Die Macher hinter den Kulissen

Die Transatlantiker In seinem neuen Buch beschreibt Hermann Ploppa die Geschichte der transatlantischen Freundschaft, beleuchtet auch und insbesondere die aus seiner Sicht negativen Seiten.

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EIN RAUER WIND WEHT VON WEST

Ex-Bundespräsident Wulff war nicht mein Lieblingspräsident. Ich sah ihn als typischen Vertreter einer weitgehend gleichgeschalteten politischen Kaste an, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einer neuen Aristokratie entwickelt hatte. Als aber die Medienkampagne gegen Ex-Präsident Wulff losgetreten wurde, fragte ich mich, wie eine solche Hysterie entstehen konnte. Da hatte ein sich überschätzender Bundespräsident einen menschlichen Fehler begangen und eine wütende Nachricht auf einem Anrufbeantworter hinterlassen. Seine Beziehung zu einem reichen Freund wurde als Korruption interpretiert. Und am Ende blieben 800 Euro Hotelrechnungen als Vorwurf übrig, (die dann noch vor Gericht keinen Bestand hatten). Wie konnte es sein, so fragte ich mich damals, dass selbst angeblich kritische und aufgeklärte Politik-Aktivisten an vorderster Front gegen Wulff polemisierten, ohne Rücksicht darauf, welche Folgen das politisch haben könnte.

Die Frage blieb unbeantwortet, bis ich das Buch von Herrmann Ploppa, die Macher hinter den Kulissen, in die Hände bekam. Das Kapitel Wulff wird bereits in der Einleitung „Ein rauer Wind weht von West“ aufgegriffen. Ploppa erklärt, wie Wulff von den Medien aufgebaut worden war. Und welche Fehler er beging, worauf er in Ungnade fiel, mit Klagen, Verleumdungen und Polemik verfolgt wurde. Der Hauptprotagonist für den Sturz von Wulf war Kai Diekmann, von der BILD. Sowohl Diekmann als auch Wulff sind Mitglied in der elitären Atlantik Brücke. Ebenso übrigens, wie jetzt-Bundespräsident Gauck. Aber Wulff hatte Kardinalfehler gemacht, mit denen er sich von der Politik der Atlantik-Brücke entfernt hatte. Ploppa zitiert ihn z.B. mit den Worten:

„Wer heute die Folgen geplatzter Spekulationsblasen allein mit Geld und Garantien zu mildern versucht, verschiebt die Lasten zu jungen Generationen und erschwert ihr die Zukunft….“

Das war ganz und gar nicht im Sinne des Mainstreams in Medien und Politik. Weshalb er, das konnte man zwischen den Zeilen lesen, "zum Abschuss" frei gegeben worden war.

Und warum hatten sich genau diesem System gegenüber kritisch eingestellte Menschen in diese Kampagne einspannen lassen? Das nun konnte ich mir selbst beantworten. Hatte doch schon Jacques Ellul in seinem Buch "The Formation of Men's Attitudes" darauf hingewiesen, dass besonders Gebildete und scheinbar in einem Bereich gut Informierte, besonders anfällig für Propaganda sind.

Ganz im Sinne der Politik der Atlantikbrücke hatte sich Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg erklärt. Und selbst nach seinem, von der politischen Elite widerwillig durchgeführten Rückzug aus einem Ministeramt auf Grund der nachgewiesenen Betrugsfälle bzw. Plagiatsanschuldigungen und dem Widerruf seines Doktortitels, wird er, jetzt wohnhaft in USA, immer noch zu Vorträgen eingeladen und mit Aufgaben für die EU beauftragt. Und immer wieder kursieren Gerüchte über sein politisches Comeback. Hier hatten sich die o.g. Aktivisten nun nicht beeinflussen lassen. Denn zu stark war in Guttenberg die Personifizierung des Systems zu erkennen, zu deutlich die schützende Hand, die selbst noch nach dem Aufdecken der Plagiatsvorwürfe versuchte, den Überführten zu verteidigen und zu halten.

