Deutsch in Kaltland

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Kuscheln mit Teddy hilft fast immer – wenn Adorno so über die zwischenmenschliche Kälte redet, wird es einem schon fast wieder warm. Weil wieder klar wird, dass das Problem eben nicht bei einem alleine liegt.

Nun sind zur Zeit jede Menge Menschen auf den Straßen. Ich habe in den vergangen Tagen ein paar jener Menschen begleitet, die in Berlin "echte Demokratie" fordern – auch heute zum Bundestag. Und erst dabei ist mir klar geworden, worum es ihnen wirklich geht: nicht um Positionen, Programme, Alternativen – sondern erst einmal darum, die Kälte zwischen uns "konkurrierenden Monaden" (Teddy) zu überwinden. Wir sollen uns wieder trauen, in die Augen zu schauen und im öffentlichen Raum über Dinge reden, mit denen wir uns kaum mehr beschäftigt haben. Wahrscheinlich haben wir uns deshalb nicht mit ihnen beschäftigt, weil es nichts zu bringen scheint. Und weil es so viel einfacher ist, Abhilfe für die Kälte woanders zu suchen – wie Naomi Klein in New York sagte:

"Always be aware that there will be a temptation to shift to smaller targets — like, say, the person sitting next to you at this meeting. After all, that is a battle that’s easier to win. Don’t give in to the temptation. I’m not saying don’t call each other on shit. But this time, let’s treat each other as if we plan to work side by side in struggle for many, many years to come. Because the task before will demand nothing less."

Trotz der Aussage, dass es viele Jahre dauern könnte: Was die Überwindung der Kälte betrifft, ist Naomi natürlich viel optimistischer als Teddy. Der meint, dass die Kälte höchstens in einem kleinen Kreis von Menschen überwunden werden kann – und immer nur kurrzeitig.

Auch trotz Sit-In wurde es vor dem Bundestag am Abend immer kälter. Nur noch im Stream habe ich verfolgt, wie eine Besetzerin über das "human mic" sagte: "Wenn es uns zu kalt wird" … "dann rücken wir näher zusammen!" Dann hat ihnen die Polizei Pappkartons und Isomatten weggerissen.

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