeiten geriet und dem Wort "Fremdschämen" eine ganz neue Dimension verlieh. Theo Zwanziger legte bei der Gelegenheit einen Cameo-Auftritt hin, damit verglichen Berti Vogts in seiner Tatort-Einlage wie Jack Nicolson spielte. Auch der eine oder andere Talkshow-Dumbatz wie Frank Plasberg ließ es sich nicht nehmen, das Thema medial abzugrasen. Bei der Gelegenheit durften dann die Frauen rumweinen, dass sie weniger Anerkennung und weniger Kohle als ihre männlichen Pendants kriegen. Beileid Mädels, aber das geht 99 % der Bevölkerung genauso. Natürlich übertragen ARD und ZDF live und aus den Heldinnen von einst sind Funktionärinnen oder -noch schlimmer- Fernsehexpertinnen geworden. Steffi Jones ist der weibliche Franz Beckenbauer; ein bitteres Schicksal, das man dieser netten Frau gern erspart hätte. Die ehemalige Nationaltorhüterin Silke Rottenberg darf jetzt als Expertin genauso hohle Phrasen ausstoßen wie Olli Kahn. So geht Emanzipation! Glückwunsch! Natürlich lungert auch die Politprominenz in den Stadien herum. Man hat ja sonst nichts zu tun. (Die FIFA legt ja angeblich großen Wert darauf, dass sich die Politik nicht in den Fußball einmischt. Aber wieso darf die Merkel dann überall herumschleichen, auch in den Umkleidekabinen der Fußballer?)

Gestern war WM-Viertelfinale gegen Japan und Nationaltrainerin Silvia Neid hatte die taktische Devise ausgegeben, so zu spielen, dass jedes männliche Vorurteil über Frauenfußball bestätigt wird. Und so rannten die Damen hirnlos 120 Minuten gegen das japanische Tor an, ohne eine einzige richtige Torchance herauszuspielen. Besonders beliebt war es, den Ball immer genau dorthin zu spielen, wo möglichst viele Japanerinnen standen. Das war der rechte Flügel, wo Garefrekes und Kollegin schon allein wegen Platzmangel nicht durchkamen. Gern genommen war auch der Querpass in den Rücken der Mitspielerin oder sich den Ball 2 Meter zu weit vorzulegen. Sehr fair auch von den deutschen Damen, vielversprechende Konter zeitig abzubrechen, um den Japanerinnen Gelegenheit zu geben, sich neu zu sortieren. Ebenfalls Fairplay war es, Eckbälle und Freistöße so tief in den Strafraum zu schlagen, dass sogar die 1,60 m großen Japanerinnen sie wegköpfen können. Den Japanerinnen reichte ein lichter Moment, um die Deutschen K.O. zu schlagen. Anschließend wurde natürlich analysiert bis der Arzt kommt. Das scheint eine mediale Grundregel zu scheint: Je weniger es zu sagen gibt, desto mehr wird gelabert. Im Idealfall wird überhaupt kein Fußball mehr gespielt. Die ganze Veranstaltung besteht nur noch aus Vorberichten, Politikerinterviews, Expertenanalysen und Waldis-WM-Club. Der Fußball an sich könnte ausfallen. Und was das Labern angeht, können die Ritterdamen der Schwafelrunde mit Delling und Co. inzwischen gut mithalten.

Aber jetzt ist gut mit Sommermärchen! Vielleicht sieht man ja noch ein paar schöne Spiele. Solche wie sie früher die deutschen Frauen hingelegt haben -damals in den goldenen Zeiten. Damals 2003, als sich noch niemand für Fraußenfußball interessierte und er gerade deswegen so gut war.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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