Ploppa fragt dann, warum im TV und Radio immer die gleichen politischen „Experten“ auftreten:

„Zu Außen- und Sicherheitspolitik spricht oft der grüne Politiker Omid Nouripour. Auch sein Parteifreund Cem Özdemir ist dabei. Dabei gibt es gar keine großen inhaltlichen Unterschiede zu dem CDU-Mann Ruprecht Polenz…“

Als Leser wiederum fragt man sich automatisch, was denn diese Menschen gemein hatten. Und Ploppa antwortet mit einer Frage:

„… Oder kennen Sie den Business Roundtable, das European Policy Network, die Körber-Stiftung, die Stiftung Neue Verantwortung…“

Er nennt aber dann auch die Organisationen, die einem Leser wohl geläufiger sein dürften: Atlantik-Brücke, Bilderberger, Trilaterale Kommission, Aspen-Institut. Nicht ohne die darum kursierenden Verschwörungsgerüchte mit oft antisemitischen Inhalt, ausdrücklich abzulehnen. Und statt dessen eine These zu entwickeln, die gerade in den letzten Monaten so stark bestätigt wurde, dass heute viele Menschen auch ohne Lesen dieses Buches zu einer ähnlichen Überzeugung gekommen sind. Seine These:

„Eine Gruppe von Unternehmern, Bankern, Wissenschaftlern und Medienleuten arbeitet weitgehend im Verborgenen daran, die Bundesrepublik Deutschland unwiderruflich als Juniorpartner an die USA festzuschweißen. Zum anderen geht es darum, Deutschland un Europa nach amerikanischem Modell marktradikal umzukrempeln.“

Er beschreibt, was er damit meint und dadurch wird die Erwartung geweckt, dass das Buch nun diese These analysieren und begründen wird. Zunächst aber verweist Ploppa in seiner Einleitung auf Kapitel drei, in dem es um den Neoliberalismus geht. Und er deutet an, am Ende Vorschläge zu machen, wie das Volk als eigentlicher Souverän in unserer repräsentativen Demokratie wieder die Macht über politische Entscheidungen zurück gewinnen kann.

ES WAR EINMAL UND IST IMMER NOCH

Viele glauben, der Begriff „Alternativlos“ wäre eine Erfindung von Angela Merkel, um Widerstand gegen ihre Politik ohne Diskussion aus dem Weg zu räumen. Ploppa erklärt uns, dass diese Politik schon auf Thatcher zurückgeführt werden kann. Sie hatte den Kampf um die Radikalisierung des „Marktes“ begonnen, den Merkel nun in Deutschland weiter führt. Ploppa beschreibt die bescheidenen aber erfolgreichen Beweise, dass es Alternativen gibt. Und er erklärt, dass unsere deutsche „Konsensgesellschaft“ von Neoliberalen belächelt wird.

Nach einem Ausflug in die Geschichte der „Konsensgesellschaft“ beschreibt er, wie systematisch diese Form der Gesellschaft zerstört wird. Und erklärt, wie sich die Privatisierung verbreitet. Er beschreibt die Errungenschaften und Gefährdung der öffentlichen Wirtschaft in der deutschen Geschichte. Das Schicksal von Sparkassen und die Todfeinde der Genossenschaftsbanken. Das Kapitel endet mit dem Aufruf, die Biodiversität unserer Gesellschaft zu retten.

DIE GEBURT DES NEOLIBERLAISMUS AUS DEM CORPORATE STATE

Das dritte Kapitel beginnt mit einer kurzen historischen Darstellung der Entstehung der USA, seiner Unternehmungen, Kartelle und Bewegungen. Dazu gehört auch die Kritik am Stiftungswesen. Es entzieht, so Ploppa, dem Gemeinwesen die Kontrolle über Steuereinnahmen, weil diese durch die Stiftungsgründungen vermieden werden. Gleichzeitig beefinlussen die Stiftungen letztendlich die Richtung von Forschung, Entwicklung und Gesellschaftspolitik, ohne Kontrolle durch die Gemeinschaft.

