Wie erklär ichs meinen Kindern. Heute: Kapitalismus und Gewalt

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Kinder, stellt euch einfach mal vor, der Kapitalismus sei die Titanic. Dieses große Schiff, das Anfang des letzten Jahrhunderts auf einen Eisberg gefahren und gesunken ist. Die Passagiere der Titanic, das sind wir, die reichen Menschen im Westen.

Das Personal der Titanic, die Matrosen, Köche, Stewards, Maschinisten, das sind die armen Menschen.

Die Bordkapelle der Titanic, das sind unsere Politiker. Dann gibt es noch die Offiziere und den Kapitän, die das Schiff steuern, das sind die Banker und Manager. Und zum Schluss gibt es noch den Reeder, dem das Schiff gehört und der bestimmt, wo es hinfährt. Das sind die Reichen.

Am Anfang läuft alles wunderbar. Der Reeder sagt, das Schiff soll nach Amerika fahren und der Kapitän und die Offiziere steuern das Schiff dorthin. Das Personal muss in den Maschinenräumen und Küchen arbeiten.

Die Passagiere amüsieren sich und dürfen einmal am Abend wählen, welche Musikstücke die Bordkapelle spielt. Das nennt sich parlamentarische Demokratie.

Irgendwann entdecken aber ein paar Passagiere und Leute vom Personal, dass das Schiff genau auf einen Eisberg zufährt. Und ab jetzt wirds schwierig.

Die Passagiere haben nämlich keinen Zutritt zu der Kapitänskabine und können dem Kapitän die Bedrohung nicht mittteilen. Also bittet man den Orchesterdirigenten, dem Kapitän zu sagen, er solle eine Kursänderung vornehmen. Die Bordkapelle selber hat ja nichts zu melden. Der Kapitän hört aber nicht auf den Dirigenten, denn welcher Kapitän lässt sich schon von einem Kapellmeister erzählen, wo er hinsteuern soll.

Um auf das Problem aufmerksam zu machen, beschließt jetzt das Personal, zu meutern. Einige Passagiere unterstützen diesen Plan. Also fängt die Besatzung unterstützt von einigen Passagieren an zu meutern. Der Kapitän beschließt daraufhin, die meuternde Besatzung einzusperren. Einige Verzweifelte versuchen jetzt, die Maschinen zu sabotieren, um die Weiterfahrt zu stoppen. Das sind die Terroristen und Randalierer. Aber sie werden erwischt und ebenfalls eingesperrt. Der Kapitän und der Kapellmeister verurteilen diese Aktionen als Akte sinnloser Gewalt.

Inzwischen haben aber auch einige Offiziere den Eisberg gesehen, zB der erste Offizier Schirrmacher. Die Loyalität gegenüber seinen Kapitän und die Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, verbieten dem ersten Offizier aber, ebenfalls zu meutern. Lieber mit dem Kapitän untergehen.

Aber inzwischen ist es auch egal, denn die Titanic hat den Eisberg gerammt und geht unter. Die Passagiere dürfen sich zum letzten Mal etwas von der Bordkapelle wünschen. Sie wählen "Vaya con dios". Meuterer, Besatzung, Passagiere, Bordkapelle und alle Offiziere ertrinken. Nur der Reeder bleibt am Leben.

Der ist nämlich erst gar nicht mitgefahren.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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