Hau den Griechen!

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Die Deutschen sind doch angeblich immer so gut darin, aus der Geschichte zu lernen. So haben sie mühsam herausgefunden, dass man Menschen nicht in Konzentrationslager steckt und ermordet. Andere Völker brauchen so etwas nicht zu lernen, die wissen das ohnehin Aber selbst wenn es mal eine wirkliche Gelegenheit gäbe, aus der Geschichte zu lernen, nehmen wir Deutschen sie nicht wahr.

Es gäbe nämlich reichlich Möglichkeiten. So etwa in der jüngeren Zeitgeschichte. Am 1. Juli 1990 gab es die Währungsunion zwischen der DDR und der BRD. Die DDR führte die D-Mark ein. Eine Währung für zwei völlig unterschiedliche Wirtschaftsräume: die hochindustrialiserte, hocheffiziente westdeutsche Wirtschaft und die bankrotte ostdeutsche Wirtschaft. Die harte D-Mark gab der ohnehin schon am Boden liegenden DDR-Wirtschaft den Rest, da sie nicht konkurrenzfähig war und ihre -sagen wir mal- optimierungsbedürftigen Produkte nun in harter Währung verkaufen musste. Die brauchbaren Reste dieser Wirtschaft wurden von der Treuhand an westdeutsche Unternehmen verkauft. Der Rest wurde abgewickelt. Die DDR-Bürger freuten sich zuerst über die harte D-Mark, die ihnen Konsum und Reisen ermöglichte. Aber irgendwann war die Kohle verpulvert und die Arbeitsplätze weg. Die westdeutschen Unternehmen freuten sich über steigende Umsätze aufgrund der neuen Absatzmärkte im Osten und natürlich über die leichte Beute, die sie mit den angeschlagenen ostdeutschen Firmen machten.

Nach dem ersten Rausch wurde Ostdeutschland dauerhaft von westlichen Transferleistungen abhängig, der Osten entvölkerte sich und die Arbeitslosigkeit nahm ungeahnte Ausmaße an. Der Solidaritätzuschlag wurde eingeführt. Und es entstand ein neues Bild: das des ewig nörgelnden Jammerossis, der wie unter Helmut Kohl leben und wie unter Erich Honecker arbeiten wollte.

Die westdeutschen Unternehmen hatten ihren Schnitt gemacht, nur der westdeutsche Otto-Normalverbraucher war pampig, weil er den wirtschaftlichen Niedergang mit seinen Steuern auffangen musste.

Der Staat pumpte Milliarden in den Osten. Aber da die man mangels Industrie das Geld gar nicht sinnvoll verwerten konnte, steckte man es in den Aufbau der Infrastruktur. Es entsand ein Bauboom einschließlich der damit verbundenen Auswüchse, zB der völlig überflüssigen Lausitz-Rennstrecke. Auch die ostdeutschen Verwaltungen wurden üppig aufgebläht, um die Kohle abzuschöpfen.

Obwohl der deutsche Staat direkten Einfluss auf die Angelegenheiten im Osten hat, hat er die Probleme bis heute nicht in den Griff gekriegt.

Heute wiederholen sich die gleichen Probleme auf europäischer Ebene. Eine Währung für völlig unterschiedliche Wirtschafträume. Die starke deutsche Wirtschaft konkurriert die südländischen Wirtschaften an die Wand. Die Deutschen müssen diesen Wettbewerbsvorteil mit niedrigen Löhnen ermöglichen. Die südlichen Länder kamen nach der Einführung des Euro billig an hartes Geld, mit dem sie einen Bauboom entfachten oder ihre Verwaltungen üppig aufblähten. Dann kam der Absturz des Südens mit hohen Schulden und einer nicht-konkurrenzfähigen Wirtschaft. Alles wie gehabt und wie zwanzig Jahre zuvor im kleineren Maßstab schon ausprobiert. Allerdings hat der Staat heute noch weniger Einflussmöglichkeiten als damals bei der ehemaligen DDR.

Die südlichen Länder sind am Ende und auf unsere Transferzahlen angewiesen, die deutsche Wirtschaft hat mal wieder einen blendenden Schnitt gemacht und der deutsche Steuerzahler darf zahlen. Wie gesagt: alles wie gehabt.

Und damit der kleine Deutsche auch ja nicht auf doofe Gedanken kommt, wer tatsächlich für dieses Drama verantwortlich ist, hat man auch in diesem Fall einen greifbaren Sündenbock gefunden: der faule, betrügerische Grieche mit achtzehn Monatsgehälter, der den ganzen Tag Ouzo-trinkend am Strand liegt und sich über die arbeitenden Deutschen lustig macht. Und um dieses Bild gründlich zu pflegen, gibt es in dieser Woche drei ARD-Talkshows zum Thema. Zwei davon, "Anne Will" und "Hart aber fair", habe ich gesehen. Einstimmiger Tenor bei beiden: hau den Griechen! Zwar tat man in beiden Sendungen so, als ob das Bild vom faulen Griechen nichts als ein blödes Vorurteil ist, nur aber um anschließend diesem blöden Vorurteil immer neue Nahrung zu geben. Bei "Hart aber fair" blieb es ausgerechnet dem Krawalljournalist und Griechenbasher Wüllenweber vom Stern vorbehalten, auf ein paar unschöne Details hinzuweisen, zB dass sich die Griechen einen kalten Krieg mit der Türkei in der Ägäis leisten und beide Seiten ihre Waffen für diesen Krieg aus Deutschland beziehen. Dass die Bundesregierung von den Griechen Sparanstrengungen im militärischen Bereich gefordert hat, ist nicht bekannt.

Das ist die Mentalität eines Kioskbesitzers, der sich über das schlechte Benehmen seiner alkoholisierten Kundschaft ärgert aber immer hocherfreut ist, wenn sich diese Kundschaft bei ihm mit Schnaps eindeckt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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