Mit einem Rückblick auf die Gründe für den Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, wird dann nebenbei und beispielhaft beschrieben, wie die Kapitalkonzentration durch Abschnürung kleinerer „nicht kriegswichtiger“ Unternehmungen noch weiter gefördert wurde.

Die zwölf Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurden durch die Regierungspolitik der Republikaner bestimmt, die die Wirtschaft den Marktmächten überließen. Was, wie Ploppa richtig diagnostizierte, zu dem verheerenden Börsencrash von 1929 führte. Also wurde damals, so kann man daraus folgern, eine Politik betrieben, die später erneut in Europa von Thatcher eingeführt wurde, und zu den bekannten Bankenkrisen, und daraus resultierend Staatskrisen, der letzten Jahren führte. Ploppa beschreibt dann wie Roosevelt versuchte, eine Rückverteilung des Reichtums auf die Allgemeinheit durchzusetzen. Was aber durch die Propaganda für eine Utopie der schönen neuen Welt im Kapitalismus erfolgreich gekontert wurde.

Einer der Utopie-Entwickler dieser Zeit wird von Ploppa ausdrücklich erwähnt, und das ist gut so. Edward Bernays war ein Neffe von Sigmund Freud und vermutlich der Erfinder der modernen Manipulationstechniken. Er sollte, gegen den Apell Roosevelts an den logischen Verstand, letztendlich den Sieg davon tragen. Eine Aussicht, die auch in der derzeitigen Situation nicht ermutigt.

Spontan fällt mir der Bundestagswahlkampf von 1990 ein, in dem Lafontaine vollkommen richtig analysierend, an die Vernunft appellierte und damit die Wahl verlor. Während Helmut Kohl mit der Utopie der "blühenden Landschaften", die Wahl gewann. Offensichtlich hatten die letzten fast 100 Jahre wenig dazu beigetragen, dass sich Wähler rational verhalten.

Das Kapitel beschreibt dann mit lockeren Worten das Ringen in den USA zwischen einem europäischen Modell, das auf sozialen Ausgleich und Verhinderung von Aufständen ausgerichtet war, und einem manipulativen, auf Gier und Egoismus basierenden Kapitalismus. Interessant sind die Nebenerklärungen der Beziehungen der USA zur Sowjetunion, die damals die heutige Rolle Saudi Arabiens spielte, wie Ploppa diagnostiziert. Oder die Informationen über Verbindungen zum faschistischen Italien und Deutschland.

Schließlich wird erklärt, wie die Marke „Neoliberalismus“ entstand und welche Protagonisten welche Rolle spielten. Dabei kommen nicht nur Hayek und Friedmann vor, sondern auch andere Personen der Zeitgeschichte und Wirtschaftswissenschaften. Und ihre Rollen und Ansichten werden nicht selten kritisch hinterfragt.

Am Ende des Kapitels hat man einen guten Eindruck davon, welche Entwicklung Wirtschaftspolitik bis Ludwig Erhard und Maggie Thatcher genommen hat.

RUNDE TISCHE EROBERN DIE WELT

Im nächsten Kapitel erklärt Ploppa nicht nur die Historie der Runden Tische, die mit einem diskreten Herrenklub in England begann. Er erzählt auch, wie sich „Runde Tische“ bildeten, die die Neuordnung Europas nach dem ersten Weltkrieg organisieren wollten. Und wie außenpolitische Entscheidungen der USA immer mehr durch Fach- und Interessenvertretungen an „Runden Tischen“ quasi entschieden wurden. Er geht auch auf Details ein und erklärt Hintergründe und Vita einzelner Akteure dieser Zeit. Er beschreibt, wie in dieser Zeit Fähigkeiten, Intelligenz und soziale Kompetenz immer weniger wichtig wurden, verdrängt durch die Bedeutung von Beziehungen und Teilnahme an Netzwerken.

