Gestern bei Maybrit Illner

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Eine Talkshow im deutschen Fernsehen halte ich schon länger nicht mehr von Anfang bis Ende durch. Trotzdem zappe ich immer mal wieder gerne für ein paar Minuten hinein, denn die Hoffnung, den ersten intelligenten Wortbeitrag live mitzuerleben, stirbt zuletzt.

Auch gestern bei Maybritt Illner wurde diese Hoffnung wieder enttäuscht. Das Thema war die neue Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer. Wird D von billigen Arbeitskräften überrollt? Gute Frage!

Als ich reinzappte, ging es um den Mindestlohn. Dann kam wie üblich die händeringende Suche deutscher Unternehmen nach Fachkräften.

Merke: Deutsche Unternehmen suchen immer -und zwar grundsätzlich händeringend-nach Fachkräften. Ich bspw. such entweder intensiv nach etwas; wenn ich etwas dringend brauche und nicht finden kann, dann suche ich auch schon mal verzweifelt; prinzipiell suche ich aber nie händeringend, denn was hätte das für einen Sinn, beim Suchen die Hände über den Kopf zu ringen. Das ist anstrengend und behindert nur bei der eigentlichen Suche.

Der Arbeitgebervertreter in der Runde wusste von schlimmen Sitten zu berichten. So hätte sein Unternehmen mehrere neue Mitarbeiter über einen Monat eingearbeitet und die hätten dann einfach in den Sack gehauen und wären ohne ein Wort der Arbeit weggeblieben. Was der Arbeitgeber da heulsusig beklagt ist ja wohl nichts anderes als die gute alte Probezeit, die es sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern gestattet, zu testen, ob die Zusammenarbeit wohl hinhaut. In über 90 % der Fälle dürfte es der Arbeitgeber sein, der die Probezeit vorzeitig beendet, weil der Kandidat ungeeignet ist. Zwar ist der Stil des Abgangs, wenn der Arbeitgeber wahr spricht, etwas optimierungsbedürftig, aber grundsätzlich hat der Flüchtling nicht falsch gemacht. Die beklagte Sittenverluderung ist also nichts anderes als eine vor allem für Arbeitgeber vorteilhafte Regelung, mit der sie unpassende Mitarbeiter schnell loswerden können und die ihnen diesmal auf die eigenen Füße gefallen ist.

Zum Thema Fachkräftemangel gab es auch ein kleines Einspielfilmchen, das das deutsche Unternehmen Bosch auf einer Jobbörse in Warschau zeigte.

Dass die Firma Bosch Schwierigkeiten hat, Fachkräfte zu finden, überrascht mich kein bisschen. Liest man sich eine Stellenanzeige der Firma durch, wird einem sofort klar, wieso die niemanden finden. Hier mal die Stellenanzeige für einen Key-Account-Manager:



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Konzeptionelles Denken und Handeln/Denken in Zusammenhängen
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Reichlich Holz, sowohl was Qualifikationen als auch Anforderungen angehen. Kein Wunder, dass die Bewerber nicht Schlange stehen.

Die finden wahrscheinlich niemanden, weil es keinen gibt, der so etwas machen könnte. Woher soll ein Uni-Absolvent oder eine andere Fachkraft diesen ganzen Plunder können. Aber nicht nur Bosch schaltet solche Stellenanzeigen; fast jedes andere deutsche Unternehmen ist auch auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau, die für wenig Geld und mit Top-Berufserfahrung 18 Stunden am Tag arbeiten möchte.

Einfach mal halblang machen, Bosch, vielleicht klappts dann auch mit den Fachkräften.

Als Nächster äußerte der notorische Hans-Werner Sinn die Befürchtung, dass nicht junge qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland kommen, sondern ältere unqualifizierte Arbeiter wegen der üppigen Sozialleistungen in Schland.

Gleichzeitig wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Zugezogene erst nach 5 Jahren Aufenthalt Sozialleistungen kriegen können. Also ein älterer Osteuropäer muss sich erst 5 Jahre mit lausigen Jobs durchschlagen, bevor er auch nur einen Euro Hartz-IV kassieren kann und von Hartz-IV-Leistungen kann man ja auch nicht gerade in Luxus und Pomp leben. Ich glaube, da muss sich der Sinn keine Sorgen machen, dass die ganzen Paupers hierhin kommen.

Danach hats mir dann mit Maybrit gereicht.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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