Huhu Voxtron, Ahlen!

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Seit einiger Zeit muss ich mich auf Feiern unangenehmen Fragen stellen. Wie es sein könne, dass ich immer noch arbeitslos bin, obwohl die Wirtschaft brummt und überall Fachkräfte gesucht werden? Schließlich sei ich selber doch auch eine Fachkraft. Gute Frage, auf die ich selber gerne die Antwort wüsste. Hier mal zwei Vermutungen.

Eine Antwort ist natürlich, dass Fachkraft nicht gleich Fachkraft ist. Wenn Elektroniker gesucht werden, nützt mir das gar nichts, da ich blöderweise kein Elektroniker bin.

Ein andere Antwort ist, dass das ganze Gerede vom angeblichen Fachkräftemangel ohnehin nichts als Bullshit ist. Als Beispiel diene hier die Firma Voxtron, die in Ahlen residiert. Die hat sich vor einigen Tagen in der "Ahlener Zeitung" über jenen berühmten Mangel an Fachkräften beklagt. Die AZ schreibt über den Chef Ralf Mühlenhöver:

Sein Angebot gilt: Ein Dutzend neue Arbeitsplätze in den nächsten sechs Monaten. Und noch vier Auszubildende dazu.

Hört sich erstmal gut an. Mühlenhöver setzt im Fortgang des Artikels dann zu der allseits bekannten Litanei an:

Aber: „Ich finde weder vernünftige Auszubildende noch feste Mitarbeiter.“ Mühlenhöver hats auf allen Kanälen versucht: Arbeitsagentur, Anzeigen, Internet, Headhunter...

Schon tausendmal habe ich dieses Gejammer gehört. Eine kurze Recherche auf der Jobbörse der Arge zeigt dann aber für die Firma Voxtron Null Treffer an. Komisch, denn wenn ich Mitarbeiter suche, würde ich erstmal auf der Jobbörse der Arge inserieren. Die mag zwar ihre Schwächen haben, ist aber nunmal die bekannteste Jobbörse. Auch bei der Jobbörse stepstone gibt es nichts zum Thema Jobs bei Voxtron. Auch bei Gigajobs.de totale Fehlanzeige. Wenn man aber nicht mal so clever ist, bei der Personalsuche auf den größten Jobbörsen zu inserieren, wie soll man dann an die Mitarbeiter kommen.

Also gebe ich bei Google die Suchworte "Job" und "Voxtron " ein. Als erster Link erscheint daraufhin karriere.at, ein Link auf ein österreichisches Karriereportal, mit der Antwort: 0 Treffer für Voxtron. Der zweite Link führt zu Jobs.de, ebenfalls mit Null Treffer für Voxtron.

Also geht man nicht faul zu der Homepage von Voxtron. Auf der Startseite ist nichts von Jobgelegenheiten zu lesen. Der Link "Karrieren" befindet sich in dem Untermenu "Über Voxtron". Das ist nicht gerade eine prominente Stelle.

Von den Dutzend Stellen, die angeblich gesucht werden, sind nur drei aufgeführt (oder übrig geblieben - wie mans nimmt).

Die Stellenanzeigen sind durchweg so geschrieben, dass sie jeden potentiellen Bewerber für immer vertreiben.Hier die Aufgaben, die einen Supportmitarbeiter erwarten:

  • Voxtron Support, per E-Mail und telefonisch
  • Aufsetzen und konfigurieren von virtuellen Maschinen
  • Einrichten und Pflegen der Fernwartungszugänge auf den VMs
  • Installieren von Demosystemen auf virtuellen Maschinen
  • Administration der internen IT
  • Installation beim Kunden vor Ort
  • Routerkonfiguration, Einrichten von DSL-Zugang und IPSEC-Verbindungen
  • Fernwartung auf Kundenrechner
  • Neuinstallation von Kundenrechnern im Hause (Axxium / agenTel)
  • Wartung der unternehmenseigenen TK-Anlage (z.B. des Asterisk-Servers) bzw. von Test-Anlagen
  • Fehleranalyse (Einwahl beim Kunden, Testen, Nachstellen, Logginganalyse)
  • Fehlerbehebung (Konfigurieren, Callflowanpassung, Einspielen von Hotfixen)
  • Aufwandsabschätzung für Kundenanfragen
  • Testen der Software aufgrund von Fehlermeldungen
  • Testen neuer Features
  • Interne Aufgaben (Betreuung und Installation v. Test- und Demosystemen, AZUBI-
  • Betreuung, Beteiligung an Verbesserung von Prozessen, u.s.w.)
  • Unterstützung von Kollegen beim Support oder Projektierung
  • Übersetzung (Softwarekomponenten, Handbuch, SDKs, etc.)
  • Im Bedarfsfall (der eine Ausnahme bleiben muss) Projektierung und Installation von neuen Systemen

Und das bietet die Firma im Gegenzug:

  • ein angenehmes Arbeitsumfeld, mit einem Team aus kompetenten, engagierten und freundlichen Mitarbeitern

  • eine abwechslungsreiche Tätigkeit mit einer Vielzahl verschiedener Aufgaben und guten Weiterbildungsmöglichkeiten

  • guten Sozialleistungen

Also ich darf nochmal zusammenfassen. Es erwarten einen 20 zeitintensive Aufgaben. Im Gegenzug kriegt man dafür gar nichts, denn ein halbwegs erträgliches Arbeitsumfeld sollte bei einer solchen Tätigkeit selbstverständlich sein; die abwechslungsreiche Tätigkeit ergibt sich allein schon aus der Vielzahl der Aufgaben und dass man für die Erfüllung dieser Aufgaben zur Not auch weitergebildet wird, ist auch nichts anderes als eine schnöde Selbstverständlichkeit und mit Sicherheit kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen.

Bleiben noch die guten Sozialleistungen. Eine etwas vage Formulierung, vorsichtig ausgedrückt. Ist damit ein guter Lohn gemeint? Wenn ja, sollte man das auch schreiben wie etwa "Attraktive Vergütung". Oder sagt dieser Punkt einfach nur aus, dass der Arbeitgeber die üblichen Lohnnebenkosten bezahlt? Dann wäre das auch nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit.

So sieht er also aus, der Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft.

Übrigens kommt mir beim Durchlesen solcher Stellenanzeigen immer eine unstillbare Sehnsucht nach dem einfachen Leben.

Mit ein paar Leuten einige Hektar kultivieren. Das wäre mal ein Job, den würde ich inzwischen sogar umsonst machen. Den ganzen Tag draußen, sinnvolle Dinge tun, sehen wie etwas heranwächst und nicht immer nur dem Geldgesindel beim Vermehren der Kapitalrendite helfen.

(Übrigens liebe AZ: der Ausdruck "händeringend" im Zusammenhang mit "Suchen" ist komplett bescheuert. Zum Beweis einfach mal einen Gegenstand suchen, während man die Hände ringt. Es ist anstrengend und fördert mit Sicherheit nicht das Auffinden des Gegenstandes. Besser, man sucht "intensiv"oder "angestrengt", zur Not kann man auch "verzweifelt" suchen. Nur "händeringend" sucht kein Mensch, auch nicht der Chef von Voxtron.)

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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