Zu jener Zeit begann die Phase der Drehtür-Effekte, die wir auch in Deutschland und Europa in den letzten Jahren ausgezeichnet beobachten konnten. Als Banker zu Politikern, Politiker zu Wirtschaftsberatern und Manager zu Politikern … und zurück …. mutierten. Auch Ämterhäufung wurde in dieser Zeit zur Blüte gebracht. Manche Beschreibungen lassen einen dann sehr nachdenklich werden.

Am Beispiel des Council-on-Foreign-Relations beschreibt er auch die Hackordnung in diesen Elite-Clubs. Und er nennt Roß und Reiter. Und dann erklärt er die kurze Phase der neuen Politik der USA durch Franklin D. Roosevelt. Eine Phase, die durch den Krieg gegen den Faschismus beendet wurde. Der Einfluss der elitären Vordenker beginnt dann nach dem Krieg richtig aufzublühen. In dieser Phase beeinflusste das CFR nicht nur das Außenministerium, sondern nach dem Tod von Roosevelt auch das Weiße Haus ganz maßgeblich. Was dann unweigerlich aus der repräsentativen Demokratie zu einer Päsidialdiktatur führte, in der das geheim tagende National Security Council (NCS) die eigentliche Macht ausübte. Was ich an dieser Stelle vermisste war ein Hinweis auf neuere wissenschaftliche Untersuchungen von US-Universitäten, die die USA im Jahr 2014 nicht mehr als Polyarchie, sondern als Oligarchie identifizierten, und auf die Äußerungen von Ex-Präsident Jimmy Carter, der der USA absprach, noch ein demokratisches Land zu sein.

Nachdem Ploppa auch den unerwarteten Aufstieg Kissingers beschrieb, kommt er zur Krise des CFR in den 1970er Jahren, als der Anteil der USA am Welthandel zu schrumpfen begann und andererseits ein Generationswechsel im CFR zu Richtungskämpfen führte.

Ploppa beschreibt dann ohne verschwörungstheoretisches Abgleiten das Auftreten der Bilderberger-Konferenzen und anderer Treffen und Kommissionen. Er erklärt die Politik von Zbigniew Brzezinski, der sich damit rühmte,

„Diese verdeckte Operation war eine hervorragende Idee. Sie bewirkte, dass die Russen in die afghanische Falle tappten“.

Gemeint war die Unterstützung der Taliban in Afghanistan gegen die Regierung des Landes, schon vor dem Einmarsch der Sowjetunion. Er geht dann auf die verschiedenen Bücher von Brzezinski ein und erklärt seine große Vision für die Zeit nach dem Ende der Sowjetunion und dem vorausgesagten Ende der USA. Das Kapitel schließt mit dem Hinweis, was aus der Idee des COF geworden war.

„Sehen wir uns mal die gar nicht beneidenswerte Situation der USA an: der Bundesstaat USA hatte im Juni 2011 Schulden angehäuft in Höhe von 14,46 Billionen US-Dollar. Das sind 98,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der USA zur selben Zeit! Und die Verschuldungspolitik geht munter weiter. Irgendwann werden die Banken nicht nur für Argentinien den Staatsbankrott erklären, sondern auch für die USA. Dann werden Banker nicht mehr verstohlen durch Lobbyisten regieren, sondern ganz offiziell im Weißen Haus als Insolvenzverwalter. Dann regiert König „Sachzwang“. Auf kommunaler Ebene wickeln bereits Privatleute die Autostadt Detroit ab.“

Was ich hier vermisste war ein kurzer Abschweifer in die europäische Politik, wo wir z.B. in Griechenland und Italien ähnliche Ansätze bereits beobachten konnten. Und einen Hinweis darauf, welchen Anteil an Staatsausgaben die Zinszahlungen der Staaten an Banken und Investoren bereits einnahmen. Allerdings geht Ploppa im nächsten Kapitel darauf ein, wie weit die Macher dieser Politik bereits in Deutschland vorangekommen sind.

DIE ATLANTIK-BRÜCKE ALS MUTTER ALLER US-NETZWERKE IN DEUTSCHLAND

„Die USA werden von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben.“

Mit den Worten eines Oetker-Urenkels beginnt das nächste Kapitel. Weiter geht es mit der Beleuchtung der Vita dieser und anderer Personen im Umfeld transatlantischer Vereinigungen.

Dann versucht er Licht das Dunkelgrau der Entstehung der transatlantischen Netzwerke zu bringen. Wichtig für das Verständnis des Beginns ist wohl der Teil, in dem er berichtet, wie begeistert US-Präsident Eisenhower von psychologischer Kriegsführung war. Und mit welchen perfiden Mitteln nach dem Krieg versucht wurde, die Gehirne der Menschen zu beeinflussen. Die Versuche mit LSD, Gehirnwäsche und Schockbehandlungen muten heute wie verschwörungstheoretischer Quatsch an, sind aber längst geschichtlich erwiesene, aber gerne vergessene Tatsachen.

Und so überrascht es nicht, dass das CIA auch in andere Versuche der Gehirnbeeinflussung viel Geld pumpte, nämlich in den Aufbau der großen Stiftungen: Rockefeller Foundation, Ford Foundation und Carnegie Endowment. Ploppa beschreibt dann Veranstaltungen, die mit diesem Geld finanziert wurden und wie groß der Einfluss der CIA schließlich war.

Dann kommt Ploppa endlich zum Kern, zur Geschichte der Gründung der Atlantik-Brücke. Die Organisation begann darin, als deutscher Klon des Council on Foreign Relations zu agieren, und diesem nachzueifern. Er beschreibt auch, wie die ZEIT gerade zu Beginn einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass dieses Ziel erfolgreich verfolgt wurde. Ploppa recherchierte und beschreibt in seinem Buch eine ansehnliche Zahl von Personen, die schließlich einflussreiche Positionen besetzten. Bis es dann zur Krise kam, weil Transatlantiker eine Gefahr für den Einfluss der USA durch die Versöhnung mit Frankreich, und den als antiamerikanisch empfundenen Kurs de Gaulles befürchteten. Ludwig Erhard und seine Nachfolger entsprachen dann schließlich wieder den Wunschvorstellungen.

Interessant ist die Recherche Ploppas zur Ostpolitik Brandts. Er beschreibt und begründet, dass die USA diese massiv unterstützen. Er analysiert die Beweggründe und erklärt die Folgen.

Als dann „Kommunistenfresser“ Franz Josef Strauß durch das Einfädeln eines Megakredites den Zusammenbruch der DDR um Jahre herauszögerte, begann das atlantische Netzwerk endgültig intensiv wie nie zuvor, als aussichtsreich angesehene Talente für die transatlantische Idee zu werben. Der Grundstein für ein tiefes Verankern des transatlantischen Gedankens in der Gesellschaft durch systematische Unterstützung solcher Kräfte.

DIE GUT ERZOGENEN KINDER DER AMERIKANER

1972 schenkte die Bundesregierung den USA eine Stiftung im Wert von 150 Millionen DM, um die Unterstützung junger aufstrebender Hoffnungsträger in Deutschland, im Sinne der amerikanischen Staatsideologie, zu finanzieren. Der German Marshall Fund of the United States war der Beginn für eine Reihe von ähnlichen Stiftungen. Und aus den 150 Millionen DM wurden im Laufe der Zeit viele Milliarden Euro an Steuergeldern, die diesem Zweck dienen. Das kann man jedenfalls aus den Recherchen Ploppas lernen.

In den 1970ern, so Ploppa, begann aber auch Deutschland … und die EU zu begreifen, dass

„… bei Themen, die von den USA als wichtig angesehen wurden, Konsultationen mit den USA unabwendbar sein würden…“

wie man einem der zahlreichen Quellenangaben des Buches entnehmen kann. Apropos Quellenangaben: Für am Thema Interessierte sind die ein Quell zusätzlicher Informationen.

Ploppa erwähnt dann einen längst vergessenen Fall von Ungereimtheiten über Korruption und Finanzierung deutscher Parteien, und dem Tod eines deutschen Politikers, Otto Lenz. Glücklicherweise lässt sich Ploppa nicht dazu hinreißen wilde Verschwörungstheorien zu postulieren, sondern beschreibt lediglich die Fakten. Die Schlussfolgerung überlässt er dem Leser. Ebenso wie bei der Beschreibung personeller Verbindungen zwischen transatlantischen Organisationen und deutscher Politik und deutschen Medien.

Schließlich erwähnt Ploppa die Körber-Stiftung. Von der ich bis dahin der Annahme war, sie würde sich für einen auf fairen Ausgleich bedachten Dialog zwischen Ost und West einsetzen. Aber nicht nur zu diesem Punkt erlebte ich überraschende Faktenlagen. Kaum von den Überraschungen erholt, beginnt der nächste Kapitel, in dem Ploppa über die Entwicklungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion berichtet.

DEUTSCHLAND FEST IN TRANSATLANTISCHER UND MARKTRADIKALER HAND?

Die Phase nach der Widervereinigung sollte eigentlich nicht so viele Überraschungen für mich bringen, dachte ich, in dem Glauben, mich ganz gut zu erinnern, auch wenn ich einen großen Teil der Zeit im Ausland verbracht hatte. Und so verwunderte es nicht, über die zweifelhaften Aktionen der Treuhand zu lesen. Und natürlich kommen die Geschenke der Bundesregierung an die westdeutschen Banken zur Sprache. Und dann kommt natürlich auch Ploppa nicht an Bertelsmann vorbei. Jene Stiftung, für die es spezielle Gesetze gibt, um ihr staatliche Privilegien zu gewähren. Gesetze, die einst von der Piratenpartei NRW zu bekämpfen benannt wurde, von denen man aber seit der letzten Landtagswahl nicht viel gehört hat. Die Stiftung besitzt 77,6% Anteile am Medienkonzern. Weshalb Kritiker laut Ploppa sagen,

„dass Aktivitäten der Stiftung ein vorteilhaftes Umfeld für das operative Geschäft des Konzerns schafften könnten. Und der Medienkonzern kann wiederum die Weltsicht und die Projekte der Stiftung propagandistisch in einer Durchschlagskraft nach vorne bringen, wie es in Deutschland bisher ohne Beispiel ist.“

Es folgen Beschreibungen für gesellschaftliche Einflussnahme der Stiftung und nicht zuletzt, wie sie sich in das transatlantische Netzwerk einbrachte. Ploppa übersetzt Aussagen der Stiftung dann wie folgt:

„Stiftungen müssen den Sozialabbau in die Hand nehmen, weil auch die Regierung Kohl zögert, Segmente ihrer Wählerklientel durch soziale Kälte zu verprellen. Da müssen eben Institutionen her, die nicht dem Souverän der Demokratie, dem Volk verpflichtet sind. Und da ist ein Instrument wie das Bertelsmann-Konglomerat aus Medienkonzern und Stiftung mittlerweile stark genug, um diese Schergenarbeit zu leisten“.

Nach Darstellung einiger „geschmeidiger“ Aktivitäten von Bertelsmann zitiert Ploppa das Manager Magazin, das das Gesamtvermögen deutscher Stiftungen auf 100 Milliarden Euro schätzt. Was in entsprechendem Maße die Steuereinnahmen verringert. Und das war dann doch für mich eine Überraschung. Natürlich folgt darauf auch der richtige Hinweis auf die europäischen Steueroasen und Steuerparadiese für Reiche.

NEUE GENERATION - NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Ploppa beschreibt dann, wie neben „unternehmerischer Philanthropie“ die so genannten advokatorischen Denkfabriken immer stärker zunahmen.

„So bezeichnet man in Fachkreisen Lobbygruppen, die keine Wohltaten vollbringen wollen, sondern ganz ausdrücklich weltanschauliche Inhalte vermitteln und in die Köpfe implantieren wollen.“

Das Umsetzen ihrer Ideen wurde jedoch erst mal gehemmt durch die Große Koalition, in der ein „Durchwurschteln“ angesagt war. Dann listet Ploppa wieder Namen und Aktivitäten aus, mit denen die marktradikalen Kräfte ihren Einfluss ausweiteten. Am Beispiel der Privatisierung sozialer Aufgaben im Bereich von Gefängnissen zitiert der Autor aus Arbeiten, die das Ergebnis in den USA beschreiben.

„…seitdem die Gefängnisse in den USA ab den Siebzigerjahren privatisiert wurden und sich diese Branche als durchaus rentabel erwies, vermehrte sich die Anzahl der Gefängnisinsassen von 200.000 im Jahre 1970 auf jetzt 2,2 Millionen…“ Und er schließt: „Hier gilt, wie so oft bei Privatisierungen: wir schaffen die Probleme, für die wir die lukrative Lösung anbieten.“

Zwangsläufig folgt dann eine Beschreibung der Strategie der Eliten in den USA, verkörpert durch niemand besser als Brzezinski, um den schwindenden direkten Einfluss auszugleichen. Ploppa analysiert seine Arbeiten und stellt fest:

„Wie Brzezinski klar gemacht hat, muss der Schwund amerikanischer Präsenz und Dominanz durch ein sich selbst tragendes Bündnissystem von Vasallen ausgeglichen werden. Dazu gehört ein überschaubarer Kreis von Personen und Institutionen, die absolut koordiniert ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem die Vasallen ungehindert ihre Aufgaben erfüllen können.“

Interessanterweise widerspricht niemand dieser Interpretation Ploppas, sondern diese Einstellung wird verteidigt, mit dem Hinweis, dass es das Beste für die Vasallen wäre. Was folgt sind Namen, Aktivitäten und Hinweise auf Ereignisse, mit denen klar wird, dass dieses Ziel bereits in Deutschland sehr gut umgesetzt wird.
Zwangsläufig folgt dann der Zeigefinger auf die Medienmacht der Transatlantiker. Spätestens seit der berühmten Sendung der „Anstalt“ vom 23.09.2014 im ZDF, und der darauf erfolgten, bisher erfolglosen Klag namhafter Chefredakteure deutscher Medien, ist die Verflechtung von Medien, transatlantischen Vereinigungen, und der NATO bekannt. Ploppa hatte sein Buch sicher vor der Sendung geschrieben, legt aber den Finger in die gleichen Wunden, mit vielen zusätzlichen schlüpfrigen Details. Und zum Abschluss des Kapitels beschreibt er anhand von Beispielen, wie sich der „Drehtüreffekt“ aus Amerika bei uns endgültig durchgesetzt hat.

ZUSAMMENSCHWEISSEN, WAS NICHT ZUSAMMENWACHSEN WILL

Im letzten Viertel des Buches beginnt Ploppa das Kapitel mit den noch bis 1998 als Verschwörungstheorie verspotteten Erklärung, dass Churchill, gemeinsam mit den Geheimdiensten Englands und der USA, einen Plan entwickelt hatte, so schnell wie möglich, und mit Hilfe von 100.000 deutschen Soldaten, einen Krieg gegen die Sowjetunion zu führen. Der geheime Plan wurde durch seine Abwahl und Bildung einer Labour-Regierung im Jahr 1945 dann glücklicherweise nicht umgesetzt.

Ploppa erklärt ausgehend von diesem historischen Rückblick, wie und welche angelsächsischen Organisationen sich bemühten, Europa zum Kampf gegen die Sowjetunion aufzubauen. Und wenn man die jüngsten Ereignisse in der Ukraine sieht, scheinen diese Bemühungen langsam an ihr Ziel zu kommen. Auch wenn nun nicht mehr die Sowjetunion, sondern Russland, die Verwaltung der Bodenschätze des Landes für sich beansprucht.

Zurück zu Ploppa. Er beschreibt, wie schwierig es anfangs, besonders in der Phase des McCarthyismus war, die Jugend Europas für die USA zu gewinnen. Aber schließlich trat zu dieser Zeit auch zum ersten Mal, mit Finanzierung der CIA, eine Gruppe von Reichen und Berühmten im gleichnamigen holländischen Hotel Bilderberg zusammen, um gerade auch dieses Ziel zu unterstützen.

Schließlich beschreibt Ploppa auch, wie aus den Anfängen des simplen Lobbyismus, eine Einflussnahme auf Staat und Gesellschaft entwickelt wurde, die weit über das hinausgeht, was die meisten ahnen. Und wieder schlüsselt Ploppa Namen und Aktivitäten auf, und durch das Zusammenbringen von Informationen, mag dem Einen oder Anderen bewusst werden, dass er eigentlich etwas Ähnliches längst gefühlt hatte, aber nie den Zugang zu zusammen gefassten Informationen hatte, um aus dem Gefühl ein Bewusstsein werden zu lassen. Ploppa beschreibt dann, wie diese Entwicklung schließlich kulminiert in TTIP, dem „Freihandelsmarkt“, der endgültig neoliberale nordamerikanische Verhältnisse in der europäischen Gesellschaft zementieren soll.

Liest man weiter, stößt man auf Namen, von denen man nicht gedacht hatte, sie in den genannten Institutionen zu finden. Aber auch auf andere Namen, bei denen man schon immer „gefühlt“ hatte, dass es sich um Vertreter eines radikalen Marktkapitalismus amerikanischen Zuschnitts gehandelt hatte.

Schließlich sehen wir in Ploppas Buch bestätigt, was wir auch schon längst wussten, nämlich dass der angebliche Gegenpol zum US-amerikanischen Council on Foreign Relations, das Gegenteil davon war. D.h. der European Council of Foreign Relations wird beherrscht von überzeugten Transatlantikern, die die Sichtweise Amerikas in Europa vertreten.

Ploppa beschreibt dann Vorläufer und Entstehung von TTIP. Und wie die Agenda, praktisch ohne jeden Input der kritischen Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften, Menschenrechtlern oder Verbraucherschützern, im Dialog zwischen Großkonzernen und höchsten politischen Autoritäten, vorangetrieben wurde.

WAS TUN? DEUTSCHLAND INSTANDBESETZEN!

Im letzten Kapitel will Ploppa ausdrücken, dass er kein Prophet des Armageddon sein will oder eines bevorstehenden Weltuntergangs. Vielmehr erklärt er, unter welchen Bedingungen die Hoffnungen, die einst auf den Begriff „Demokratie“ gesetzt worden waren, wieder aufgefrischt werden können. Aber das sollten sich Interessierte selbst anlesen.

FAZIT

Ploppa legt eine historische Beschreibung der transatlantischen Beziehungen vor, die sicher aus einem bestimmten Blickwinkel geschrieben wurde. Dem des enttäuschten Demokraten. Er deckt keine neuen Skandale auf, aber der Eine oder Andere wird neue Aspekte finden, die er so bisher nicht gesehen hatte, obwohl sie bekannt waren.

Ich wünschte mir, dass überzeugte Transatlantiker das Buch durch kritische Beantwortung in Frage stellen würden. So würden wir gezwungen, uns in Abwägung der beiden Sichtweisen, eine eigene Meinung zu bilden. Ohne diese Beantwortung der direkt und indirekt erhobenen Vorwürfe bleibt dem Leser nur ein Urteil: Neo-Liberalismus in Verbindung mit transatlantischem Gedankengut vernichtet immer mehr europäische Werte. Insofern klingt die Beschwörung der „Gemeinsamen Werte“, die westliche Politiker vor sich her tragen, nur noch peinlich.

Hermann Ploppa, Die Macher hinter den Kulissen, Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern, Nomen-Verlag 2014, 200 Seiten
ISBN 978-3-939816-22-5

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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